Vor dreißig Jahren: 4 Tage Irakkrieg 91

Ein Zeitungsprotokoll Neue Weltordnung, befürchtete Siegeszüge, drohende "Ohne-mich-Moral", moralische Schieflagen und reale Tote jenseits der heilen Computerwelt

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"Neue Weltordnung

Mit dem Golfkrieg und den Friedensdemonstrationen beschäftigen sich die Kommentatoren der Presse im In- und Ausland:

NEW YORK TIMES

„Niemals zuvor war die Welt so in einem großen Konflikt auf einer Seite vereinigt. Niemals zuvor gab es solch eine Gelegenheit, einen dauerhaften Frieden auf breiter Grundlage zu schaffen. Ob diese Gelegenheit jetzt verwirklicht werden kann, hängt von der weiteren Kriegsführung und den Details des möglichen Friedens ab. Neue Weltordnung ist ein unglücklicher Ausdruck, der an die Nazi-Parolen erinnert. Möglich ist es aber jetzt, ihm eine neue positive Bedeutung zu geben. Ein umsetzbares System der Zusammenarbeit kann den Notwendigkeiten der Menschen wie der Staaten gerecht werden. (...) Der Kalte Krieg kannte nur die Abwesenheit von weltumfassendem Krieg. Die neue Weltordnung bietet eine bessere Zukunft: Frieden."



"Siegeszug des Isalm erwartet

Politiker rufen in Tutzing zum Dialog auf

pra. Tutzing (Eigener Bericht) Einen „ungeheueren Islamisierungs-Schub“ sieht der SPD-Politiker Peter Glotz als Folge des Golfkrieges voraus. Bei einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing erklärte der südbayerische SPD-Vorsitzende: „Wir werden den Krieg gewinnen und die Region verlieren.“ Der militärische Sieg der internationalen Streitkräfte werde sich so in eine politische Niederlage verwandeln. Die fundamentalistische Art von Islam sei „mit unserem Leben nicht vereinbar“. Hei-ner Geißler, Präsidiumsmitglied der CDU, forderte den Westen auf, den längst fälligen Dialog“ mit dem Islam wiederaufzunehmen. Der Islam sei „im Grunde“ eine zutiefst friedliche Religion. Der CSU-Politiker Günther Beckstein anerkannte zwar auch, daß es im Islam neben fundamentalistischen Strömungen eine Tradition der Toleranz gab und gibt“. Als Staatssekretär im bayerischen Innenministerium müsse er aber auch die radikalen Organisationen im Auge haben. Er habe erfahren, daß eine ganze Reihe von Irakern, die in Bayern mit ihren Familien lebten, den Aufruf von Saddam Hussein zum ,,Heiligen Krieg" gegen die Amerikaner befolgt und deswegen Frau und Kinder verlassen hätten. Das sei für ihn „rational nicht mehr nachvollziehbar“. Auf der Tagung unter dem Motto „Multikulturelles Zusammenleben Realität und Vision" äußerte Beck-stein starke Zweifel daran, ob ein gläubiger Muslim, der in der Bundesrepublik lebt, „zur gleichen Zeit den Gesetzen seiner Religion gerecht werden und sich im notwendigen Maß an unsere Gesellschaft anpassen kann“. Mit solchen Generalisierungen stieß er freilich auf erheblichen Widerspruch der 180 Tagungsteilnehmer, der sich zu lautem Unmut steigerte, als Beckstein weitere Erleichterungen beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ablehnte: Die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft, meinte er, ,,dient nicht der Integration, sondern verzögert und verhindert sie“. Bei der Debatte des Themas Asyl forderte Peter Glotz, die Einwanderung nach Länderquoten zu kontingentieren – also bestimmte Aufnahmezahlen für Flüchtlinge aus bestimmten Krisenländern festzusetzen. Man dürfe „die Armutswanderung nicht weiter in das Asylverfahren drängen“."

"„Auf einem Auge blind“

Unionspolitiker kritisieren Friedensbewegung

Wieder demonstrieren Zehntausende in aller Welt gegen das Blutvergießen am Golf

Frankfurt (AP/dpa/Reuter) - Die Protestaktionen gegen den Krieg am Golf haben auch am Wochenende in vielen Städten Deutschlands sowie im Ausland angehalten und sind in der Mehrzahl friedlich verlaufen. Vereinzelt gab es Ausschreitungen, was einige Polizeiführer veranlaßte, von einer „zunehmenden Militanz“ zu sprechen. Politiker von CDU und CSU warfen Friedensbewegungen politische Einseitigkeit vor. Nur in Deutschland wurde eine nachlassende Beteiligung an den Kundgebungen festgestellt. Kirchen riefen mit Glockenläuten zu Friedensgebeten auf. Am Samstag fand die größte Kundgebung in Stuttgart statt, dem Sitz des US- Oberkommandos für Europa. Dort versammelten sich nach Polizeiangaben rund 15 000 Menschen auf dem Schloßplatz. Zur bisher größten Protestkundgebung in München gingen am Freitagabend nach Mitteilung der Polizei rund 12 500 Menschen auf die Straßen. Mit Transparenten, die sich fast ausschließlich gegen die USA richteten, zogen sie mehrere Stunden lang durch die Stadt. Der Verkehr brach zeitweilig zusammen. Am Samstag zogen auf dem Marienplatz Mahnwachen auf. Unbekannte verübten am Sonntag in Berlin einen Brandanschlag auf Tanklastzüge. In Saarbrücken nahmen mehr als 2000 Menschen an einem Schweigemarsch teil, zu dem die Landesregierung, der DGB und die Kirchen aufgerufen hatten. An der Spitze der Demonstration ging Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD). In Bonn wurde aber auch gegen das sowjetische Vorgehen in Litauen demonstriert. Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) und CSU-Generalsekretär Erwin Huber kritisierten die Kriegsgegner. In der Welt am Sonntag äußerte Stoltenberg Befremden darüber, daß „erst jetzt Hunderttausende gegen den Krieg am Golf demonstrieren und nicht schon am 2. August letzten Jahres, als der Krieg in Wahrheit begann mit der gewaltsamen Besetzung und Annexion Kuwaits durch den übermächtigen Irak, mit dem Tod tausender Bürger des Scheichtums und der Flucht von Zehntausenden“. Huber sagte in München, Teile der Friedensbewegung zeigten sich auf einem Auge blind“. Wer gegen die USA demonstriere und zu den Verbrechen Saddam Husseins gegen die Humanität sowie Folter, Mord und Völkermord an den Kurden schweige, verwirke jeden moralischen Anspruch, mit seinen Protesten Gehör zu finden. Den Vorwurf des „Antiamerikanismus“ gegen ihre Partei sowie gegen Friedensdemonstranten wies die Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen Grünen, Thea Dückert, zurück. In einer Stellungnahme klärte sie, die Verletzung des Völkerrechts durch Saddam Hussein sei jedoch keine Rechtfertigung für vermeidbares Leid, daß der Krieg stündlich Menschen zufüge. Es gehe den Grünen um eine weltweite Ächtung des Krieges als untaugliches Mittel der Konfliktlösung. In Städten des Auslands, vor allem in den USA, demonstrierten Hunderttausende unter dem Motto „Kein Blut für Öl“ und ,,Bringt die Soldaten heim“ für einen Abzug der Alliierten vom Golf. In Libyens Hauptstadt Tripolis führte Revolutionsführer Khadhafi selbst einen Marsch an, mit dem ein Ende der Bombardierung Iraks und Selbstbestimmung für Kuwait gefordert wurde. In den moslemischen Staaten Nord- afrikas gab es große pro-irakische Kundgebungen."


"Moskau steht zur Allianz gegen den Irak

Hamburg (AFP) - Die Sowjetunion steht nach den Worten des stellvertretenden Außenministers Alexander Belonogow zur Allianz gegen den Irak. Der Bild am Sonntag sagte der Politiker, auch nach Moskauer Auffassung habe Kuwait seit Beginn der irakischen Aggression das Recht auf be- waffnete Verteidigung. Nicht Staaten, die jetzt helfen, sondern die irakische Führung hat ihr Land in das Kriegsabenteuer gestürzt, dessen Finale wir nun erleben.“ Die Sowjetunion werde die alliierten Truppen aber nicht - wie bereits mehrfach versichert - militärisch unterstützen. „Aber nach der Waffenruhe werden wir uns an humanitärer Hilfe zum Aufbau des Landes beteiligen und die friedlichen Bauvorhaben fortsetzen.“ Aus den früheren Waffenlieferungen werde die Sowjetunion auch die Lehre ziehen, „daß man bestimmte Staaten nicht überrüsten soll“, betonte der Minister. Vielmehr wolle Moskau eine Nahost-Konferenz über die heutige Kriegsregion, um aus diesem Gebiet eine kern- und chemiewaffenfreie Zone zu schaffen."


"Gasmaske statt Handtasche „Kriegsmode“ made in USA

New York (AFP) - Statt Handtaschen baumeln Gasmasken lässig von den Schultern der Mannequins, die außerdem Tarnkleidung und kugelsichere Westen tragen. So sieht die jüngste Kollektion des amerikanischen Modeschöpfers Andre Van Pier aus, die den Titel „Kriegsmode" trägt - inspiriert vom Golfkrieg, versteht sich. Den Vorwurf der Geschmacklosigkeit weist der 29jährige Van Pier weit von sich. Ganz im Gegenteil, die Soldaten könnten sich mit seiner Mode identifizieren und deshalb auch nicht gekränkt sein. Sein Bruder kämpfe in Saudi-Arabien, erzählt der Modeschöpfer, und der sei „ganz wild“ auf die Klamotten."

"Jeden Tag mindestens drei neue Saddams

Amman (Reuter/AFP) - Was auch immer nach dem Golfkrieg mit dem irakischen Präsidenten passiert sein Name bleibt. Dafür sorgen Hunderte jordanischer Eltern, die ihre Sprößlinge „Saddam" taufen. „Jeden Tag werden mindestens drei neue Saddams geboren“, sagt der Frauenarzt Mahmud al Taher. In den Geburtskliniken der Hauptstadt Amman habe der Name Hochkonjunktur. Jeder zweite neugeborene Junge heiße schon so, berichtet ein anderer Arzt. Gerade für Palästinenser, von denen viele in Jordanien leben, stelle er die Hoffnung auf eine Befreiung von Israel dar. „Ich hoffe, daß er so wie Saddam wird, ein ehrlicher und mutiger Kavalier, der für Gerechtigkeit und Menschenrechte kämpft“, sagt die Mutter eines nach dem irakischen Führer benannten Jungen. Ihr Sohn ist gerade sechs Tage alt, etwas jünger als der Golfkrieg."

"Immer neue Protestaktionen gegen den Golfkrieg

Demonstranten blockieren Börse

Aktienhandel in Frankfurt jedoch kaum behindert

Frankfurt (Reuter/AP) - Rund 500 Demon- stranten haben am Montag vor der Frankfurter Börse gegen den Golfkrieg demonstriert, jedoch den Aktienhandel kaum behindert. Die Demonstranten, unter die sich auch ein Block Vermummter gemischt hatte, hinderte zahlreiche Aktienhändler am Betreten des Gebäudes; andere wurden mit Eiern und Farbbeuteln beworfen. Das Gebäude wurde für eine halbe Stunde geschlossen. Danach begann die Polizei die Blockade mit Schlagstöcken aufzulösen, Zwei Demonstranten wurden festgenommen. Bereits am Morgen hatten Schüler und Studenten versucht, die Zugänge zur Börse zu blockieren. Sie skandierten Sprechchöre wie „Kein Blut für Öl“ und „Deutsche Aktien steigen, wenn deutsche Waffen morden“. Die Polizei drängte die Demonstranten an die Ränder des Börsenplatzes, verzichtet aber zunächst auf eine gewaltsame Räumung des Geländes. Aus Protest gegen den Golf-Krieg blockierten mehrere hundert Demonstranten die Einfahrten zu den Berliner Werken der Siemens AG. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer der Kundgebung unter dem Motto „Blockiert den Rüstungskonzern Siemens“ auf etwa 400. Auf Transparenten wurde dem größten deutschen Elektronik-Konzern eine Verwicklung in den Golfkrieg vorgeworfen. Nach etwa zwei Stunden zogen die Demonstranten ab. An Rhein und Ruhr beteiligen sich nach Schätzungen des Lagezentrums im Düsseldorfer Innenministerium rund 3000 Menschen an Protestaktionen. Die größte Veranstaltung fand mit etwa 800 Teilnehmern in Dinslaken statt. Auch in Detmold, Bad Honnef, Duisburg, Wermelskirchen und Wuppertal gab es kleinere Veranstaltungen, an denen sich überwiegend Schüler und Lehrer beteiligten. Die Teilnehmerzahlen haben im Vergleich zu den ersten Tagen des Golfkriegs rapide abgenommen“, sagte ein Polizeisprecher In Köln und Dortmund blockierten rund 100 Demonstranten die Eingänge zu den örtlichen Kreiswehrersatzämtern. In Köln dauerte die Aktion drei Stunden. Der Leiter des Amtes sagte, infolge der Blockade hätten 120 Beschaftigte der Behörde nicht rechtzeitig zu ihren Arbeitsplätzen gelangen können. Wehrpflichtige konnten nicht gemustert und ein Teil der Post nicht zugestellt werden. In Dortmund beendeten die Demonstranten ihre Blockade, als sie merkten, daß das Kreiswehrersatzamt gar nicht geöffnet hatte. Mit mehreren Booten und Transparenten behinderten Kriegsgegner in Kiel das Auslaufen des deutschen Lenkwaffenzerstörers Mölders. Beteiligt an der Aktion waren nach Angaben der Wasserschutzpolizei etwa 20 Personen auf zwei Schiffen und mehreren kleineren Booten. In der Nacht hatten noch viele Dutzend Demonstranten gegen das Auslaufen protestiert. Auf den Plakaten der Demonstranten war unter anderem zu lesen: „Die Mölders zieht in den Krieg. Verhindern wir eine Kriegsbeteiligung aus Schleswig-Holstein.“ Die Mölders sollte zunächst eine Ausbildungsreise ins Mittelmeer unternehmen. Am Wochenende war dann aber nach Auskunft des Flotten- kommandos in Glücksburg eine neue Lage" eingetreten. Als neues Ziel für das Kriegsschiff wurde jetzt der Atlantik genannt. Dort soll eine Einsatzübung mit U-Booten und Flugzeugen der NATO-Länder Spanien, Portugal, Frankreich und England stattfinden."

"Demonstration in New York für den Krieg am Golf

Mehr als 10 000 Menschen demonstrierten vor den Vereinigten Nationen für die amerikanische Beteiligung am Krieg gegen den Irak. Zu der Kundgebung hatte eine jüdische Organisation aufgerufen. Zu den Rednern zählte der Gouverneur von New York, Mario Cuomo, und der israelische UN-Botschafter Yoram Ariod. Nach Einschätzung der Polizei war es die bisher größte Demonstration für den Golfkrieg."

"Schmidt warnt vor Ohne-mich-Moral

F.A.Z. FRANKFURT, 23. Januar. Das Verhalten Deutschlands im Zusammenhang mit dem Golfkrieg darf nach Auffassung des früheren Bundeskanzlers Schmidt (SPD) nicht als eine egoistische Ohne-mich-Moral mißdeutbar sein. Schmidt schrieb in einem Beitrag für „Die Zeit“, deren Mitherausgeber er ist, es gebe aus vernünftiger Abwägung der deutschen Interessen gute Gründe, sich so weit und so lange wie möglich an Kriegshandlungen nicht zu beteiligen. Aber heute und morgen müssen unsere Nachbarn und unsere Bündnispartner erkennen können: Wir stehen auf ihrer Seite. Deshalb sei jede humanitāre, finanzielle und diplomatisch-politische Hilfe Bonns dringend erwünscht. Unterdessen hat der SPD-Abgeordnete Horn angesichts des Golfkrieges vor einer undifferenzierten Verringerung des Verteidigungshaushaltes gewarnt. „Der Golfkrieg hat gezeigt, wie wichtig eine mobile, flexible und technologisch gut ausgerüstete Armee ist“, sagte Horn der ,,Berliner Morgenpost“. Der Kalte Krieg habe dazu geführt, daß die Bundeswehr zu ,,östlich“ ausgerichtet sei und auf neue Bedrohungen nur schwerfällig reagiere. Deutschland brauche jetzt ein neues Verteidigungskonzept. Horn sprach sich für eine Grundgesetz-Anderung aus, die den Einsatz der Bundeswehr in internationalen Verbänden ermögliche. Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder (SPD) hat den Rückzug der als Teil der Nato-Eingreiftruppe in der Türkei stationierten deutschen Luftwaffen-Soldaten verlangt. Schröder sagte am Mittwoch in einer Regierungserklärung vor dem Landtag in Hannover, das Leben der Soldaten dürfe nicht für die ,,Machtinteressen des türkischen Präsidenten gefährdet werden“. Dem türkischen Präsidenten Özal warf Schröder vor, den Nato-Bünd- nisfall für eigene Interessen zu provozieren. Özal träume davon, ,,als Kriegsgewinnler wieder ein osmanisches Großreich“ zu errichten."

"Zur ,,Solidarität mit Israel“ bekannten sich am Sonntag vor einem abendli- chen Gottesdienst in der Münchner Hauptsynagoge Staatsminister Peter Gauweiler, Oberbürgermeister Georg Kronawitter und unter anderen die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch. Aus Sicherheitsgründen hatte man den Termin nicht öffentlich gemacht. Herum- gesprochen hatte er sich trotzdem. Das Gotteshaus war mit mehr als tausend Menschen überfüllt.

Von Karin Friedrich

„In tiefster Sorge um Israel, um unsere Verwandten, Freunde und Bekannten“, habe man sich hier versammelt, sagte Charlotte Knobloch. Und zugleich in größ- ter Bewunderung“ für den Staat Israel, der sich bisher aus dem Krieg herausgehalten habe, obwohl er damit seine Existenz aufs Spiel setze. Die Welt stehe „am Rande einer alles verschlingenden Katastrophe“, ausgelöst durch den irakischen Diktator Saddam Hussein, unterstützt von skrupellosen Geschäftemachern „auch hier in Deutschland“, die ihm seine Infrastruktur und sein Potential der Vernichtung“ selbst dann noch geliefert hätten, als die Vereinten Nationen schon ihr Embargo über den Irak verhängt hatten. In dieser Stunde der Bedrohung, so Charlotte Knobloch, empfinde sie besonders dankbar die unzähligen Anrufe aus der Bevölkerung und von Politikern, die Hilfe offerierten, und die überwältigende Präsenz in diesem Gotteshaus. Staatsminister Peter Gauweiler dankte seinerseits der jüdischen Gemeinde, die mit dieser Veranstaltung einer Vielzahl von Bürgern Gelegenheit gebe, ihre Solidarität mit Israel zu beweisen. Er wolle die heutige Kundgebung auch als einen Protest gegen die Schieflage der offentlichen Meinung verstanden wissen, die die Leiden des israelischen Volkes aus den Augen zu verlieren drohe. Auch Oberbürgermeister Georg Kronawitter erinnerte an die besondere Verpflichtung der Deutschen, wenn es darum ginge, das Estistenzrecht Israels zu wahren. Es sei gut, sagte Kronawitter, daß sich heute so wiele Menschen Sorgen um den Frieden machten Der Krieg habe aber nicht erst vor ein paar Tagen begonnen, sondern schon am 2. August. Wer ging damals auf die Straße? Und warum gab es keinen millionenfachen Aufschrei, als Saddam Hussein Tausende von Kurden qualvoll zu Tode brachte?“ Vielleicht sei es jetzt schon wieder zu spät oder gerade noch früh genug, um Tod und Zerstörung zu begrenzen. Die verbalen Soliadritätsbekundungen in Aktionen umzuwandeln, versicherte der Sprecher der Jüdischen Jugend München, Avi Blumenfeld. „Wir Juden verstecken uns nicht mehr. Wir werden nicht schweigen. Wir sind fest entschlossen, für unsere Rechte in aller Offentlichkeit einzutreten.“ Eine erste Demonstration sei am heutigen Dienstag, um 13 Uhr, vor dem amerikanschen Generalkonsulat geplant. „Stark berührt“ zeigte sich Ehrenrabbimer Pinchas Biberfeld davon, „daß uns schon jetzt nichtjüdische Jugendliche Hand in Hand zur Seite stehen“. Gelöst werden müsse endlich auch die Palästina-Frage. Wer um Frieden bete, sollte aber auch um Frieden für Israel bitten. Im darauf folgenden Gottesdienst verwie Rabbiner Izchak Ehrenberg auf die für dar Judentum geltenden 613 Gebote, von denen das oberste sei, bei Lebensgefahr „Leben zu retten“. Leben zu retten gelte es wuch im gegenwärtigen großen Konflikt. Nor dem geöffneten Thoraschrein sang er den 130 Psalm: „Aus den Tiefen rufe ich Dich. Ewiger ... Gemeinsam stimmten Ende Juden und Nichtjuden die israelische Hymne an: „Hatikvah – Hoffnung“."

"Zeugen berichteten von Zehntausenden Toten

SPD-Politiker nennt offizielle Berichte verharmlosend/Militärs: 100 000 Opfer im Irak

Bonn/Dhahran (AP/dpa) - Bei den Bombenangriffen auf Bagdad hat es nach Berichten von zivilen Augenzeugen und inoffizieller Schätzungen alliierter Militärs Zigtausende Todesopfer gegeben. Wie der sozialdemokratische Nahostexperte im Europaparlament, Dieter Schinzel, berichtete, erhielt er diese Angaben von zwei Irakern, die nach Jordanien geflüchtet sind. „Sie haben selbst mit vielen Augenzeugen gesprochen und können sich ein realistisches Bild machen.“ Experten zufolge seien bereits 100 000 Tonnen Bomben gefallen. Dabei habe es sich keineswegs nur um „sogenannte chirurgische Eingriffe“ gehandelt. Wie in jedem Krieg sei die Zivilbevölkerung am schlimmsten betroffen. Militärs in Dhahran sprechen - jenseits der Zensur - angesichts der gemeldeten „Bombenteppiche“ von 100 000 toten Irakern in den ersten vier Kriegstagen, 30 000 Tote allein in Bagdad nannte ein Mullah im Exil. Schon in den ersten drei Tagen des Golf- krieges sind nach glaubwürdigen Informationen der regierungsfeindlichen Kurdischen Demokratischen Partei in London fast 4000 irakische Soldaten getötet oder verwundet worden. Tausende Bewohner lagdads, Tiloits und Kirkuks seien aufs Land geflohen. Es lligen Berichte über hohe Opfer unter der Zivilbevölkerung vor. Nach Schinzels Informationen sind im Zentrum der Millionenstadt Bagdad die Zerstörungen zwar relativ gering, „aber in den Kußeren Bezirken gibt es schlimme Verwüstungen“. Schinzel, der Mitglied einer Delegation des SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt war, die im November deutsche Geiseln im Irak abholte, sagte weiter: „Alles, was man an Grausamkeiten von diesem Krieg hört, steht im krassen Gegensatz zu der heilen Computer-Welt, die per Fernsehen vermittelt wird. Da wird auf 'War Game' gemacht. Das ist eine ganz bewußte, gezielte psychologische Beeinflussung der Massen, um ihnen die Grausamkeiten dieses Krieges vorzuenthalten.“ Nach Schinzels Worten ist beiden Seiten daran gelegen, die wahren Zahlen der Opfer zu verschweigen: „Die USA müßten sich auf einen weltweiten Aufschrei der Empörung gefaßt machen, - und Irak befürchtet eine Demoralisierung der Truppen.“ Speziell dem US-Sender CNN warf nach dem Krieg über die gleichen Dinge reden, über die sie statt des Krieges hätten, Schinzel eine „unglaubliche Nachrichtenmanipulation“ vor, die dazu dienen solle, Akzeptanz herzustellen: „Die Bevölkerung soll nicht erfahren, welche Grausamkeiten passieren.“ Vor allem in den Köpfen von Jugendlichen rufe diese Präsentation den Eindruck hervor, der Krieg spiele sich wie am Heimcomputer ab. Die Wahrheit müsse sich durch die Zensur hindurch erst „mühsam einen Weg bahnen“. Ohne Zweifel stehe dem Irak eine überlegene Militärmacht gegenüber. Der Waffen- einsatz löse die Nahostprobleme jedoch nicht. Wenn Saddam Hussein „total in die Ecke gedrängt“ werde, sei nicht auszuschließen, daß er auch ABC-Waffen einsetzen oder die Ölfelder in Brand stecken werde. In jedem Fall müßten die Beteiligten nach dem Krieg über die gleichen Dinge reden, „über die sie statt des Krieges hätten reden müssen.“"


Eine Zeitungscollage aus Süddeutscher Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Badische Zeitung









Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gerhard Hanloser

Kritische Analysen, Miniaturen und Reflexionen über linke Bewegungen, Theorien und Praxis

Gerhard Hanloser

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