Wer, mit wem, auf welche Weise, worüber?

Dilemma Man solle mit Pegida reden, heißt es oft. Doch die Bewegung hat die Basis humanistischer Kultur dezidiert verlassen. Warum ein demokratisches Gespräch unmöglich ist
Ausgabe 44/2015
Flucht nach vorne - auch Sahra Wagenknecht möchte jetzt mit Pegida reden
Flucht nach vorne - auch Sahra Wagenknecht möchte jetzt mit Pegida reden

Foto: Christian Thiel/Imago

Sogar die Spitzenpolitikerin der Linken Sahra Wagenknecht forderte vor einiger Zeit, „man“ müsse mit den Anhängern von Pegida sprechen. Aber solche Forderungen lassen sich leichter aus dem Leben im Medienbrei erklären als aus dem aufklärerischen Diskurs. Der, vielleicht, begänne mit der Frage: Wer soll da mit wem auf welche Weise worüber sprechen?

Was wäre das erhoffte Ziel eines Redens? Kompromisse? Einsichten? Verständnis? Die Grundlage eines demokratischen Gesprächs ist so einfach wie schwer zu erfüllen: Dass man einander auf Augenhöhe begegnet, dass man einander politisch ernst nimmt. Und schon hier beginnt das Dilemma einer solchen Aufforderung zum Reden: Wer mit Pegida-Anhängern auf eine demokratische Weise sprechen wollte, müsste ihre Parolen, ihre hetzerischen Narrative, den Jubel zu den verbalen Attacken ihrer Rednerinnen und Redner ernst nehmen. Das hieße aber, mit jemandem reden, der die Basis humanistischer und demokratischer Kultur dezidiert verlassen hat. Das Gespräch würde sich wegen der schieren Bösartigkeit eines Gesprächspartners verbieten. Die Argumentation aber geht ja in aller Regel anders: Die meinen es gar nicht so. Es sind „Bürgerinnen und Bürger, um deren Sorgen und Nöte man sich kümmern muss“, und die unglücklicherweise nur falsche Antworten auf richtige Fragen fanden und rechtspopulistischen Rattenfängern in die Hände fielen.

Gleichviel ob dieses Modell der Wirklichkeit entspricht oder nicht, es würde jedenfalls die Grundlage für ein demokratisches Gespräch vernichten, nämlich die Notwendigkeit, einander ernst zu nehmen. Ein solches Gespräch ähnelte dann eher der Beschwichtigungsrede gegenüber einem aggressiven Betrunkenen. Umgekehrt wäre ein Gespräch mit Pegida-Anhängern nur dann sinnvoll, wenn diese wiederum bereit wären, ihr demokratisches Gegenüber als gleichberechtigt politisch ernst zu nehmen. Die Rhetorik und Inszenierung der Pegida-Aufmärsche lässt indes keinen Zweifel daran, dass genau das nicht der Fall ist.

So ist, noch bevor man sich fragen mag, ob ein solches Miteinander-Reden sinnvoll sein könnte, die Frage geklärt: Ein demokratisches Gespräch mit Pegida-Anhängern ist unmöglich, weil man sie entweder politisch ernst nehmen müsste, dann ist ein Gespräch aus Gründen ethischer Unvereinbarkeit nicht möglich, oder aber sie politisch nicht ernst nimmt, dann aber ist das Gespräch nicht demokratisch – der Catch 22 der aktuellen Politik. Was in einer Talkshow gang und gäbe ist, nämlich die Inszenierung gegenseitiger Verachtung, rhetorischer Subversion und taktischer Abwechslung von Provokation und Beschwichtigung, ist im demokratischen Umgang ausgeschlossen.

Wenn es also kein demokratisches Sprechen mit Pegida gibt, wären dann nicht andere Formen des Miteinander-Redens möglich? Denn natürlich ist jedes Gespräch willkommen, dass eine Eskalation der Konflikte verhindern kann. Nun ist es ja nicht so, dass wir in einem kommunikationsfreien Raum miteinander leben; Pegida und Demokratie sprechen durchaus miteinander. In Bildern, in Narrativen, Parolen, Internet-Chats, auch in Form von Justiz, Kritik und Diskurs. Da ist niemand dem anderen ein Geheimnis. Doch diese Präsenz ist von vornherein als Machtkampf angelegt. Eine völkisch-nationale steht gegen eine humanistisch-demokratische Einstellung. Man kann ein Gesprächsangebot an Pegida durch Politiker auch als Versuch verstehen, eine eigene Unentschlossenheit zu verschleiern.

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