Die Zeiten haben sich geändert: Früher wurde mit erhobenem Zeigefinger zu umweltgerechten Ferien gemahnt. Heute gelten Ferien ohne Auto als etwas Besonderes – als Luxus, den man sich gerne leistet und bei dem man frei beweglich bleibt.
Modellort dieser Urlaubsphilosophie ist Werfenweng, ein abgelegenes Bergdorf im Salzburger Land, am Fuß des wilden Tennengebirges. Bürgermeister Peter Brandauer, der sich mit rückläufigen Gästezahlen konfrontiert sah, hatte Ende der neunziger Jahre die Idee zu einem so genannten Sanftmobil-Konzept: Wer ohne Auto anreist oder nach der Ankunft seinen Autoschlüssel abgibt, kann vor Ort einen ganzen Fuhrpark mit Elektrofahrzeugen kostenlos benutzen. Für weitere Strecken stehen Wagen mit Hybrid- und Biogasantrieb
d- und Biogasantrieb sowie Elektroroller zur Verfügung. Ausflugsfahrten mit dem Bus sind ebenso gratis wie der Transfer zum Bahnhof und ein lokaler Taxiservice. Am Dorfplatz stehen die Solaranlagen, die den Strom für die umweltfreundliche Fahrzeugflotte liefern. In diesem Sommer kommt noch eine Biogas-Tankstelle hinzu.Kutschen, Roller – alles gratisFinanziert wird der klimafreundliche Fuhrpark über eine kaum spürbare Erhöhung der Übernachtungspreise, für die nur der klassische Autourlauber keinen Gegenwert erhält. Von Erfolg zu reden wäre eine glatte Untertreibung: Waren vor Beginn der Mobilitätsoffensive gerade mal sechs Prozent der Gäste mit der Bahn gekommen, so lässt heute jeder vierte sein Auto gleich zu Hause. „Und das alles ohne moralischen Druck,“ sagt der jugendlich wirkende Brandauer. „Unsere Gäste verhalten sich umweltfreundlich, weil es ihnen Spaß macht – und sie dafür nicht noch extra bezahlen müssen.“Die große Nachfrage nach „Samo“-Ferien machte es Brandauer leicht, Bundesgenossen zu finden. So hob er gemeinsam mit 20 anderen Bürgermeistern den Verein „Alpine Pearls“ aus der Taufe – die größte transnationale Tourismuskooperation im Alpenraum. In diesem Netzwerk versammeln sich Ferienorte aus sechs Staaten, die sich in besonderer Weise für den autofreien Urlaub stark machen: Sie unterstützen sich gegenseitig bei der Verbesserung der Nahverkehrsangebote, organisieren dem Gast die Anreise mit der Bahn und geben ihm vor Ort eine Mobilitätsgarantie. Ohne allzu große Umstände und Kosten soll es so möglich sein, sich die Region auf genussvolle und zudem umweltfreundliche Art zu erschließen – mit erdgasbetriebenen Shuttlebussen, Kutschen, Ausflugsbooten oder speziellen Elektrofahrzeugen.Natürlich haben noch nicht alle Mitglieder ein so ausgeklügeltes Sanftmobil-Konzept wie Brandauers Vorzeigedorf. Vielerorts stöhnt man unter Verkehrsproblemen und ist erstmal mit Schadensbegrenzung beschäftigt, in Interlaken oder im französischen Les Gets etwa, oder auch in Arosa, das es durch seine vielen Sackgassen aber leichter hat, umweltfreundliche Transportlösungen zu finden.Zum Club gehören aber auch winzige Gemeinden wie Chamois, wo es nicht einmal 100 Hotelbetten gibt. Die höchstgelegene Dauersiedlung des italienischen Aosta-Tals ist schon deshalb eine Perle, weil sie überhaupt nicht an das Straßennetz angeschlossen ist. Hinauf geht es in der Kabinenbahn, mit der auch die Einwohner das Bergdorf erreichen. In früheren Jahrhunderten musste man die 700 Höhenmeter zu Fuß zurücklegen. Der perfekt erhaltene, sich durch die Felswand windende Saumpfad ist noch heute begehbar – und eine der wichtigsten Attraktionen des Dorfs.So unterschiedlich die Angebote der Gemeinden auch sind, alle zielen sie auf Zeitgenossen, die im Urlaub möglichst schnell langsam werden wollen. Zum Standard gehören deshalb Pauschalen, bei denen die Bahnanreise inklusive ist. In Bad Reichenhall etwa kommt bereits jeder dritte Gast mit dem Zug. Im nahen Berchtesgaden stagniert hingegen die Nachfrage. Angesichts des weitläufigen Feriengebiets befürchten viele Gäste wohl, im Zweifelsfall nicht mobil genug zu sein.Ich radle, also entspanne ichDabei erfüllt der ehemalige Klosterstaat eine der wichtigsten Bedingungen für die Mitgliedschaft bei alpine-pearls.com: die unmittelbare Nähe zu einem Naturschutzgebiet. Der Nationalpark am Watzmann gehört zu den schönsten Landschaften der Alpen. Ein kostenloses Nahverkehrsticket soll es den Gästen nun ermöglichen, die Ausgangspunkte für die Wandertouren bequem zu erreichen. Zusatzvorteil: Wanderer müssen nicht länger immer nur Rundwanderungen machen, um das Auto wieder abzuholen, sondern können sich frei bewegen.Zusammen mit Bad Reichenhall war Berchtesgaden die erste Gemeinde, die sich „Swiss Flyer“ anschaffte, Elektroräder, die sich tage- oder halbtageweise mieten lassen. Diese umweltfreundlichen Vehikel ersetzen die Muskelkraft nicht, sondern verstärken sie nur. Tritt der Radler etwas kräftiger in die Pedale, so schaltet sich der geräuschlose Elektroantrieb zu. So fühlt er das belebende Engagement der Muskeln, kommt aber nicht außer Puste. Inzwischen haben die meisten Mitgliedsgemeinden nachgezogen und sich einige dieser Geräte zugelegt. Sie sind zum Markenzeichen der „Alpine Pearls“ geworden. Mit dem Königsee hat Berchtesgaden ohnehin einen Trumpf, denn hier sind immer schon nur Elektroboote erlaubt: Leise schnurrend bringen sie jeden Tag hunderte Gäste zur Halbinsel von St. Bartholomä, einem der wenigen Ausflugsorte der Alpen, in denen keine Verkehrsberuhigung nötig ist: Wohin auch immer man von dort aus aufbricht – man kann nur zu Fuß gehen.