Bröckeln nach rechts

Reformprotest und Saarwahlen Dank einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung kamen die Pro-Hartz-Parteien auf 89 Prozent der abgegebenen Stimmen

Nach ihrer Niederlage an der Saar ist die SPD auf der Talsohle angelangt. Da wird sie nun noch einige Zeit bleiben, wenigstens bis nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen. Eine innerparteiliche Gegen-Elite, die einen Kurswechsel erzwingen könnte, ist nicht in Sicht.

Das Ergebnis der CDU ist interpretationsbedürftig. Sie baute ihre absolute Mehrheit aus. In einigen Prognosen war ihr ein noch besseres Resultat vorhergesagt worden. Wenn es nicht erreicht wurde - war das ein weiteres Zeichen für die Schwächung der Union, wie sie sich auch in jüngsten Umfragen bemerkbar machte? Dafür ist Peter Müllers Ergebnis denn doch zu imponierend. Allerdings trat er im Wahlkampf als Teil-Kritiker von Hartz IV hervor - also einer Politik, die von Merkel und Merz demonstrativ unterstützt wird.

Grüne und FDP sind wieder im Landtag. Ihr Zuwachs dürfte von Abtrünnigen ihrer größeren Partner - SPD und CDU - kommen. Der Schwund der Sozialdemokratie und eine ganz leichte Zwischenschwäche der Union nützten ihnen. Bei der FDP finden sich zur Zeit wohl auch die strammsten Hartz-Unterstützer, denen die CDU da zu wankelmütig vorkommt.

Das alarmierendste Ergebnis erzielte eine Partei, die im saarländischen Landtag nicht vertreten sein wird: vier Prozent für die NPD. Darin sind zehn Prozent Arbeiterstimmen und sechzehn von Arbeitslosen enthalten. Dorthin ging also ein erheblicher Teil des sozialen Protestes. Folgender Slogan verfing: "Schnauze voll? - NPD". Beflügelnde Wirkungen auf Brandenburg und Sachsen sind zu befürchten.

Wenn die PDS einen Fehler macht, stellt sie folgende Rechnung auf: Ihre 2,3 Prozent an der Saar könnten Hoffnung für die Bundestagswahl machen. Erziele sie dieses Ergebnis nämlich durchschnittlich in den alten Bundesländern und addiere man es zu den erhofften vielen Ost-Stimmen, werde die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Dabei würde nicht bedacht, dass im Saarland teilweise Kommunalbedingungen herrschen. Es ist kein typischer Flächenstaat. In den größeren Ländern sind mehr als zwei Prozent nicht in Sicht.

Wichtiger: die PDS konnte an der Saar den sozialen Protest nicht an sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass ihr das auch sonst im Westen nicht gelingen wird.

Die im Entstehen begriffene "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" war organisatorisch noch nicht so weit, um an der Saar anzutreten. Sie hätte wahrscheinlich nicht schlecht ausgesehen. Die Wahlbeteiligung war die geringste seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele frustrierte SPD-Wähler blieben zu Hause. Hier wäre etwas zu gewinnen gewesen, wohl auch zusätzlich auf Kosten der SPD. Auch das irrlichternde Verhalten Lafontaines hätte zugunsten einer linken Wahlalternative gewirkt, unabhängig davon, wie er selbst zu ihr stehen mochte.

Aber das ist jetzt schon wieder eine Angelegenheit von gestern. Wichtiger ist eine Tatsache, die aus dem Wahlergebnis ablesbar ist: der Anti-Hartz-Protest ist nicht eindeutig links. Er kann sich noch stärker in die andere Richtung hin entwickeln. Ob dies verhindert werden kann, ist eine von drei ernsthaften Fragen, die sich jetzt stellen.

Die zweite betrifft die Chancen einer neuen Linkspartei. Es wäre verantwortungslos und von schlimmer Langzeitwirkung, wenn das Potenzial, das auch für sie in der Saarwahl sichtbar wurde und das es anderwärts ebenfalls gibt, jetzt nicht genutzt würde.

Die dritte Frage lautet: wie kann angesichts dieses Wahlergebnisses der neoliberale Trend gebrochen, ein Programm für eine Politik sozialer Gerechtigkeit entwickelt und durchgesetzt werden? Das ist am schwersten. Immerhin könnte das Saar-Ergebnis ja auch so interpretiert werden, dass die Pro-Hartz-Parteien zirka 89 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen - und nur diese zählen eben - erhalten haben.


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