Essers gerechter Lohn

Freisprüche im Mannesmann-Prozess Wer das Urteil nur aus ethischen und moralischen Gründen kritisiert, liegt daneben

In ihrem Buch The Making of Economic Society machen die US-amerikanischen Ökonomen Robert L. Heilbroner und William Milberg ein paar Vorschläge, wie das Wirtschaftssystem ihres Landes verbessert werden könne. Einer davon lautet: man solle die Unternehmenskultur der BRD übernehmen. Dort sei der Abstand zwischen den Einkommen der Vorstandsvorsitzenden und der einfachen Beschäftigten weit geringer.

Die im Mannesmann-Prozess angeklagten Manager verwiesen auf dieselbe Tatsache, wenngleich mit umgekehrter Wertung: In den USA - so ließen sie mitteilen - wundere man sich sehr über die merkwürdigen Auffassungen deutscher Staatsanwälte.

Die haben denn ja auch verloren. Die Richterin Koppenhöfer musste die Angeklagten freisprechen. Deren Verhalten verstoße zwar gegen das Aktienrecht, doch dieses sei nicht Teil des Strafgesetzbuches. Das soll heißen: allenfalls hätte Vodafone gegen Ackermann, Esser und - ja! - Zwickel Zivilklage erheben können. Das Vermögen des Unternehmens ist nämlich tatsächlich durch die hohen Abfindungen geschmälert worden.

Ein solches nachträgliches Vorgehen wäre allerdings absurd. Denn schließlich hat Vodafone die Übernahme von Mannesmann gewollt und musste hierfür ohnehin milliardenschwer bezahlen. Im Vergleich dazu sind die Millionen-Abfindungen tatsächlich Peanuts und gehören im weiteren Sinn zu der Kriegskasse, die in einem solchen Fall eben eingesetzt werden muss. Auch die Aktionäre von Mannesmann wurden nicht geschädigt. In der Auseinandersetzung mit Vodafone gingen die Kurse ja gerade in die Höhe, und wer rechtzeitig verkaufte, machte einen schönen Gewinn.

Dies ist nun allerdings der Sinn des Shareholder-Kapitalismus. Manager werden - anders als in den sechziger Jahren - nicht mehr dafür bezahlt, dass sie investieren, das Betriebsvermögen mehren und gute Jahresgewinne erzielen, aus denen dann die Dividenden gezahlt werden. Wer sich früher Aktien kaufte, legte sich eine andere Art von Sparbuch an. Die Dividenden waren die Zinsen. Auf die kommt es jetzt aber gar nicht mehr an, sondern auf den kurzfristigen Kurs-Anstieg, der durch schnellen Verkauf zu realisieren ist. Klaus Esser hat durch seine sogenannte "Abwehrschlacht" gegen Vodafone genau diesen Effekt erzielt. Die Aktionäre verdanken ihm ihre Bereicherung, und angesichts dieser Tatsache sind die Abfindungen vielleicht noch nicht einmal zu hoch. Es gibt nämlich in Wirklichkeit nur eine zuverlässige Instanz für solche Prämien: den Markt. Und der gab es in diesem Fall eben her.

Alles andere ist dann fast schon gefährliches gesundes Volksempfinden, das neuerdings als Ethik verkauft wird. Die Richterin Koppenhöfer mochte in ihrer Urteilsbegründung denn auch nicht darauf verzichten. Straf- und Aktienrecht erwiesen sich als unwirksam. Aber Ackermann und Co. seien gierig.

Dieser Ton wird neuerdings wieder lauter, man kennt ihn noch aus den Bewerbungsreden einer verflossenen sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidatin. Wenn sich schon nichts gegen den Kapitalismus machen lässt, dann seien wenigstens gewisse Auswüchse zu geißeln und zu beschneiden. Das wirkt besonders hübsch, wenn die Angelegenheit gleich personalisiert wird: Manager, die den Hals nicht voll genug kriegen.

Wollte man sie wirklich wegen ihres Bereicherungstriebs belangen, könnte man ebenso gut gleich den ganzen Kapitalismus auf die Anklagebank setzen. Profitmaximierung ist sein Bewegungsgesetz. Die Abfindungen für Vorstandsmitglieder sind - sehr abstrakt gesehen - nichts anderes als eine Art Effektivlohn für besonders verdiente Mitarbeiter, die zur Erreichung dieses Zieles kapitalistischen Wirtschaftens beigetragen haben.

Nach der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone wurde Personal abgebaut. Leute, die bisher schon nicht zu den Spitzenverdienern gehörten, verloren ihren Job. Der Rückgriff auf Ethik wird diesem Umstand nicht gerecht. Eher geht es - jenseits von Juristerei und Moralin - um Klassenkampf. Von oben.


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