Zerstörungsorgien

Weltmarkt Ein paar Anmerkungen zur unmöglichen Beziehung zwischen dem global erfolgreichen Hollywood und dem neuen Präsidenten der USA
Ausgabe 05/2017
Wall of Shame
Wall of Shame

Foto: David Livingston/Getty Images

Seit es das US-amerikanische Kino gibt, gibt es Beziehungen von Produktion und Stil mit den jeweils amtierenden Präsidenten. Entsprechend kreative Nerds haben sogar errechnet, wie sich das Auftreten von Zombies und Vampiren im Horrorfilm verändert, je nachdem ob ein Republikaner oder ein Demokrat im Weißen Haus sitzt. Aber diesmal ist auch hier alles anders.

Hollywoodfilme sind ein Maßstab, Symptom und Motor für das Verhältnis zwischen den USA und dem Rest der Welt. Ob die drei großen Öffnungen des Hollywoodkinos im vergangenen Jahrzehnt – die mähliche Entpatriarchalisierung, die Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten, die Konstruktion multiethnischer Besetzungen –, unvollkommen und unreflektiert, wie sie zum Teil auch sein mögen, dieser Orientierung auf den Weltmarkt oder einem wirklichen Wandel der Parameter von Geschmack und Bewusstsein genügten, mag dahingestellt sein.

Donald Trumps hirnlos-brachiales „America First“ trifft eine Traumfabrikation, die auf Interesse und Wohlwollen im Rest der Welt angewiesen ist. Dass The Great Wall, ein Schlüsselfilm für die neue Kinoweltordnung, der Fantasyblockbuster des einst so subtil dissidenten Zhang Yimou, ausgerechnet von einer großen Mauer gegen furchtbares Gemonstere handelt, die von chinesischen und europäischen Helden gemeinsam gehalten werden muss, ist da nur eine Pointe am Rande. Filme sind keine Autoreifen oder Frischholzsägen, ihr Wert ist gebunden an Aussagen und Geschmack.

Weiße Männerkörper

Sollte es so etwas wie „trumpistische“ Filme geben, werden sie wohl stets auf bestimmten Märkten reüssieren und auf anderen als ästhetisch-politische Beleidigungen abgelehnt werden. Umgekehrt wird ein nicht weniger zu erwartender Anti-Trump-Gestus aus Hollywood wohl von diesem Präsidenten und seiner Administration nicht so leicht mit verkniffenem Lächeln hingenommen werden wie vordem – einschließlich der Verweigerung von Drehgenehmigungen rund ums Weiße Haus bei Murder at 1600 (1997); 1600 ist die Hausnummer des Weißen Hauses in der Pennsylvania Avenue von Washington.

Natürlich ist die Beziehung zwischen Hollywoodproduktion und Präsidentschaft weder linear noch offiziell, sehen wir von der einen oder anderen „Go, see it“-Empfehlung oder der Übernahme eines Begriffs wie „Star Wars“ durch den militärischen Teil der Administration ab. Es handelt sich eher um ein einigermaßen komplexes Ineinander von wirtschaftlichen Bedingungen, medialen Beeinflussungen und Reaktionen auf einen „Geist“. Und so wie es stets ein Kino gibt, das diesem Geist beflissen genügen möchte, gibt es ein anderes, böses Kino dagegen – so wie der Versuch der Selbstermächtigung einer neuen Generation in New Hollywood oder die „Jungen Wilden“ des Horrorfilms in den 1970er Jahren als ästhetische Kriegserklärungen an die jeweiligen Mainstreamkonstruktionen von Geschmack und Konsens gesehen werden können.

Hollywood wird traditionell als eher liberal angesehen. Das hat auch damit zu tun, dass man hier Talente, Ideen, Motive, Stoffe und Handwerker aus aller Welt versammelt, so wie man Anerkennung und Profit in aller Welt sucht. Dazu kommt, dass Hollywood seit den 1960er Jahren seine ursprüngliche Produktion, aus Gewerkschafts- und Steuergründen, ins Ausland verlagert. Donald Trumps Vorstellungen von Protektionismus und Nationalismus – wenn sie denn politisch-ökonomische Praxis würden – wären dazu in der Lage, noch ohne Polemik, Zensur und sonstige Form der Steuerung die Bedingungen der Filmproduktion in den USA fundamental zu verändern.

Immer aber hat es auch in Hollywood eine Rechte gegeben, und das meint nicht nur erklärte Reaktionäre wie John Wayne oder selbsternannte „Zen-Faschisten“ wie John Milius. Den Ansturm des McCarthyismus hat Hollywood nur in Teilen ehrenvoll überstanden. Man gedenke neben den berühmten „Hollywood Ten“, neben den Standhaften wie Humphrey Bogart und Lauren Bacall auch jener Marilyn Monroe, die sehr zu Recht diesen Agenten das Recht absprach, ihre politische Gesinnung zu überprüfen, und die sie als „halbfaschistische Hampelmänner“ bezeichnete.

So wie der Kulturkrieg zwischen dem liberalen Hollywood und der Trump-Administration abzusehen ist, so können auch Wegbereiter und Verbündete des Trumpismus erkannt werden. Manche in vollem Bewusstsein, andere eher durch eine geistige oder ästhetische Verwandtschaft. Die Verbrüderung von Clint Eastwood oder Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger kam, um das Mindeste zu sagen, nicht eben überraschend. Ein Kino der Rüpelhaftigkeit und der Lust am Kaputtmachen (zwischen Michael Bays Destruktionsorgien und dem Fast-&-Furious-Wahn), ein Kino der rechtsanarchistischen weißen Männerkörper, das sich in der Law-and-Order-Phantasmen des B- und Trashfilms à la Steven Seagal fortsetzt.

Aber natürlich haben auch die großen Epen des Nihilismus, die Serien Game of Thrones, Breaking Bad, The Man in the High Castle oder The Walking Dead, ihren Teil dazu beigetragen, dass an die Konzepte der demokratischen Diskurse zwischen Staat und Subjekt nicht mehr recht geglaubt wird: Die Sehnsucht nach dem Archaischen, einschließlich eines hohen Anteils von Angst und Wut, muss weder explizit „rechts“ sein noch auf zeitkritische Konnotationen verzichten, um ihr mythologisches Werk zu verrichten.

Der Bruch mit dem Establishment, mit dem „alten System“, und die ambivalente Projektion eines post- oder vormodernen Neuanfangs begleiten als Subtext unterschiedliche Produktionen. Das erfolgreichste Kinogenre des Jahrzehntes, der Superheldenfilm, spielt stets in einer Zeit und in einem Raum, in denen die repräsentative Demokratie allenfalls Reminiszenz oder Hoffnung ist. Die Superhelden leiden am Widerspruch zwischen ihrer Existenz und der Gesellschaft, ihrem funktionalen Antiliberalismus und deren Liberalisierung.

Nach der mutigen Ansprache von Meryl Streep und der erwartbar rüpelhaften Reaktion von Trump dürfte es schwerfallen, in der Gemengelage aus ökonomischen, politischen und moralischen Zwängen so zu tun, als wäre nichts geschehen. Business as usual ist für eine populäre Kultur, deren sich dieser Präsident wie alle Rechtspopulisten so schamlos bedient, wie er sich deren liberale Vertreter zu einem wohlfeilen Feindbild macht, unmöglich geworden.

Die Überwindung von rassistischen, sexistischen, homophoben und nicht zuletzt religiösen Stereotypen, die in Hollywood viel Zeit und viel Energie gekostet hat, gerät als Erstes in Gefahr. In seiner Antrittsrede hat Trump zwar davon gesprochen, dass sich alle im US-amerikanischen Patriotismus treffen würden, doch schon sein nächster Satz galt dem allmächtigen und über allem stehenden „Creator“. Dieses christliche, wenn nicht evangelikal geprägte Amerika bis hin zu einer Form der evangelikal-faschistischen Aggression, hat einen Teil der Popkultur besetzt: Christliche Radiosender, Rock- und Popmusik, Verlage, Zeitschriften und eine christlich-konservative Film- und Fernsehproduktion, Sender und Kinobetreiber, die eine strenge Auswahl treffen, was für ihre Kunden zuträglich ist und was nicht, kurzum eine Popkultur der patriotisch-religiösen Bigotterie, werden einen enormen Aufwind erfahren.

Umgekehrt werden es unabhängige und kritische Filmemacher noch schwerer haben. Vermutlich werden Filmschulen und Universitäten unter Privatisierungsdruck und andere Formen der Umformung geraten. Wir können nichts weniger als einen Kulturkampf in Hollywood prophezeien, der sich vor dem Wahn von McCarthys Hexenjagd nicht zu verstecken braucht.

Donald Trump ist auch Medienunternehmer. Die Trade Papers berichten von einem Treffen zwischen seinem Schwiegersohn Jared Kushner und Aryeh Bourkoff, dem Leiter der Investmentbank LionTree, die sich auf umfassende Mediengeschäfte spezialisiert hat. Man muss nun sicherlich kein Verschwörungstheoretiker sein, um den Aufbau eines eigenen Medienimperiums als konsequenten Teil rechtspopulistischer Machtübernahme zu verstehen. Jemand wie Trump wird nicht ruhen, bevor er politisch-ökonomisch-mediale Vernetzungen hergestellt hat, die das Bild der Welt und das Bild seiner selbst nach eigenem Interesse und Wahn verbreiten. Welche Rolle dabei der Kinofilm spielt, bleibt abzuwarten, denn für das Image im eigenen Land sind TV und Social Media vermutlich wichtiger. Sicher scheint indes, dass es diesmal nicht allein um Stimmungen und Geschmack gehen wird, sondern um direkte politisch-ökonomische Konfrontationen.

Reaktionäre Gegenbilder

Vielleicht muten wir der Unterhaltungs- und Traummaschine Hollywood damit zu viel Offenbarungsdruck zu, und doch ist absehbar, dass wir eine Zeit lang jeden neuen Film aus ihr danach befragen werden, wie er sich zu Trump verhält, so wie ja auch jede Geste von Zustimmung und Widerstand nachhaltig das Bild ihrer Stars verändert. Meryl Streep, Robert De Niro, Cher, Madonna und alle die, die sich als Erste offen und tapfer dem Trumpismus entgegengestellt haben, werden in Europa möglicherweise als Kulturhelden gefeiert, in den USA setzen sie ihre Karriere aufs Spiel. Die Stallones, Eastwoods und Schwarzeneggers, denen wir gerade noch im Gegenzug für Handwerk, Ironie und Altersmilde ideologische Fragwürdigkeiten verzeihen wollten, sind wieder als reaktionäre Gegenbilder zur urbanen Liberalität kenntlich. Was niemandem gelingen konnte, der dem Kino immer auch eine politisch-moralische Haltung abverlangen wollte, Trump hat es schon geschafft: Aus Hollywood kommt das politischste Kino der Welt. So oder so.

Georg Seeßlen hat bei Bertz + Fischer gerade Trump! Populismus als Politik veröffentlicht

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