Putin Bashing statt Analyse - Der Gipfel

G-20 Summit Das Putin-Bashing in den Medien überdeckt die wichtigere Nachricht des G-20 Gipfels: Deutschlands ist mit seiner Exportorientierung isoliert

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Man weiß gar nicht, ob man den Berichten und Kommentaren zum G20 Gipfel noch einen hinzufügen soll, denn es wurde schon viel geschrieben. Viel wurde angemerkt über die Isolation Russlands, viel wurde dagegen gehalten, Propaganda in den hiesigen Medien wurde entlarvt, Journalisten wurden enttarnt. Was könnte also noch gesagt werden?
Es wäre vielleicht wichtig, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, also darauf hinzuweisen, worum es bei diesem Treffen ging. Es ging, den ein oder anderen mag das überraschen, nachdem er die Berichte der deutschen Medien zur Kenntnis genommen hat, es ging in Brisbane gar nicht darum, Putin international zu isolieren. Es ging um Politik, überwiegend um Wirtschaftspolitik, um Wege aus der Krise, die Ausrichtung eines gemeinsamen Weges. Es ging ganz konkret darum, wie der Weltwirtschaft auf die Sprünge geholfen werden kann.
Und während Merkel Putin medienwirksam abwatscht, geht eine viel interessantere Watsche dabei unter. In Brisbane wurde unmissverständlich deutlich gemacht, wie sehr das deutsche Modell, wie sehr beispielsweise der deutsche Exportüberschuss eine Gefahr für die Weltwirtschaft darstellt. Wenn eine Nation auf dem Gipfel wirklich isoliert war, dann Deutschland mit seinem Beharren auf seiner Exportstärke. Die Abschlussdokumente legen davon Zeugnis ab, schwarz auf weiß:

We are determined to step up our cooperation to: provide significant new momentum to the global economy; boost demand and jobs; and achieve sustained and more balanced growth, both internally and externally. Our macroeconomic and structural policies are mutually reinforcing and address both demand and supply challenges. Our integrated approach is focussed on moving towards a more balanced policy framework.*

Der Brisbane Action Plan sagt es deutlich: Es geht um ein Ausgleichen von Nachfrage und Angebot und einen Ausgleich zwischen Importen und Exporten. Aha! Wer ist hier mit seiner angebotsorientierten Agenda und seinen Exportüberschüssen weltweit politisch isoliert? Russland? Wohl kaum. Dieses Dokument zielt auf eine andere Nation!
Ist es das Ziel all der Aggression in den Medien gegenüber Putin, genau diese Nachricht zu verdecken? Diese Aggressionen und Verdrehungen im deutschenMainstreams tragen vollkommen irrationale Züge, sind in keiner Weise angemessen, wenn man sich an den Worten Putins orientiert. Wenn Kommentatoren meinen, man würde nicht schlau aus Putin, dann kann das nur dann der Fall sein, wenn man ihm nicht zuhört und meint, eine idiosynkratische, vorurteilsbeladene Sicht aufrechterhalten zu müssen. Der transatlantisch eingeübte Journalist wittert Tricks, die er versucht für seine Leserschaft herauszustellen.
Allein, der Coup gelingt nicht, die Anmerkungen des Mainstreams zu G20 sind weithin absurd, für einen abwägenden Leser nahe an der Unlesbarkeit, unverständlich. Die Leserkommentare sprechen Bände, so sie denn noch zugelassen werden.
Wenn man Putin jedoch zuhört, dann ist das, was er äußert, dann sind die Angebote, die er in Richtung des westlichen Europa macht, vollkommen sinnvoll, zielführend und entgegen der Haltung Merkels und Gaucks auf Befriedung zielend.
Diese beiden behaupten immer noch eine Wertegemeinschaft des Westens, wobei dieser Gemeinschaft ganz offensichtlich die behaupteten Werte abhanden gekommen sind. Im Vergleich zwischen Putins Interview und Merkels Entgegnung darauf wird dies offensichtlich.
In der rhetorischen Akrobatik des Pressemainstreams auf die Rede wird deutlich, wie verquer die veröffentlichte Meinung inzwischen zu den Fakten steht.
Und es wird offensichtlich, wie sehr all die inszenierte Empörung und Ablenkung dem Schutz einer marktradikalen Idee dient. Nicht Russland oder Putin wurde in den Abschlussdokumenten abgewatscht, Deutschland, Merkel und Schäuble wurden es!
Die Austeritätspoltik, die Deutschland den Euroländern verordnet, fand sich am Ende allein und auf verlorenem Posten; viel einsamer als Putin an irgendeinem Tisch in Brisbane jemals gesessen haben mag.
Es ist ja nicht so, dass die Kommentatoren in den etablierten Medien mehr oder grundsätzlich andere Informationen hätten als ihre Leserschaft. Es ist dank Internet alles wundervoll transparent. Natürlich haben sie Zugriff auf die Abschlussdokumte, wo eine Fiscal Strategy, eine Steuerpolitik angemahnt wird, die Wachstum produziert. Wo auf die Nachfrageseite hingewiesen wird, also darauf, dass Löhne steigen müssen, weil es sonst kein Wachstum gibt. Und dennoch ist alles, was für die deutsche Journaille von Brisbane übrig bleibt, eine vermeintliche Isolation Putins, die versucht wird, mit einer schnell zu entlarvenden Bildersprache in Szene zu setzen.
Dabei ist die Message von Brisbane eine andere. Sie lautet erstaunlich wenig diplomatisch verklausuliert, Deutschland ist mit seiner Exportorientierung eine Gefahr für die Weltwirtschaft. Und: In Deutschland müssen endlich die Löhne und Gehälter kräftig steigen, damit sich hier die Nachfrage in einem vernünftigen Verhältnis zum Angebot einpendelt. Da wird gesagt, dass die deflationäre Politik, wie sie von Deutschland betrieben wird, durchbrochen werden muss. Da geht in zentralen Passagen in jedem zweiten Satz darum, was Deutschland derzeit alles falsch macht. Und der deutsche Mainstreamjournalismus, der sich selbst das Attribut der Qualität verleiht, lobt die klaren Worte der Kanzlerin gegen Russland und hält sich mit Putinbashing auf. Wenn das nicht absurd ist, dann ist entweder schlecht oder es ist Propaganda.
Wirtschaftspolitisch macht Russland so ziemlich alles richtig, während Deutschland so ziemlich alles falsch macht und darüber hinaus den europäischen Partnern dieses falsche Handeln aufzwingt. Das ist das Ergebnis von Brisbane. Kein Wort darüber in den deutschen Nachrichten. Eine Schande!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden