Moral der weichen Knie

Beliebt wie Donald Duck Ein Nachruf auf Bob Hope

Welche Botschaft mochte seine Komik für die GIs in Europa und im Pazifik bereitgehalten haben? War sie eine Aufmunterung für die Jungs, die sich fern der Heimat fragten, ob sie dem Krieg gewachsen waren? Oder einfach nur Zerstreuung? Frank Tashlin, der später einer seiner besten Regisseure werden sollte, stellte einmal fest, dass die beliebtesten Leinwandstars des Zweiten Weltkrieges zwei Aufschneider waren: Donald Duck und Bob Hope. Als schnöseliger Möchtegern, der sich vorschnell der Gewalt beugt, verkörperte Hope in schweren Zeiten eine Moral der weichen Knie.

Er wirkte meist deplatziert an den Orten, an die ihn die Drehbücher verschlugen, markierte den großspurig Arglosen im Ausland, der sich Weltläufigkeit allenfalls erschleichen kann. Seine Strategie war die Anmaßung; dreiste Selbstüberschätzung ließ ihn in die Rolle des Cowboys, Piraten oder Privatdetektivs schlüpfen. Eine beschwichtigende, unverfängliche Komik: die Zuschauer konnten sich der Gewissheit anvertrauen, dass er letztlich ungeschoren davonkommen würde. Schließlich mangelte es dem ungenierten Feigling nicht an Verschlagenheit. Auch wenn ihm Bing Crosby unweigerlich in letzter Minute das Mädchen ausspannte.

Im Zweiten Weltkrieg entdeckte Hope sein Faible für die Truppenbetreuung. Seitdem ließ er nur den jüngsten Golfkrieg aus, den letzten absolvierte er noch wacker als 90-jährige Stimmungskanone an der Front: ein beinahe so eindrucksvoller Beleg für die Zählebigkeit konservativer Naturen wie die Eskapaden Leni Riefenstahls. Seinen Patriotismus darf man durchaus lesen als Wunsch nach Assimilation, denn Leslie Townes Hope wurde am 29. 5. 1903 in London geboren. Als er fünf war, emigrierten seine Eltern in die USA. 1922, da war er eigentlich noch Buchhalter in einer Autofabrik, hatte er seine ersten Auftritte als Sänger und Tänzer im Vaudeville. Berühmt wurde er Mitte der dreißiger Jahre als Radiokomiker. Seine 60 Filmauftritte stellen nur eine Facette seines Oeuvres dar, daheim galt er hauptsächlich dank seiner Rundfunk- und Fernsehshows (außerdem hat er 17 mal die Oscar-Zeremonie moderiert) als der populärste Entertainer des 20. Jahrhunderts. So gehörte er zu den Superreichen Hollywoods - die Schätzungen über sein Vermögen schwanken zwischen 280 und 500 Millionen Dollar -, obwohl er eigentlich nur eine Dekade lang ein zuverlässiger Magnet an den Kinokassen war. The Road to Singapore besiegelte 1940 seinen Starruhm und die Partnerschaft mit Bing Crosby. Ein Halbdutzend weiterer Road-Filme folgte der gleichen Formel: die Dioskuren erlebten schnurrige Abenteuer vor exotischer Studiokulisse und buhlten um die Gunst ihrer Dauerpartnerin Dorothy Lamour.

Auch darüber hinaus gehorchte seine Filmografie dem Gesetz der Serie, steckte voller Fortsetzungen, Remakes und Parodien. Hopes Leinwandsouveränität basierte auf dem Erprobten, ohne seine zahlreichen Gagschreiber, die ihn seit den Radioanfängen begleiteten und in der Branche argwöhnisch "Bob´s Army" genannt wurden, war er aufgeschmissen. Das Inventar der wiederverwertbaren Gags, die er der Library of Congress vermacht hat, umfasst rund 90.000 Einträge. Seine Leinwandkomik blieb ganz der Sketch-Form verpflichtet, war auf Frontalität hin inszeniert. Ihren Effekt bezog sie aus einem Schnellfeuer der Pointen, die Hope mit gebieterischer Beiläufigkeit vortrug. Ihr Aggregatzustand war die Flüchtigkeit, er scheute den Nachdruck, die Vertiefung. Seine Persona vertrug sich nicht mit starken Regietemperamenten, ja, sein Witz zielte geradezu auf die Überwindung des Mediums: Regelmäßig trat er aus seiner Rolle und der filmischen Realität hinaus und haderte mit Drehbüchern oder Tricktechnik.

Hopes Komik war die Apologie einer vibrierenden Durchschnittlichkeit. Nicht von ungefähr war er ein reichlich beklommener Liebhaber (sofern er sich nicht ohnehin nur hinter den Rockschößen der Frauen versteckte). Eine merkwürdige Spannung herrschte in seinen Liebesszenen. Zwar fordert seine Libido in unversehens deftigen Slapstickeinlagen ihr Recht - dass er zuweilen einen zappelnden Fisch aus seinem Kostüm zaubert, wird die Zensoren in nicht geringe Verlegenheit gebracht haben. Zugleich blieb er in seinen Romanzen ein Autist, sabotierte die eigenen Verführungsversuche durch einen sich selbst genügenden Sarkasmus. Frauen waren keine erotischen Objekte, sondern Trophäen: Hopes Witz, das macht ihn so amerikanisch, erzählte stets vom Streben nach Erfolg.

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