Sag mir, wer die Täter sind

KOMMENTAR Nach Jahrzehnten Debatte wird das Gewaltschutzgesetz verabschiedet

Von Gewalt reden alle. Doch für viele Frauen findet Gewalt nicht weit hinten in Afghanistan statt, und die Täter sind keine Terroristen, sondern Ehemänner, mit denen sie Tisch und Bett teilen. Öffentlich kaum wahrgenommen verabschiedete am 8. November der Bundestag das Gewaltschutzgesetz. Dieses längst überfällige Gesetz soll insbesondere Frauen vor Gewalttaten im häuslichen Bereich schützen und Gewaltopfern die gemeinsame Wohnung zusprechen. Das Prinzip "Der Schläger geht, die Geschlagene bleibt" wollte schon Angela Merkel umsetzen, als sie noch Frauenministerin war. Nach dem neuen Gesetz kann die Wohnung dem Opfer nun schneller zugewiesen werden, dies gilt auch für nicht verheiratete und homosexuelle Paare. Kontakt- und Näherungsverbote sollen Täter auf Distanz halten. Neu ist auch, dass das so genannte Stalking, also andauernde Nachstellungen und Belästigungen, unter Strafe steht.

Erstaunlich, dass es Jahrzehnte dauerte, bis häusliche Gewalttäter in die Schranken gewiesen werden. Wenn es sich um öffentliche Plätze handelt, macht es sich die Polizei mit Platzverweisen - etwa bei DemonstrantInnen - weniger schwer. Nachdem Baden-Württemberg den Platzverweis bei häuslicher Gewalt erprobte, zieht noch rechtzeitig vor dem Fest der Liebe und Hiebe eine einzelne Berliner Polizeidirektion mit einer geänderten Auslegung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes nach.

Auf permanenten öffentlichen Druck nimmt die Polizei häusliche Gewalt ernster; nicht zuletzt aber auch deshalb, weil die BeamtInnen bei Einsätzen zu "Familienstreitigkeiten" (wie es früher verniedlichend hieß) sehr gefährdet sind. Als Offizialdelikt wird Männergewalt zunehmend von der Staats- oder Amtsanwaltschaft verfolgt, so dass nicht das Gewaltopfer den Strafantrag stellen braucht. Sehr oft zogen Frauen ihre Anzeige wieder zurück, weil der Täter Druck auf sie ausübte.

Der Weisheit letzter Schluss sind staatliche Sanktionen nicht. Bei der punktuellen Koalition aus konservativen Ordnungspolitikern (vornehmlich Männern) und Feministinnen bekam so manche Staats- und PolizeikritikerIn eine Gänsehaut. Aber im Effekt handelt es sich wie schon bei der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe nur darum, dass hinter der Wohnungstür nicht Recht sein kann, was vor ihr geahndet wird. Das neue Recht soll generalpräventiv wirken, indem es klarstellt, dass die Gesellschaft häusliche Gewalt nicht als Bagatelle abtut, sondern wie andere Taten sanktioniert.

Abzuwarten bleibt, ob die Polizei nicht nur in Neukölln beim Pack, das sich schlägt, einschreitet, sondern auch vor der Villa des Herrn Doktor in Grunewald nicht zurückschreckt. Dass Männergewalt nur von muskelbepackten Prolls ausginge, gehört in die Welt der Märchen. Doch die Täter, die bisher zu sozialen Trainingskursen verknackt wurden, kamen in aller Regel nicht aus Bürgerhäusern.

Apropos Täter. Natürlich haben engagierte Männer umgehend moniert, dass Männer als Täter festgeschrieben werden. Hier rächt sich, dass unter Bürgern, Wählern und Lesern auch Frauen subsummiert werden. Hört, ihr Frauen, nun seid ihr auch als Täter angesprochen! Sogar das von der Bundesregierung unterstützte Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt vermied Männergewalt in ihrem Namen. Das Gewaltschutzgesetz ist juristisch - nicht sprachlich - geschlechtsneutral gefasst. Von der verfassungsgemäßen Gleichstellung profitieren ab dem 1. Januar, wenn die neuen Regelungen in Kraft treten, auch männliche Opfer. Männerrechtler wollen jetzt beweisen, dass es mindestens ebenso viele geschlagene Männer gibt. Wenn es stimmen sollte, dann sollten sie sich schleunigst bei den Feministinnen für deren Jahre langen Kampf bedanken.

Gerhard Hafner ist Psychologe und Anti-Gewalt-Berater in Berlin

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