Männer dämmern

linksbündig Wie Herr Schirrmacher leidet

Ein Mann redet nicht darüber, dass er ein Mann ist, er ist ein Mann. Redet er dennoch über Männlichkeit, so gerät er schnell in Verruf, persönliche Probleme mit Frauen zu haben.

Muss sich Frank Schirrmacher um solche Bedenken kümmern? Den Mitherausgeber der FAZ kennzeichnet eine feine Spürnase für Medienkontroversen, und seine Lust am Anschieben von Debatten geht gerne auch - wie bei der Bioethik - über sein Ressort Feuilleton hinaus. Als er jüngst antisemitische Klischees in Martin Walsers Roman Tod eines Kritikers anprangerte, reagierte die gesamte gebildete Republik auf seine Polemik. Wollte unser Kulturpapst mit dem Essay Männerdämmerung (FAZ, 1. 7. 03) der Republik wieder einmal einen Diskurs aufzwingen?

Der Anlass für seine neueste Provokation ist banal: In Sabine Christiansens 250. Folge ihrer Talkshow gratulierte Friedrich Merz der Gastgeberin artig. Nicht bloße "Liebedienerei", sondern "bedingungslose Unterwerfung eines Mannes unter eine Frau" seien diese Komplimente gewesen, poltert Schirrmacher. "Als Morgengabe liefert der Gratulant nicht nur die eigene Person, sondern gleich eine ganze Institution, das Verfassungsorgan des Bundestages, dem Salon der Frau Christiansen."

Die Morgengabe war das Geschenk, das der Herr nach der Hochzeitsnacht seiner frisch vermählten vrouwe nach alter germanischer Sitte überreichte. Anbandelungen zwischen Politikern in besten Männerjahren und attraktiven Journalistinnen gehören zum Lieblingsstoff nicht nur der Regenbogenpresse. Welches Geschlechterszenarium wird hier gezeichnet, wenn der ambitionierte CDU-Politiker der "mächtigsten Frau im deutschen Fernsehen" (Eigenwerbung auf ihrer Homepage) den gesamten Bundestag als Brautpreis neben das Bett legt?

Ein gefährlicher Prozess sei im Gange, warnt Schirrmacher. Frauen bescheiden sich nicht mehr nur mit der Rolle der Salondame des politischen Prozesses, nein, die Macht in der Gesellschaft werde zielgerichtet neu verteilt. Mit Blick auf die Erbinnen Friede Springer, Liz Mohn (Bertelsmann), Ulla Berkéwicz (Suhrkamp) sowie auf Elke Heidenreich, die erfolgreiche Nachfolgerin von Marcel Reich-Ranicki auf dem Heiligen Stuhl des Literaturpapstes, proklamiert der FAZ-Feuilletonchef mit fast marxistischer Diktion: "Die entscheidenden Produktionsmittel zur Massen- und Bewusstseinsbildung in Deutschland liegen mittlerweile in der Hand von Frauen." Nach seiner Rechnung haben Frauen die Zuständigkeit für gewaltige Komplexe der "Bewusstseinsindustrie" übernommen, so dass hier fast 80 Prozent in weiblicher Hand sind.

Eine solche "Akkumulation weiblicher Macht" hält er für sensationell - mit katastrophalen Folgen: Was einer heute denkt, läuft vorher über die "Fließbänder" einfacher Frauen. Nicht viele Männer haben diese Kulturrevolution bisher erkannt. Kann man noch auf die sich häufenden "Notrufe entgeisterter Manager, fassungsloser Patriarchen und ängstlicher Staatsmänner" hoffen? Im FAZ-Feuilleton, das früher zärtlich als diskreter Charme der Bourgeoisie apostrophiert wurde, hören sich diese Kassandrarufe merkwürdig schrill an. Die Unterzeile "Wer uns denkt: Frauen übernehmen die Bewusstseinsindustrie" liest sich wie der Titel einer Streitschrift eines randalesüchtigen Männerrechtlers.

Als Menetekel der drohenden Frauenherschaft treten zum Schluss des Essays männermordende Frauen à la Klytemnästra und Charlotte Corday auf. Wenn Männer keine richtigen Männer mehr sind, werden Frauen den Männern zeigen, was männlich ist. Vor dem Tableau dieser verkehrten Welt schüttet Schirrmachers Hohn und Spott aus über die softigen Komplimente des "Herrn Merz".

Mit dem Gestus hysterischer Verzweiflung und gewalttätig getönter Melancholie reagiert der kluge Männerkopf auf seine drohende Deklassierung, nämlich die Definitionsmacht an den Plebs von Telefonistinnen, Kindermädchen und Stewardessen zu verlieren.

Die Öffentlichkeit fuhr diesmal nicht auf Schirrmachers Provokation ab. Während Katharina Rutschky in der Berliner Zeitung den Militärhistoriker Martin van Creveld abwatschte, weil er das krude antifeministische Traktat Das bevorzugte Geschlecht ablieferte, passierte wesentlich Schlimmeres mit dem FAZ-Feuilletonisten: Die Medien reagierten auf dieses Eiferertum so gut wie überhaupt nicht und ließen ihn im Regen stehen. "Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst", so Freud. Vielleicht verdämmern deshalb die Männer.

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