Im Westen nichts Neues

DIE DREI MÄRZ-WAHLEN Ein gouvernementaler Zug beherrschte eine Abstimmung, vor der nur die Meinungsinstitute zu zittern anfingen

Am ehesten dürfte das gute Abschneiden der hessischen CDU überraschen. Die Schwarzgeldaffäre hat ihr offenbar nicht geschadet. Nachdem seit Jahren gute Kontakte zur "Wirtschaft" als Ausweis der Regierungsfähigkeit gelten, warum soll dann eine Partei abgestraft werden, die nach dem gleichen Prinzip nicht nur handelte, sondern sich auch unverfroren dazu bekennt? Die CDU ist ihrem Ziel nähergekommen, Hessen zu einem festen Bestandteil eines schwarzen Fünfecks im Süden zu machen. Gewinnt Koch auch noch die Landtagswahl 2003, hat die Bundespartei bessere Chancen, ihr Führungsproblem zu lösen. Erst allmählich erkennt die hessische SPD, dass sie unter anderem auch die Aufgabe hat, hiergegen etwas zu unternehmen: Endlich sind Überlegungen laut geworden, Hans Eichels blassen Stellvertreter Gerhard Bökel als nächsten Spitzenkandidaten zugunsten eines populären Oberbürgermeisters zurückzuziehen.

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz weisen den gleichen gouvernementalen Zug auf: Der jeweilige Ministerpräsident wurde massiv bestätigt. Offenbar werden derzeit keine Parlamente mehr gewählt, sondern nur noch Regierungen, und zwar jeweils diejenigen, die gerade am Ruder sind. Die Arbeitslosenzahlen sinken weniger als angekündigt, an den Börsen lösen sich Panik-Wellen ab, die besonders die Kleinanleger beeinträchtigen, Wachstumsprognosen werden nach unten korrigiert - und doch herrscht auch in breiten Schichten noch ökonomische Zuversicht. Die Gesamtstimmung wird durch die neuen Wahlergebnisse insofern vielleicht leicht verzerrt wiedergegeben, als Hessen und Baden-Württemberg besonders prosperierende Bundesländer sind und Rheinland-Pfalz nicht allzu weit hinter ihnen zurückbleibt. Die niedrige Wahlbeteiligung mag Politikverdrossenheit ausdrücken, aber auch Einverständnis mit einem gesellschaftlichen Zustand, für dessen Bestätigung oder Änderung man sich nicht groß ins Zeug legen muss.

Die einzige Partei, die in allen drei Ländern zugelegt hat, ist die SPD. Auch das kann man als Bestätigung des größeren Koalitionspartners interpretieren: in Berlin.

Die schweren Verluste der "Republikaner" in Hessen und ihr Ausscheiden aus dem Landtag in Baden-Württemberg bedeuten keinen Ruck nach links, sondern eine Stärkung des rechten Rands der Mitte. Die CDU hat nur in den beiden Bundesländern hinzugewonnen, in denen Schlierers Partei so stark war, dass von dort etwas geholt werden konnte. Der regierungsoffizielle Antifaschismus des letzten Sommers einerseits, die Nationalstolz-Propaganda der CDU andererseits haben auch hier ein fast allseits kompatibles Resultat erbracht: Wer auf Deutschland stolz sein will, tut sich leichter damit ohne Rechtspopulisten in den Parlamenten, deren Niederlage auch ein Beitrag zu internationaler Imagewerbung und Investitionsförderung ist.

Ein weiteres Mal - und gewiss wieder einmal völlig für die Katz - darf man sich Gedanken über die Vorab-Wahlumfragen machen. In Baden-Württemberg wurden einige Wochen lang Chancen für einen Regierungswechsel gesehen. Erst zehn Tage vor der Wahl wurde ein Gegentrend gemeldet. In Frankfurt war eine Wiederwahl für Petra Roth im ersten Wahlgang prophezeit worden. Offenbar hat hier ein Gewerbe eine virtuelle Welt errichtet, die am Wahlabend zwar für ein paar Tage verschwindet, an der aber bald danach erfolgreich weitergebaut wird.

Auf solch künstliche Image-Pflege legen besonders FDP und Grüne großen Wert. Die Freien Demokraten hatten für ihre Wolkenkuckucksheime immerhin einen Grundstein mit ihrem Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen 2000. Jetzt haben sie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verloren. Dennoch sind sie dem dritten Platz im Parteiengefüge mittlerweile näher als die Grünen. Der demonstrative Optimismus, den Kuhn und Schlauch auf ihrem Stuttgarter Parteitag aufbrachten, dürfte im Wesentlichen auf dem Rat ihrer PR-Agentur und auf Selbsthypnose beruhen. Das Resultat in den Ländern widersprach - wen wundert´s?- dem Bundestrend der Umfragen. Der Künast-Impuls hat sich nicht in Stimmen umgesetzt. Schon bei der Berlin-Wahl 1999 erschien diese Politikerin ein wenig wie ein Opfer ihrer Partei: Die Wirkung ihrer Tüchtigkeit wurde gemindert durch einen Faktor x - die Schwäche der Grünen. Diese werden im Übrigen kaum gründlich über die Ursachen ihrer permanenten Niederlagen nachdenken dürfen, denn es besteht die Gefahr, dass eine solche Recherche die Partei nur weiter deprimiert. Also hält man sich lieber an Trittin.

Nach den drei Märzwahlen kommt es auf die Kleinen noch weniger an als vorher. Es sieht momentan so aus, als entwickele sich die Bundesrepublik zu einem Zwei-Parteien-System mit Ornamenten und zwei Führern: vorderhand Schröder - auf längere Sicht vielleicht Koch.

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