Bayrische Neben-Innenpolitik

Moskau-Reise Horst Seehofer macht den Strauß und stattet Wladimir Putin einen Besuch ab. Dabei dürften die heimischen Konflikte der eigentliche Grund für dessen Ausscheren sein
Ausgabe 05/2016

Als Franz Josef Strauß Ende 1987 Michail Gorbatschow besuchte, steuerte er sogar sein eigenes Flugzeug. Dass Kohl und Genscher die besten Lenker der bundesdeutschen Außenpolitik seien, hatte er immer bezweifelt. Horst Seehofer, ein bekennender Strauß-Epigone, fliegt nach Moskau. Jetzt wird ihm Neben-Außenpolitik vorgeworfen. Seehofer verweist darauf, dass er Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier informiert habe. Falls er auf Neben-Außenpolitik aus ist, müssten deren Ziele bestimmt werden. Vielleicht ist es auch ein bisschen Industriepolitik. Die bayrische Exportwirtschaft ist an einem Ende der Sanktionen gegen Russland interessiert. Siemens, ansässig in München, wehrte sich 2014 gegen den Druck, den die Kanzlerin im Ukraine-Konflikt in Sachen Boykott auf die Unternehmen ausübte. Reicht das als Erklärung für Seehofers Motive?

Seit Beginn des Konflikts mit NATO und EU sucht Wladimir Putin Verbündete im Westen. In der klassischen Linken hat Moskau keine Partner mehr – nicht nur aus prinzipiellen Gründen, auch mangels Masse. Also versucht er es mit der Rechten. Der Kredit, den eine russische Bank Marine Le Pens Front National gewährte, war kein reines Privatgeschäft. Die Demonstrationen von Russlanddeutschen gegen Flüchtlinge müssen nicht ferngesteuert sein. Aber sie gehen konform mit Pegida und der AfD, gegenüber denen Putin ebenso wenig Berührungsängste hat wie seine ehemaligen Mitbürger. Ihm hat es gewiss nicht missfallen, dass der NPD-Europa-Abgeordnete Udo Voigt 2015 auf dem Russischen Konservativen Forum in Petersburg, einem Treffen „internationaler Nationalisten“, seine Ukraine-Politik verteidigte.

Was sich Russlands Präsident langfristig von einer solchen Politik verspricht, ist nicht völlig klar. Rechtspopulismus und Nationalismus gehören zu den Mitteln seiner autoritären Herrschaft, auch angesichts einer schwierigen ökonomischen Lage, wie sie durch die Sanktionen und den Absturz des Ölpreises eingetreten ist. Dass ihm dies außenpolitisch etwas bringt, ist ungewiss. Es sei denn, Russlands Präsident spekuliert darauf, sich durch starke zentrifugale Tendenzen in der EU Entlastung zu verschaffen. Er betreibt damit wohl zugleich Innenpolitik.

Soll man annehmen, dass Horst Seehofer sich hier einspannen lässt? Er hat andere Sorgen. Ihn treibt die Furcht um, seine CSU könne ihr Monopol auf den rechten Rand des bayrischen Parteiensystems nicht halten. 2018 ist wieder Landtagswahl, bis dahin muss er die AfD – für Putin vielleicht nützlich, für Seehofer schädlich – kleinkriegen. Derzeit liegt die Partei in Bayern laut Umfragen bei acht Prozent. Seehofer kommt es sehr darauf an, sie aus dem Maximilianeum herauszuhalten. Also wurde der Kampf gegen Merkels Flüchtlingskurs für ihn zum zentralen Hebel vorauseilender Wahlpolitik. Hier zeigt er gern, dass er Freunde im Ausland hat: Viktor Orbán etwa. Den Flüchtlingsstrom wird Putin wohl für eine Schwächung Europas halten. Er kann kein Interesse daran haben, dass Seehofer bei dessen Eindämmung Erfolg hat. Aber der macht Merkel Schwierigkeiten. Und das zählt.

Man kann fragen, ob die von der Kanzlerin forcierte antirussische Sanktionspolitik besonders intelligent war, des Weiteren annehmen, dass sie ihr irgendwann auf die Füße fällt, und eine Korrektur anmahnen. Seehofer dürfte das egal sein. Er macht bayrische Neben-Innenpolitik, auch wenn das zunächst anders aussieht.

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