Klar-Text

Entscheidung in Sachen Mohnhaupt Christian Klar bleibt der Einzige, der noch als Staatsfeind brauchbar ist

In den vergangenen Jahren sind immer wieder einmal RAF-Häftlinge, die zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt waren, auf Bewährung entlassen worden. Es gab nur beiläufige Medienaufmerksamkeit. Gleiches galt, wenn Gefangene wie Adelheid Schulz freigelassen werden mussten, weil ihre Gesundheit in der Haft ruiniert worden war. Die Bundespräsidenten, darunter Richard von Weizsäcker und Roman Herzog, haben RAF-Verurteilte begnadigt. Es wurde ohne Aufregung zur Kenntnis genommen.

Ende März wird Brigitte Mohnhaupt nach 24 Jahren freikommen: auf Antrag der Bundesanwaltschaft und streng nach den gesetzlichen Vorschriften. Dennoch ist der Radau groß. Die einen feiern den Rechtsstaat, der sich auch jetzt wieder bewähre. Andere sehen die Welt untergehen. Zugleich wird breit darüber gerätselt, ob Horst Köhler Christian Klar wohl begnadigen werde. Das gab es früher ebenfalls nicht. Was ist los?

2007 soll ein krummes Jubiläum gefeiert werden: 30 Jahre "Deutscher Herbst". Die großen Medien dürften ihre Soaps schon lange vorbereitet haben. Eine mittelhessische Universität verleiht dem Altkanzler Schmidt, der sich 1977 als harter Hund feiern ließ, gerade jetzt den Ehrendoktor im Fach Philosophie.

Allerdings droht allmählich der Stoff auszugehen. Die Häftlinge werden weniger. Eva Haule ist zwar noch in Haft, darf aber im Freigang eine Ausbildung absolvieren. Sie verhält sich so, dass über sie nichts geschrieben und gesendet werden kann. Mit Birgit Hogefeld, die zuletzt lebenslänglich bekam, verbindet sich die Staatsblamage von Bad Kleinen. Darüber schweigt man lieber.

Bleibt noch Christian Klar. Er ist der Einzige, der noch als Staatsfeind brauchbar ist. Die Aufregung um Brigitte Mohnhaupt hat auch die Funktion, ihn noch möglichst lange dieser Aufgabe zu erhalten. Klar hat das besondere Pech, dass er ausgerechnet in Baden-Württemberg einsitzt. Dort wohnt die Familie Schleyer. In den vergangen Jahren häuften sich die Indizien, dass das Justizministerium dieses Landes unter Einfluss steht. Selbst die Anstaltsleitung in Bruchsal - das ist der Haftort von Christian Klar - konnte manchmal ihre Verwunderung über schikanöse Entscheidungen, die aus Stuttgart kamen, nur noch mühsam hinunterschlucken.

Horst Köhler zeigte sich in seiner Selbstdarstellung bisher besonders bemüht, öffentlichen Beifall zu finden (und sei es auf Kosten von Parteien und Regierung). Darauf spekuliert, wer eine Begnadigung von Christian Klar verhindern will. Auch der feinsinnige PEN-Präsident Johano Strasser befand im Radio, ihm wäre wohler, Klar bliebe bis Anfang 2009 in Haft. Dann ist die vom Gericht festgesetzte Mindestdauer von 26 Jahren um.

Ob Christian Klar dann freikommt, ist nicht sicher. Einer Aussetzung der Strafe zur Bewährung muss ein entsprechender Antrag der Bundesanwaltschaft vorausgehen. Aber die zeigt inzwischen Nerven. Bundesanwalt Hemberger gab bekannt, Brigitte Mohnhaupt wolle auf die Familien der RAF-Opfer "zugehen". Mag sein, dass sie das tatsächlich will. Aber warum publiziert Hemberger das? Er ist selbst unter Druck. Dem Antrag der Bundesanwaltschaft geht eine Anhörung des Gefangenen voraus. In einem Fernsehgespräch 2001 zeigte sich Christian Klar artikulationsgehemmt. Offenbar gib es Leute, die wollen, dass er in der Anhörung durchfällt und auch 2009 nicht freikommt.

Klar verstand sich immer als einen politischen Gefangenen, Anklage und Gericht definierten ihn ausschließlich als einen Mörder. Ausnahmebehandlung bestätigt ihm seinen Ausnahmestatus.

Sein Gnadengesuch hat Christian Klar auf Anraten von Günter Gaus gestellt. Dieser wunderbare Mann ist, wie man weiß, in seinen letzten Jahren immer radikaler geworden. Aber er hat wohl die Hoffnung behalten wollen, dass das liberale System, für das er immerhin ein Leben lang gearbeitet hat, auch eine gute Seite habe: die Fähigkeit, sogar mit seiner Verneinung und seinen Verneinern vernünftig umzugehen. Am Beispiel Klar hat er das nicht mehr erlebt. Mag sein, dass dieser Beweis auch künftig ausbleibt.


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