Ob Print, Online, Rundfunk oder Fernsehen: Umsätze sinken, Märkte werden enger. Daher ist das Gebot der Stunde, sich frühzeitig das kulturelle Kapital der Outperformer der Branche anzueignen.
Dazu gehört, sich rechtzeitig eines üblichen Wordings zu befleißigen. Hier also eine exemplarische Übersetzungshilfe für karriereorientierte Newcomer:
B e r e i c h W i r t s c h a f t
Stagnation -> Null-Wachstum
Rezession -> Minus-Wachstum
Stellenabbau -> Restrukturierung
Großbank, Hedgefonds -> institutioneller Anleger
insolvente Bank -> bad bank
steuersubventionierte Bank -> systemrelevantes Finanzinstitut
multinationaler Konzern -> global player
Monopolist -> alleiniger Marktführer
Spekulant -> Anleger
Vielverdiener -> Gutverdiener
Steuerhinterzieher -> Steuersünder
B e r e i c h P o l i t i k
arme Stadt -> Stadt im Strukturwandel
armes Dorf -> Gemeinde in der Peripherie
armer Stadtteil -> sozialer Brennpunkt
Armer -> sozial Schwacher
Ausgegrenzter -> sich abgehängt Fühlender
Ausländerkind, -enkel -> Person mit Migrationshintergrund
Abnicker -> Parteisoldat
Freihandelsgegner -> Protektionist
Nationalist -> Rechtspopulist
Sozialist -> Linksextremist
Die Liste ist alles andere als vollständig, Vorschläge in den Kommentaren sind willkommen.
Klar geworden dürfte allerdings das Prinzip der Neologisierung sein: Polarisierendes vermeiden, unschöne Bilder durch neutrale Assoziationen ersetzen!
Selbstverständlich gehört zu einer erfolgreichen Karriereplanung mehr als die Schreibe oder Fabulierkunst des Dazu-Gehörers, der Habitus des reflektierten, gendersensiblen Mittelschichtlers oder die Adaption von Hauslinien. So darf Self-Promoter nicht nur nicht Schimpfwort sein, sondern muss integrales Element des Selbstbildes werden. Und wer für sich selbst wirbt, kann das auch für Andere: PR und Medienagenturen eröffnen vielfältige Wege, manche davon führen in Regierungsämter, manche zur Süddeutschen ...
Ein role model für angehende Journalisten beschreibt Jonathan Coe in seinem Roman "What a carve up!", London 1994 (dtsch: Allein mit Shirley, München und Zürich 1995) in der Figur der Hilary. - Viel Vergnügen!
Kommentare 4
ärgerlich getrübt--> lupenrein
Die ausführlichste (mir bekannte) Listung bösartigen Bullshits (im deutschen Sprachraum) gibt es hier.
Danke für den Tipp! Ein tatsächlich nett gemachter Blog. Mir geht es allerdings wirklich darum, dass die professionellen Beobacher sogar den BS nachplappern, den irgendwelche PR-Wortverdreher sich ausdenken ... offenbar ohne, dass es zu Warngewittern in den Journalistenhirnen kommt: Mach ich mir kein Kopf, is wegen Karriere ;-)
Zum Thema PR-Sprech und Journalismus ist vielleicht noch dieses interessant...
Zu "is wegen Karriere": So, wie ich mir das vorstelle, ist der Denkweg im Journalistenhirn wohl selten so kurz. Vielmehr neigen ja Menschen überhaupt dazu, die eigenen Handlungen eher positiv (wenn nicht moralisch) zu begründen. Will sagen: Die Verwendung von Bullshit-Floskeln und PR-Sprech gründet in vielen Fällen wohl auf einer bestimmten Vorstellung von "Professionalität" und auf echten Überzeugungen - und sei es nur die, einem Sachzwang zu unterliegen (Verkürzung, Hektik, Aufmerksamkeitsökonomie). Oder auch: Sprachlich mit "wording"- und "framing"-Geschnösel besonders hip zu sein. Bzw: Die journalistische Verantwortung der "Einordnung" wahrzunehmen.