Muss Merkel weg?

CDU/CSU Die Union hat mit Ralph Brinkhaus einen neuen Fraktionsvorsitzenden – und die Kanzlerin wackelt. Eine Strategie für die Zeit nach ihr ist jedoch nicht zu erkennen
Kaum Ausdruck eines Rechtsrucks: Ralph Brinkhaus
Kaum Ausdruck eines Rechtsrucks: Ralph Brinkhaus

Foto: Reiner Zensen/imago

Ginge es lediglich um die beiden unmittelbar betroffenen Personen, dann könnte der Sturz des bisherigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, und die Wahl von Ralph Brinkhaus kaum als Ausdruck eines Rechtsrucks gelten. In manchen Punkten ist der Neue weniger konservativ als sein Vorgänger.

Volker Kauder wird den fundamentalistischen religiösen Evangelikalen zugerechnet. Er gilt als Vertrauensmann der Waffenschmiede Heckler & Koch, förderte Exportgenehmigungen für sie, und sein CDU-Kreisverband durfte sich in diesem Zusammenhang auch einmal über eine Spende von ihr freuen. Ein Antikorruptionsgesetz lehnte Kauder ebenso ab wie ein Verbot der Tabakwerbung. Er kämpfte für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und zügelte sich erst nach Fukushima.

Die Wendungen Angela Merkels, die ihr den Vorwurf eintrugen, ihre Partei sozialdemokratisiert und eingegrünt zu haben, gehen ganz gewiss nicht auf seinen Einfluss zurück. Von der Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen – Ausnahme: Vergewaltigung – bis zum Nein zum Adoptionsrecht für Homosexuelle vertritt erilliberale Positionen.

Insofern war er in einem doppelten Sinn die rechte Hand Angela Merkels: als Helfer im Tagesgeschäft und dadurch, dass er mit ihren Kritikern in vielem übereinstimmte und deren Ausscheren verhinderte.

Gerade das aber dürfte ihn jetzt den Job gekostet haben. Er stand für etwas, was offenbar immer weniger Leute in seiner Partei – von der CSU ganz abgesehen – wollen: die Einheit des liberal-konservativen Lagers unter der Führung von Angela Merkel. In der Union ist Panik ausgebrochen. Ursache ist der Aufstieg der AfD. Indem sie Einfluss auf die größte Koalitionsfraktion ausübt, ist sie längst zu einem mitregierenden politischen Faktor geworden.

Offene Rechnungen

Brinkhaus dürfte von den Abgeordneten der CSU am massivsten unterstützt worden sein. Hinzu kommt das Lager von Jens Spahn. Wie grundsätzlich dessen Konservativismus sein mag, dürfte ebenso fraglich wie gleichgültig sein – solche Positionen sind derzeit ein Karriere-Ticket. Im Vorfeld der Wahl des Fraktionsvorsitzenden haben führende Kapital-Vertreter ihren Missmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung angeblich nicht genug ihren Interessen entgegen kommt. Man erinnert sich, dass Norbert Röttgen einst Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie werden wollte und erst unter Druck davon Abstand nahm. Seit seiner Entlassung aus dem Kabinett 2012 hat er überdies noch eine Rechnung mit Merkel offen. Damit kommen wir zu einem weiteren Motiv, das einige Abgeordnete zu ihrem Stimmverhalten veranlasst haben mag: dem Wunsch, aus irgendwelchen Gründen einen Denkzettel zu verabreichen.

Der gemeinsame Nenner ist „Merkel muss weg“. Eine Strategie ist das noch lange nicht, auch wenn sich verschiedene Zirkel das Eine oder Andere ausgerechnet haben mögen. Gerade diese ausschließlich negative und personalisierende Nicht-Orientierung macht die Lage gefährlich. Eine Führung kann nur dann mit Sinn und Verstand gestürzt werden, wenn eine Art Gegenelite bereitsteht. Man sieht sie nicht.

Das heißt, dass die Frondeure in der Union das langfristige Geschehen wohl kaum bestimmen werden. Es sei denn, man denkt an Über-Übermorgen, einen Regierungseintritt der AfD und die endgültige Rechtswende der Bundesrepublik. Dann passt es.

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