Das neue Umweltbundesamt in Dessau markiert einen programmatischen Wechsel. Er zeichnet sich zwischen den formalen Ambitionen des Bauhauses und einem neuen umweltbewussten, ressourcesparenden Bauen ab. Eine interessante Position, die ideologische Vorbehalte einbezieht, zugleich aber auch einen Wendepunkt in der Architektur einläutet, somit Erkenntnisse eines ökologischen und energiesparenden Bauens werbewirksam für eine neue Ästhetik einsetzt.
Das Bauhaus als eine Ikone der Moderne hat es geschickt verstanden, seine imponierende Baubilanz propagandistisch zu untermauern. Und auch heute noch beruft sich eine kleine Elite deutscher Architekten gern auf das Ethos eines sozial verträglichen Bauens. Und benutzt nicht die heutige Avantgarde im Schlepptau des Bauhauses die
hauses die industriellen Standards, um den technologischen Fortschritt auch im Städtebau zu dokumentieren? Sind es nicht die Enkel des neuen Bauens, die mit einer geordneten Geometrie für Langeweile sorgen? Freilich, wer das 450 Meter lange, viergeschossige Umweltbundesamt nahe des Dessauer Hauptbahnhofes sieht, wird nicht umhinkommen, die artifizielle Meisterschaft dieser farbigen Riesenschlange zu bewundern, die als Forschungsstation und Verwaltungsbehörde ein heterogenes Industrieareal aufwertet. Die Vorzeichen für eine zeitgemäße Architektur haben sich im Vergleich zum Bauhaus in einem entscheidenden Punkt geändert: Das Bauprogramm ist faktenreich und zugleich komplexer; es setzt artifizielles Geschick und pragmatisches Wissen voraus. Beides, so scheint es, haben die Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton mit dem Umweltbundesamt brillant eingelöst: Die Bauaufgabe war schwierig, der Anspruch des Architekten, neue Wege zu gehen und damit Risiken einzubeziehen, hoch.Der Beschluss der Föderalismuskommission von 1992, das Umweltbundesamt von Berlin nach Dessau zu verlagern, erforderte ein neues Denken: Fragen der Umweltverträglichkeit und der Wirtschaftlichkeit des 68 Millionen teuren Objektes mussten geprüft und unterschiedliche Sichtweisen in Übereinstimmung gebracht werden. Ein 13-jähriges Frage- und Antwortspiel, wobei Sorgfalt Vorrang vor Schnelligkeit hatte. Die neue Umweltbundesbehörde zeigt, dass die erwarteten Ansprüche weitgehend erfüllt und sogar übertroffen wurden, wenn auch die Errichtung des neuen Amtes ein tägliches Pendeln von rund 800 Mitarbeitern zwischen Dessau und Berlin nach sich zieht.Das Umweltbundesamt steht im nördlichen Teil eines ehemaligen Gasviertels, von dem aus Dessau sich im 19. Jahrhundert als Industriestandort kontinuierlich entwickelte. Ein heterogener Ort, der von Gleisanlagen, Ruinen und dem renovierten Kopfbahnhof der Wörlitzer Eisenbahn umschlossen ist. Die Hochstraße über die Gleisanlagen beeinträchtigt den Blick auf die gekrümmte viergeschossige Gesamtanlage der neuen Umweltbehörde, die ihren artifiziellen Charakter über die Kunst und in einer Cafeteria einen sozialen Treffpunkt für die 1.100 Mitarbeiter erhält. Kein idealer Zugang für ein Gebäude, das von der provozierenden Eleganz seiner Fassaden lebt.Die Gebäudeform einer gekrümmten Neun resultiert aus einer strukturellen Überlegung: Auf dem schmalen, stark kontaminierten Grundstück sollte ein Bauwerk mit kurzen Wegen und einer hohen Transparenz zum Außenraum entstehen. In einer künstlichen Landschaft aus Wasser, grünen Inseln und Steinen erhebt sich ein Baukörper mit einer überaus attraktiven Fassade, deren Tonskala die sieben Farbpaletten als eine bewegte Raumskulptur widerspiegelt. Die Landschaft als Artefakt, aber zugleich auch ein historischer Verweis auf das ehemalige Gasviertel, dessen Abbruch infolge der hohen Schadstoffbelastung notwendig war.Die Außenanlage mit ihren Stecklingen, ihrem künstlichen Astwerk sowie einem kleinen Teich mit einem Schilfgürtel ist zugleich ein Lehrbeispiel für den zunehmenden Verlust unserer natürlichen Umwelt. Die künstlich geschaffene Stadtbrache verweist mit ihrem Abbruchmaterial auf das Ende der Industrieszenarien des 19. Jahrhunderts. Ein Experiment, in dem sich das neue Umweltbewusstsein mit seinen Artefakten präsentiert.Den an der Westseite gelegenen Haupteingang des neuen Amtes überformt ein glasüberdachtes Atrium, welches sich innen zu einem Forum erweitert und für Festveranstaltungen vorgesehen ist. Ein großer Hörsaal und eine Bibliothek vervollständigen den für die Öffentlichkeit zugänglichen Raum. Eine Sheddach-Konstruktion überdeckt das Gebäude und schafft für die hofartigen Ausbuchtungen ein angenehmes Binnenklima. Eine hochgedämmte Holz-Glas-Fassade minimiert den Wärmeverlust und ein Erdwärmetauscher sorgt für eine 40-prozentige Energieeinsparung. Ein Fünftel der erneuerbaren Energie wird dabei gewonnen: eine vorbildliche Bilanz. Das Ziel, eine Minimierung des Wärmeverlustes an der Außenhaut wird auch durch die kompakte Gebäudeform erreicht, wobei das Atrium als thermische Pufferzone dient.Erstaunlich ist, dass nicht nur die wissenschaftlichen Vorgaben eingelöst wurden, sondern durch ein ausgewogenes Farbprogramm auch ein angenehmes Arbeitsklima entstand. Raum, Farben, Lichtführung: Sie sind als sinnliche Materialien immer präsent und aufeinander bezogen. Materialverwandtschaften, pastellige Farbnuancen sowie eine durchgehend systematische Fensterordnung: der Innenraum mit seinen Treppen und Brücken ist ein schöner Verweilraum. Die 1,60 Meter breiten Flure werden zu Zweidrittel durch Glaswände ausgeleuchtet, und die 12 Quadratmeter großen Einzelbüros sind leicht in größere zu verwandeln.Das Farbkonzept war von Anfang an ein integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfes. Die Absicht der Architekten Sauerbruch/Hutton, das Modell des Gebäudes in einer Gesamtschau zu zeigen, brilliert als ein bewegtes Farbenspiel. Eine fein abgestimmte Farbtonskala durchzieht das gesamte Bauwerk: eine rhythmische Gliederung, die innen wie außen ein abwechslungsreiches Schau-Erlebnis garantiert.Fünf horizontale Holzbänder, die das Gebäude umschließen, sind Kennzeichen der Fassade. Die Brüstungsstreifen bestehen aus Lärchenholz, das mit den Jahren seine Farbe zum Silbergrau ändert. Die sieben Farbfamilien sind so verteilt, dass jeder Gebäudeteil seine Umgebung erschließt, die Stadt wird gleichsam als Innenthema neu strukturiert.Schon von Beginn an war der Planungsprozess durch konzeptionelle Analysen und Simulationen auf eine feinsinnige Ökologie ausgerichtet. Dass bei der Umsetzung des Gebäudes Baumaterialien geprüft und nach wissenschaftlichen, ökologischen und ästhetischen Kriterien ausgesucht wurden, gehört zu den Selbstverständlichkeiten eines ökologisch orientierten Bauens. Mit einer vielseitigen Verwendung von Holz wurde bewusst eine ökologische Grundlage für dieses Bauwerk gelegt.Sauerbruch/Huttons Meisterwerk weist einige erhebliche Unterschiede zum Bauhaus auf. Erreicht wurde eine Synthese aus Bauwerk und Umwelt, die sowohl artifizielle Elemente wie natürliche Materialien anschaulich macht. Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit: Die Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton haben mit dem Umweltbundesamt nicht nur der Ökologie ein neues menschenfreundliches Antlitz gegeben, sondern in ihrem Gebäude zugleich einer neuen Ästhetik zum Ausdruck verholfen.