Einmal habe sich ein deutsches Kinderhilfswerk bei ihm gemeldet, erzählt Farhad Payar. „Wir hatten in einem Artikel über Kinderarbeit im Iran berichtet.“ Farhad Payar ist Journalist. Der 65-Jährige hat iranische Wurzeln und ist nebenberuflich Chefredakteur des Iran Journal, der einzigen deutschsprachigen Exil-Nachrichtenseite. Auf diesen Artikel hin, erinnert er sich, schrieb ein deutsches Kinderhilfswerk, wie betroffen sie der Bericht machte – sie wollten helfen. Farhad Payar stellte Kontakt zu Kinderhilfsvereinen im Iran her. Über Spenden kamen dann 13.000 Euro zusammen.
Das Iran Journal berichtet seit 2010 über den Iran. Gegründet wurde die Nachrichtenseite kurz nach den Protesten der sogenannten Grünen Bewegung vom Verein Transparency
gung vom Verein Transparency for Iran e. V., der die Seite bis heute trägt. Zum ersten Mal erreichten damals Bilder des Widerstands die Weltöffentlichkeit über Twitter und Youtube. „Wir gründeten die Nachrichtenseite, um die Proteste nachrichtlich abzudecken“, sagt Farhad Payar. Er und seine Mitstreiter*innen übersetzten Nachrichten aus den sozialen Netzwerken ins Deutsche. 2011 fragte der Filmemacher Ali Samadi Ahadi, der im Vorstand von Transparency for Iran e. V. sitzt, ob Farhad Payar aus der Seite ein professionelles Online-Magazin machen wolle. Das waren die Anfänge des Iran Journal.Das Redaktionsteam besteht heute aus vier Personen, dazu Gastautor*innen und freie Autor*innen. Einen Social-Media-Auftritt gibt es auch. Außerdem schreiben zwei Autor*innen aus dem Iran regelmäßig für das Iran Journal – natürlich nicht unter echtem Namen, da es Menschen im Iran verboten ist, für Exilmedien zu schreiben.Innenpolitik, Kunst: Der Alltag der jungen GenerationDas Iran Journal sollte in seinen Texten auf die Gesellschaft schauen, auf die Frauen und auf die Jugend, so beschreibt Farhad Payar die Motivation, ein deutschsprachiges Exilmedium zu gründen. Es ging ihnen darum, das oft gleichförmige Narrativ in deutschen Medien zu ergänzen und zu bereichern. „Der andere wichtige Grund für die Etablierung des Journal war die Sensibilisierung der deutschen Gesellschaft für die Belange junger Iranerinnen und Iraner.“ Es ging ihnen darum, verschiedene Schichten und Aspekte des Iran abzubilden, erklärt Payar.Den Texten des Iran Journal ist die hintergründige Analyse gemein. Die vielen Hintergrundinformationen helfen, aktuelle Nachrichten und größere Zusammenhänge zu verstehen. Die Autor*innen stellen auch Dossiers zusammen – Artikelreihen zu verschiedenen Themen, zum Beispiel „Deutsch-iranische Beziehungen“. „Wir legen viel Wert darauf, nicht reißerisch zu sein“, erklärt Payar, der hauptberuflich bei der Deutschen Welle arbeitet. Gerade bei den oft aufgeregten und von Propaganda begleiteten Nachrichten, die aus dem Iran kommen, sei die Einordnung wichtig. „Unsere Konkurrenten sind Der Spiegel und Die Zeit“, sagt Farhad Payar, „nicht die staatlichen iranischen Nachrichtenagenturen.“Wer in den vergangenen zehn Jahren Berichte über die iranische Gesellschaft, über aktuelle Innenpolitik oder auch über die Arbeit iranischer Künstler*innen suchte, wurde fast ausschließlich beim Iran Journal fündig. Deutsche Medien berichten in großen Teilen bis heute nur in Schlaglichtern über den Iran. Artikel über die iranische Zivilgesellschaft, über Streitigkeiten in der politischen Riege, über Parlamentsdebatten oder über Umweltschutz sind auch nach Beginn der Proteste im September 2022 kaum zu finden.Förderungen ermöglichten die Arbeit des Iran JournalsNach mehr als zehn Jahren Berichterstattung sieht es so aus, als müsste das Journal seine Arbeit bald einstellen. Das Iran Journal finanziert sich weder durch Werbung noch sind die Artikel kostenpflichtig; neben der Einnahme von Spenden ermöglichten größere Förderungen die journalistische Arbeit. Neben kleineren Förderern wie der Bundeszentrale für politische Bildung war es hauptsächlich die Heinrich-Böll-Stiftung, die die Basisförderung bereitstellte. „Die Basisförderung ist wichtig, um kontinuierlich Texte schreiben zu können“, erklärt Farhad Payar. Dafür braucht es finanzielle Planbarkeit. Auf Anfrage erklärt die Böll-Stiftung, dass ihre „externen Kooperationen in Deutschland in ihrer Dauer grundsätzlich immer begrenzt“ seien. Mit dem Iran Journal sei „bereits im Jahr 2021 einvernehmlich ein definitives Auslaufen der Zusammenarbeit zu Ende 2022 besprochen worden.“„Das ist nicht richtig“, erklärt Farhad Payar. „Die Absage der weiteren Förderung kam per Mail am 19. Mai 2022“. So blieb nicht viel Zeit, um eine Anschlussförderung aufzutreiben. Ihm sei zudem mündlich mitgeteilt worden, die Iran-Strategie der Stiftung habe sich verändert. Was das genau bedeutet, weiß Payar nicht. Trotz allem: Die Böll-Stiftung hat die Arbeit des Iran Journal für viele Jahre ermöglicht. Das Team des Journal führte auch Gespräche mit der Konrad-Adenauer- und der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Adenauer-Stiftung habe gar kein Referat, das sich mit dem Iran beschäftige, und die Naumann-Stiftung könne nur einzelne Projekte fördern, so begründeten sie ihre Absagen.Seit Anfang des Jahres versucht das Team nun über Crowdfunding, die journalistische Arbeit mithilfe einzelner Fördermitglieder fortzuführen. Für die Übergangszeit sichert die Schöpflin-Stiftung zwei Monate lang die Finanzierung, bis Ende Februar. Die Crowdfunding-Kampagne wird unter anderem von der Schauspielerin Jasmin Tabatabai, der Politikerin Nargess Eskandari-Grünberg und der Journalistin Natalie Amiri unertstützt, aber auch von Plattformen wie Krautreporter und Netzwerk Recherche. Bis Mitte Februar sind 160 Förderer*innen zusammengekommen, 440 weitere brauchen Farhad Payar und sein Team, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Sicher ist: Unabhängige Berichterstattung über den Iran durch erfahrene Journalist*innen ist wichtiger denn je.