Der nächste Schritt

Mondlandung Die Inder planen eine Mondlandung überraschenderweise schon für 2020. Den grauen Planeten wollten früher vor allem Politiker erobern, heute sind es die Wissenschaftler

Vierzig Jahre, nachdem Neil Armstrong am 20. Juli 1969 als erster Mensch auf dem Mond gelandet ist, rückt der Erdtrabant wieder ins Blickfeld des Interesses. Doch diesmal treten nicht nur die USA und Russland, sondern auch die aufstrebenden Raumfahrtmächte China, Indien und Japan an, den noch weitgehend unerforschten Himmelskörper bemannt zu erkunden.

Anders als in der Zeit des Kalten Krieges, als es beim Wettlauf zum Mond um ein politisches Prestigevorhaben und die System­auseinandersetzung ging, spielt diesmal die Wissenschaft die Hauptrolle. Als wichtiger Zeuge von viereinhalb Milliarden Jahren Erdgeschichte konserviert der Mond auch einen Gutteil der Entwicklung unseres Planeten und kann uns die Frage nach dessen Herkunft beantworten helfen.

Die Wiederholung des „kleinen Schritts für den Menschen und großen Sprungs für die Menschheit“, wie es Neil Armstrong formulierte, als er seinen Fuß auf den Mond setzte, lässt allerdings noch lange auf sich warten. Die Amerikaner scheinen dennoch auch diesmal wieder die Nase vorn zu haben. Sie peilen das Jahr 2019, also den 50. Jahrestag der ersten Mondladung, als neues Datum an. Auch die Russen haben keine Eile, denn sie wollen nicht vor 2025 einen Kosmonauten auf den Trabanten bringen.

Die Technik ist da

Die Chinesen sehen keine Möglichkeit, vor 2030 auf dem Mond zu landen, die Inder planen das überraschenderweise schon für 2020. Die Europäische Weltraumorganisation ESA kann dagegen von einer bemannten Mond-Mission derzeit nur träumen, weil sie über keine eigenen Raumschiffe verfügt und diese noch nicht einmal plant. Sie kann sich bestenfalls mit ihrer exzellenten Technik, die nicht selten den Stempel Made in Germany trägt, bei einer der anderen Raumfahrtnationen als Partner einkaufen. Daneben scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass sich zwischendurch noch jemand aus rein kommerziellen – sprich touristischen – Erwägungen mit betuchter Kundschaft auf den knapp 400.000 Kilometer langen Weg zum Mond macht.

Die Frage, weshalb wir uns mit der Wiederholung dessen so schwer tun, was schon Ende der sechziger Jahre überzeugend gelang, bringt auch die Experten zum Grübeln. In der Tat: Offenbar hat es nur der mutigen Rede von US-Präsident John F. Kennedy vom 25. Mai 1961 bedurft, um die ganze Nation zu einem einzigartigen Kraftakt zu mobilisieren. Natürlich spielte der politische Gegner, die Sowjets, dabei eine ganz entscheidende Rolle, denn sie hatten 1957 mit dem ersten Satelliten Sputnik und vier Jahre später mit dem ersten Raumfahrer Juri Gagarin die Führungsmacht USA in eine große Sinnkrise gestürzt. Der Auftrag Kennedys lautete, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Amerikaner zum Mond zu schicken und wieder heil herunter zu holen – und das, obwohl die Amerikaner damals im Gegensatz zu den Russen noch nicht einmal einen eigenen Astronauten in die Erdumlaufbahn gebracht hatten. Kennedys Auftrag wurde erfüllt, wenn auch in letzter Minute, weil es in den USA dafür einen großen gesellschaftlichen Konsens gab. Amerika hatte sein arg lädiertes Selbstbewusstsein wieder hergestellt.

Dass der Mond noch so lange auf den nächsten Besuch warten muss, kann an der Technik nicht liegen. Denn die hat in den vergangenen 40 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Jedes Handy hat heute mehr Rechenleistung als die Apollo-Bordcomputer damals. Schuld an der langen Zeitspanne ist eher der fehlende politische Wille. Es gebe immer weniger Geld und die Entscheidungsprozesse seien „komplexer und länger“ geworden, klagt Professor Ralf Jaumann vom Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Gesellschaft sei „pluralistischer“ und führe eine große Debatte über Sinn und Unsinn solcher Vorhaben oder über die Frage, ob man denn eher zum Mars als zum Mond fliegen solle. Außerdem habe man auch mehr negative Erfahrungen mit Raumfahrt-Katastrophen gesammelt, sagt der Wissenschaftler.

Vor kurzem hat auch Präsident Barack Obama die US-Mond-Euphorie gebremst. Er stellte das noch unter seinem Vorgänger George W. Bush beschlossene Constellation-Programm, das den Bau des neuen Raumschiffes Orion nebst Lander und der neuen Ares-Trägerrakete für den Flug zum Mond vorsieht, auf den Prüfstand. Bis August sollen Wissenschaftler das Vorhaben nun noch einmal unter die Lupe nehmen.

Der Nachfolger für die veralteten Shuttles, die Ende 2010 eingemottet werden, wird sicher wie geplant bis 2015 gebaut, und auch die Mondlandung wird kommen. Die große Frage ist, ob die Amerikaner eine teure Mondbasis errichten werden, wie sie von der Wissenschaft gefordert wird. Denn wer jetzt zum Mond zurückkehrt, muss dort auch länger bleiben, um möglichst die ganze Oberfläche einschließlich der bislang so gut wie unerforschten Rückseite genau untersuchen zu können. Nur so ist jener Erkenntnisgewinn möglich, der das Unternehmen überhaupt lohnt.

Die Russen lecken sich beim Thema Mondflug indes noch heute ihre Wunden. Sie haben den Wettlauf mit den USA damals dermaßen sang- und klanglos verloren, dass sie der Welt jahrzehntelang verschwiegen, überhaupt ein bemanntes Mondprogramm besessen zu haben. Der Triumph Wernher von Brauns, der immerhin zwölf Astronauten auf Erdtrabanten brachte, die dort 381 Kilogramm Mondgestein einsammelten, war zugleich das Ende der sowjetischen kosmischen Führungsträume. Heute spielt Russland zum Leidwesen von Ministerpräsident Wladimir Putin nur noch als „Lohnkutscher“ in der Raumfahrt die erste Geige. Rund 40 Prozent aller Weltraumstarts erfolgen mit russischen Trägerraketen. Dafür hat das Riesenreich kaum einen eigenen Wissenschaftssatelliten auf der Umlaufbahn, das knappe Geld reicht gerade einmal, um die Verpflichtungen bei der ISS zu erfüllen. In der mittelfristigen Raumfahrtplanung 2006–2015 wurden deshalb der Mond und der Mars gar nicht erst erwähnt. Erst auf Intervention Putins, der die Raumfahrt zu einem Schlüsselfaktor der sozial-ökonomischen Entwicklung seines Landes machen will, ist jetzt nachgebessert worden. Ziel ist nun, 2025 auf dem Mond zu landen und ab 2027 dort eine ständige Basis zu errichten.

Russen wollen zum Mars

Doch die russische Wissenschaft steht nur halbherzig hinter dieser Vorgabe. Für sie ist der Erdtrabant bestenfalls als künftiger Lieferant von Helium 3 interessant. Denn durch Kernverschmelzung des Heliumisotops 3, das in großen Mengen auf dem Mond vorkommt, mit Wasserstoff zu gewöhnlichem Helium 4 wird Energie freigesetzt. Das allerdings ist Zukunftsmusik, zumal man das Helium 3 dafür tonnenweise auf die Erde holen müsste. Der Chef des Moskauer Instituts für Kosmosforschung (IKI), Lew Seljony, ist sogar der Ansicht, dass Russland einer bemannten Marsmission den Vorzug geben sollte, weil es dafür bessere Voraussetzungen als die USA habe. Der Marsflug könnte zwischen 2023 und 2025 stattfinden. Allerdings wäre er – wie schon das Apollo-Mondprogramm der Amerikaner – „eher eine Prestigeangelegenheit denn eine Wissenschaftsmission“.

Es scheint, dass Seljony das bis vor kurzem noch geheime Mars-Programm von Chefkonstrukteur Sergej Koroljow (1907-66) von Anfang der sechziger Jahre wiederbeleben will. Koroljow hatte Pläne, schon 1974 einen Menschen zum Roten Planeten schicken. Doch dann wurde er vom Politbüro zurückgepfiffen und musste seine Mars-Rakete in eine Mond-Rakete umwandeln, die aber nie das Fliegen lernte.

Gerhard Kowalski, Autor des Freitag, ist freier Raumfahrtjournalist und Buchautor

Mythen rund um die Mondlandung

Rund um die Mondlandung haben sich in den vergangenen 40 Jahren zahlreiche Mythen und Legenden gebildet. Die zentrale Theorie: Die Apollo habe nie die Erdumlaufbahn verlassen. Die Szenen, in denen die Astronauten Steine sammeln, Minigolf spielen und Ausflüge mit dem Mondrover machen, seien im Filmstudio entstanden.

Als Indizien dafür gelten falsch ausgerichtete Schatten (wegen der angeblichen Studiobeleuchtung), das Fehlen von Sternen am Firmament. Außerdem sehen manche die US-Flagge flattern, was auf dem Mond, der keine Lufthülle hat, eigentlich nicht möglich ist.

Nichts davon hielt einem Beweis stand. Die Schatten liegen richtig, die Aufnahmen vom Mond fanden bei Tag statt, was die fehlenden Sterne erklärt. Auch für das Flattern gibt es keine Belege. Charles Duke, Teilnehmer der Apollo-16-Mission, fragte zu Recht: Wenn die NASA die erste Landung gefälscht hat, warum sollte sie sich die Mühe machen, das noch fünf weitere Male zu tun? Als der 72-jährige Buzz Aldrin 2002 mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, bekam der Filmemacher Bart Sibrel eine Ohrfeige.

Und dann gibt es noch die legendäre Erzählung, warum Neil Armstrong vor der Rückkehr zur Erde murmelte: Das war für dich, Jablonski. Jahre später fragte ein rätselnder Raumfahrthistoriker den Astronauten: Ganz einfach, antwortete Armstrong: In Ohio, wo ich aufwuchs, hieß unser Nachbar Jablonski. Eines Nachts hörte ich seine Frau schreien: Oral-Sex? Den bekommst Du erst an dem Tag, wenn der Junge nebenan den Mond betritt deshalb meine Botschaft. Schöne Geschichte. Hat sich Armstrong aber nur ausgedacht.


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