Stich ins Herz

Industrie Den Stellenabbau erklärt Siemens mit der Energiewende. Und meint doch den Aktienkurs
Ausgabe 47/2017
Dass neben den Aktionären nur die AfD etwas vom Stellenabbau in Sachsen hat, ist Siemens offenbar egal
Dass neben den Aktionären nur die AfD etwas vom Stellenabbau in Sachsen hat, ist Siemens offenbar egal

Foto: Michele Tantussi/Getty Images

Am 9. November meldete der Technologiekonzern Siemens zuerst einen Rekordgewinn von 6,1 Milliarden Euro für das Jahr 2016. Gleich darauf kündigte Siemens an, weltweit 6.900 Stellen zu streichen, 3.300 davon in Deutschland, Betriebe zu schließen oder zusammenzulegen.

Das ist kein Widerspruch, sondern es passt. Als Grund für die Kürzungen werden Verluste in den Bereichen Kraftwerktechnik und Energie, vor allem durch Einbrüche auf dem Markt für Gas- und Dampfturbinen, genannt. Zur offenbar gerade erfolgreichen Strategie der Gewinnmaximierung gehört es, sich derartige Belastungen vom Hals zu schaffen. Das ist gut für den Börsenkurs, also den Shareholder Value, dem das Interesse der Anleger gilt. Der Gegenbegriff hieße Stakeholder Value und ist schwerer zu übersetzen. Er meint das, was für alle Betroffenen auf dem Spiel steht. Dazu gehören die Beschäftigten, die Kunden sowie die Menschen an den lokalen und regionalen Standorten.

Um Letztere – nicht nur um die Belegschaft – steht es schlecht. In Sachsen, wo in Görlitz und Leipzig Betriebe geschlossen werden sollen, hat neben den Siemens-Aktionären nur die AfD etwas davon. Stakeholder Value ist wohl ein eher rhetorischer Wert, der Siemens egal zu sein scheint.

Für die IG Metall ist die Entscheidung des Managements wie ein Stich ins Herz. Die Kürzungen werden mit der globalen Wettbewerbslage begründet. Die schien bislang für die deutsche Chemie- und Metallindustrie, beide exportstark, so günstig, dass die dort zuständigen Gewerkschaften davon profitierten und alles dafür taten, dass es so blieb. Zum Beispiel waren sie – anders als die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst – wie die Unternehmer für eine Niedrighaltung der Steuer- und Abgabenlast. Von einer einheitlichen Gewerkschaftspolitik in dieser Frage konnte schon lange keine Rede mehr sein.

Siemens scheint nicht mehr so viel Wert auf den bisherigen Burgfrieden der Branche zu legen. Dass dies eine Kehrtwende der gesamten Metallindustrie bedeutet, ist eher unwahrscheinlich. Es handelt sich ohnehin um ein recht übel beleumundetes Unternehmen. Man erinnere sich, dass Siemens zwischen 2001 und 2006 mehr als 30 Millionen Euro fließen ließ, um durch Förderung einer „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ der IG Metall Konkurrenz zu machen.

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