Das Ende einer Komödie

Grexit Jüngst hat J. Augstein die Verhandlungen um die Währungsunion in der EU als Soap-Opera bezeichnet. Ihr tragischer Protagonist ist die Idee der Demokratie.

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Man kann es kaum glauben, das mediale Drama um Drachme oder Euro nimmt ein Ende!

Wer hatte ernsthaft damit gerechnet? Jetzt mal wirklich im ernst, stellt euch mal diese Frage: Wer unter den Zuschauern dieses melodramatisch-komödiantischen Schauspiels hat damit gerechnet dass der Schlagabtausch zwischen Griechenland und der Troika, dieser Rummel aus neuen Kreditvergaben und letztlich Neuverhandlungen über zu erfüllende Bedingungen für die nächste „saftige Scheibe“ Kapital irgendwann ein Ende findet?

Wie viel Zeit und Energie haben wir damit verschwendet, gedruckte oder ungedruckte Nachrichten über diesen Zirkus zu lesen?

Diese Frage sollte nichts als Ernüchterung bringen, Ernüchterung über die Zeit, die man in der Tat mit anderen Berichterstattungen hätte verbringen können, oder vielleicht doch einfach zurückgelehnt mit einem netten Café Frappé auf Eis? Abgesehen davon, was hätten die Darsteller dieses Stückes, nicht alles an sinnvolleren Erledigungen tun können? Denn eigentlich hat es der griechische Finanzminister Janis Varoufakis bei seinem Auftritt bei Günther Jauch im März diesen Jahres auf den Punkt gebracht: Griechenland wird die von den Gläubigern geforderte Schuldenlast ohnehin nicht bedienen können - schon gar nicht wenn es den Großteil des Geldes für die Tilgung bereits laufender Kredite anwenden muss, anstatt die gelähmte Wirtschaft zu konsolidieren.

Damit hat Varoufakis nicht nur ein Tabu gebrochen sondern im selben Moment einen wunden Punkt getroffen, er hat die Wahrheit gesagt. Nur war und ist für diese Wahrheit keiner bereit, also für die echte, wirkliche Wahrheit – die die auch mal wehtun kann – nicht die Wahrheit mit der sich die deutsche Politik die Gunst ihrer „Untergebenen“ erschleicht.

Mit diesem knappen Statement hat der griechische Finanzminister etwas bedient, bei dem Vielen einfach nur schwindelig wird.

Schwindel will man verhindern, also gleich wieder umgehen, ablenken, am besten auf irgend eine Frechheit, einen Makel; die Griechen sind schließlich selber Schuld an der Lage, oder? Da dürfen die sich doch nicht so etwas erdreisten. Ja das stimmt, die griechischen Regierungen der letzten Dekaden hat es verfehlt einen soliden Haushalt aufzubauen, hat Statistiken geschummelt, gefälscht um in die Währungsunion zu kommen. Oberflächlich betrachtet unterscheiden sich die Griechen da aber kaum von den Global Players in der Finanzwirtschaft, wie z.B. der Deutschen Bank - eine traditionsreiche Institiution in die viele Menschen ihr Vertrauen gesteckt haben. Die Griechen haben also nichts anderes gemacht, als es Jahre lang Gang und Gäbe war.

Doch das scheint wohl niemandem bei der Betrachtung des Dramas in den Sinn zu kommen. Ebenso fällt den wenigsten auf, dass die EU Institutionen, allen voran aber das deutsche Trio Schäuble-Gabriel-Merkel und natürlich die Mutter der Liquidität Lagarde die Griechen in diesem Bühnenstück behandelt wie ein bockiges Kleinkind, das man nun für seine Uneinsichtigkeit bestraft - sagen wir, weil es sich beim Spielen mit dem Küchenbeil einen Fuss abgeschlagen hat.

Während das Kind immer mehr Blut verliert, steht Mutter Troika und die ganze deutsche Öffentlichkeit daneben und sagt; „das hast du dir nun mal selbst zu verdanken, ich geb dir erst ein Pflaster wenn du mir versprichst dass du morgen wieder den Müll rausbringst – und wenn du das dann getan hast, dann kriegst du noch ein Pflaster. Aber wir müssen erstmal sehen ob du spurst.“

Der Fuss ist ab, was soll da noch ein Pflaster helfen? Griechenland ist am Ende, Menschen hungern, noch dazu ist ist das Land an Europas Peripherie mit einer humanitären Katastrophe alleingelassen, mit tausenden Menschen die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen. Doch das wird genauso ignoriert wie die ernüchternde Einsicht, dass neue Kredite dem Land nicht helfen, wenn es sich damit nur eine tiefere Schuld und in eine miserabelere Lage der Bevölkerung manövriert.

Aber anstatt die bittere Wahrheit einzusehen und zu akzeptieren dass die Geldbeträge mit denen hier hantiert werden keinen realen Gegenwert mehr haben werden, entrüstet man sich lieber darüber, dass die Forderungen nach einem Schuldenschnitt und generell die Forderungen einer demokratisch legitimierten Regierung einfach nicht akzeptabel ist.

Das Geld ist weg! Weder wir noch ihr werdet es nie wieder sehen!

Dass Wahrheiten in den häufigsten Fällen naturgemäß schmerzhaft sind, ist ein Gedanke der nicht so ohne weiteres in das kuschelweiche Politikklima der Bundesrepublik passt. So sehr sich die Griechen selbst in diese Lage manövriert haben mögen, Varoufakis hat im März diesen Jahres die klarsten und vernünftigsten Gedanken gefasst, denn ein weiteres Verhandeln würde nur dazu führen dass weiteres Geld einfach verschlungen wird. So und nicht anders ist es auch in den letzten Monaten geschehen.

Dass man ihn nun von der „informellen“ Runde derer die über die Zukunft Griechenlands und Europas bestimmen ausschließt, sollte als ein offensichtliches Alarmzeichen verstanden werden. Denn wenn ein Demokrat aus einem vermeintlich demokratisch legitmierten Gremium ausgeschlossen wird, weil er sich über die Zustimmung seiner Bevölkerung versichern will, dann zeigen sich glasklar wo hier die Präferenzen liegen - letztlich eine entschiedene Absage an die Idee der Demokratie, die ohnehin nie etwas anderes als eine Idee sein wird.

Mit den Worten der Guardian Kolumnistin Zoe Williams: „man muss sich dem moralische Feldzug gegen Griechenland endlich widersetzten“ - jedenfalls sobald man sich als Demokratin bezeichnen will. Die Masken der Protagonisten in diesem absurd-komödiantischen Epos müssen entlarvt werden. Jene die sich auf Seiten der EU als Demokratinnen titulieren lassen, müssen jetzt die Gefahr und die subtile Unterwanderung erkennen, der sie unterliegen – diese Gefahr in Worte zu fassen ist den Populisten und Verschwörungstheoretikern überlassen... .Wir wissen aber alle was gemeint ist. Aber wie tief wir in diesem Sumpf stecken, in dem nur noch Zahlen gelten, ist uns häufig nicht bewusst. Die Kategorien der Finanzwirschaft darf nicht über unsere Köpfe hinweg bestimmen - Gläubiger und Schuldner ist keine heilige unzeitliche Beziehung, sondern nur ein durch beidseitig bestehende Interessen entstandenes, rechtlich verfasstes Konzept. Das darf man nicht vergessen!

Die Öffentlichkeit, die Medienkonsumenten und letztlich auch die Medien müssen die Elite ernsthaft vor die Wahl stellen; entweder ihr kommt endlich ab von eurem einseitigen Kalkül in denen es statt Menschen und deren Belange nur Schulder und Gläbiger gibt oder ihr dürft euch einfach nicht mehr demokratisch nennen lassen.

So einfach ist das!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gérald Cordonnier

Identität? Schwindsüchtiger Gedanke! Was nicht ist das kann noch werden, und der Himmel auf Erden!

Gérald Cordonnier

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