Es war die Zeit der großen kreativen Missverständnisse in der Popkultur. Woodstock: Ein verschlammtes und bekifftes Musikfestival, bei dem wie durch ein Wunder eine größere Katastrophe ausblieb, wurde zum Symbol für Love, Peace & Happiness. Apollo 11: Die ersten Menschen landen auf dem Mond und die ganze Welt schaut zu, doch was als erster Schritt in einem großen Aufbruch zu den Sternen angesehen wurde, entpuppte sich als Beginn der Ernüchterung. Und Easy Rider, der Kultfilm aller Kultfilme, den man als Freiheitstraum genoss, war bei näherem Hinsehen nichts anderes als ein schlechter Drogentrip durch ein verkommenes Land. Easy Rider, das bedeutet im Slang einen Kerl, der sich von einer Hure durchfüttern lässt und ansonsten nichts auf die Reihe bringt.
Wer hat eigentlich Easy Rider gedreht? Okay, der nominelle Regisseur war Dennis Hopper; Peter Fonda hat mit ihm und Terry Southern das Drehbuch geschrieben und die Produktion besorgt. Es war wohl einer dieser Filme, die sich kollektiv, oder auch irgendwie von selbst drehen.
Wir sind Blindgänger, Baby
Dennis Hopper war in Easy Rider der Typ in der Fransenjacke, mit Schnauzer und Langhaar, Peter Fonda sah aus wie der nette Kerl von nebenan, der noch nicht ganz aus seiner Highschool-Kluft heraus gekommen ist. Gemeinsam waren sie unwiderstehlich, und noch besser mit Jack Nicholson als drittem Mann. Und gemeinsam nahmen sie das Scheitern der Subkultur, das Scheitern einer Befreiungsbewegung der amerikanischen Jugend, vorweg. Sie werden, fast schon beiläufig, von Vertretern der Gesellschaft, die heute Donald Trump zu ihrem Repräsentanten wählt, abgeknallt. Wyatt – Peter Fonda nennt sich „Captain America“, was schon die merkwürdige Haltung des Charakters ausdrückt: Wieso nennt sich ein Motorrad-Drogenkurier und Straßen-Outlaw nach einer patriotisch-militanten Comic-Figur? Jedenfalls hat dieser Captain America schon erkannt, dass sie nichts als „Blindgänger“ sind, und Billy – Dennis Hopper versteht nicht mal, wovon Wyatt da eigentlich spricht.
Dennis Hopper und Peter Fonda hätten vielleicht ein Dream Team des New Hollywood-Films werden können. Hopper das nervöse, psychotische problem child, Fonda der sanftere, grüblerische Kerl, beide auf der Suche nach dem verlorenen Amerika, nach der verlorenen Heimat. In zwei Filmen von Roger Corman, The Wild Angels und The Trip konnten sie sich erproben, und Easy Rider war auch ein cormanistischer Film, schnell, billig, rücksichtslos und exzessiv. Aber Hopper und Fonda waren dann doch zu ehrgeizig, und jeder ging seinen eigenen Weg. Genau genommen waren es zwei Wege des schönen Scheiterns.
„Ich habe ein zwiespältiges Gefühl, meinem Land gegenüber wie meinen Eltern. Das ist eine Hassliebe“, sagte Peter Fonda, und genau diese Zerrissenheit war es, die sein Leben und seine Arbeit prägte. Im Schatten eines Vaters wie Henry Fonda aufzuwachsen, ein hoffnungslos geliebtes Monster, war für Peter wohl noch schwieriger als für seine Schwester Jane. Alle seine Filme handeln von zwei gegensätzlichen Bewegungen: Von der Flucht und dem Aufbruch, und von der Heimkehr und der Sehnsucht nach dem Ort, wo man zur Ruhe kommen kann. Daher haben die meisten der Filme, die Peter Fonda inszeniert hat, eine merkwürdige Kreisform. Und es ist schwer zu sagen, ob in ihnen das Rebellische und Kritische oder das Nostalgische und Konservative überwiegt.
Das beginnt mit einem dieser Western, die für New Hollywood bezeichnend waren, The Hired Hand. Die klugen Kritiker erkannten rasch, dass das Easy Rider als Western war. Aber wahrscheinlich verhielt es sich genau anders herum, Easy Rider wie das gesamte Genre des Biker- und Rocker-Films war die zynische oder melancholische Version des B-Western. Sam Fuller mochte The Hired Hand und schrieb eine Eloge über die Ballade von drei Männern auf der Suche nach dem gelobten Land, das es nicht (mehr) gibt. Der Film spielt in einem „leeren“ Westen und ist gerade dort dramatisch modern, wo er auf einer Freiheit der Entscheidung besteht: Sartre goes west. Aber auch hier kommt Fondas Melancholie, die einen Hauch von Larmoyanz nie verbirgt, zum Ausdruck: „Wie wir leben, das ist reine Verschwendung“.
Leeres Land
1973 folgt dann ein ökologischer Science Fiction-Film Idaho Transfer; wieder ist eine Fluchtgeschichte darin verborgen: Ein paar junge Wissenschaftler versetzen sich in die Zukunft, wo sie eine neue Kultur errichten wollen, die die ökologische Katastrophe überdauern wird. Da sie nicht mehr zurückkommen, bewegen sie sich, wer hätte es gedacht, nach Westen, der ein leeres Land geworden ist, und wo die Natur wieder über Straßen und Siedlungen wuchert.
Jahre später, 1979, inszeniert sich Peter Fonda wieder als Reisender durch den Westen. In Wanda Nevada ist er mit dem Waisenmädchen Brooke Shields durch den Grand Canyon unterwegs. Und es gibt einen Vertreter des alten Westens, der den beiden gegen die Schurken und überhaupt hilft: Henry Fonda spielt ihn, und auch sonst scheint es ein großer Versöhnungsversuch. Gescheitert, was sonst.
Erst sehr viel später, mit Ulee’s Gold (1997 von Victor Nunez inszeniert) gelingt es dem Peter Fonda-Charakter, einen Ort der Ruhe zu finden. Dieser Film, der ihn nach Jahren der Gebrauchsschauspielerei und der gescheiterten Projekte noch einmal ins cineastische Gedächtnis ruft, kommt einer Versöhnung wirklich nahe, der Versöhnung mit dem Land und mit dem Vater – es ist ein wenig, als würden Henry und Peter hier miteinander verschmelzen. Ein Happy End, vielleicht, komplett mit Oscar-Auszeichnung und Van Morrisons Tupelo Honey am Ende. Zwischen Aufbruch, Scheitern und Versöhnung liegt ein arbeitsreiches Leben. Auch im deutschen Kino hat er eine Spur hinterlassen, als „guter Amerikaner“ in Marianne Rosenbaums Peppermint Frieden von 1983. Das war Peter Fonda wohl wirklich, im Leben wie im Kino, ein guter Amerikaner. Also einer, dem Verzweiflung nicht fremd ist.
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