Aperitif im Sonnenschein

Die Wetterfee Warum trinken sich Aperol Sprizz oder Weißweinschorle im Sommer besonders leicht? Weil es geselliger und der Alkohol somit salonfähiger ist, meint unsere Wetterfee
Aperitif im Sonnenschein

Illustration: Otto

Die Großwetterlage ist wieder einmal ernüchternd: Bis Redaktionsschluss war unklar, ob der Sommer sich für dieses Jahr noch bemüht oder seiner Pflicht gleich ganz fernbleibt. Das bekommen auch die Bierbrauer zu spüren. „Das Wetter ist und bleibt Hauptfaktor für Bierverkäufe der deutschen Brauwirtschaft“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes kürzlich die Halbjahreszahlen des diesjährigen Bierverkaufs. Sind Juni und Juli verregnet, verkauft sich Bier nur schwer. Das wissen nicht nur Brauer und Kellnerinnen. Warum aber trinkt sich im Sommer Alkohol überhaupt so leicht?

Nicht, dass es im Winter keine Aperitifs gäbe, doch mit Bier oder Weinschorle wird bei Sonnenschein unbeschwerter der Feierabend willkommen geheißen. Ein Aperitif, das ist Sonnenuntergang, leichte Brise und das entsprechende Getränk dazu. Diese Assoziation hat zuerst einmal damit zu tun, dass der Aperitif aus dem Süden kommt, wo sich die Sonne nun mal öfters zeigt. In Italien etwa, wo der Aperitivo angeblich herkommt, oder in Spanien, wo dazu Tapas gereicht werden.

Die einen mögen es als Mode belächeln, andere sehen es als unverzichtbares Sommerritual. Selbst in einem verregneten Sommer wie diesem wird mit Aperitifs gegen die Enttäuschung rebelliert: Man sieht Frauen, die demonstrativ in Sommerjupe und mit Freundin in der Gartenkneipe irgendeinen Sprizz trinken (um sich beim ersten Regentropfen doch fluchend ins Trockene zu begeben).

Aperitif, das heißt je nachdem: Aperol Sprizz, Weißweinschorle mit erlesenen Oliven oder schlicht Bier und Chips – schlimmstenfalls Rosé mit Salzfischchen. Jedenfalls draußen muss man trinken. Bei Sonnenschein. Mit Freunden. Und wenn es nicht die Freunde sind, so sind es all die anderen Gleichgesinnten, die heute des Wetters wegen draußen ihr Glas heben. Das gilt besonders für die Massenveranstaltungen, die vorwiegend im Sommer stattfindet.

Das gemeinsame Trinken verbindet, und so wird das Glas schneller wieder nachgefüllt. Es bleibt die Erkenntnis: Draußen hat Alkohol einen anderen Aggregatzustand als drinnen. Der Aperitif in der Sonne wirkt geselliger und macht so den Alkohol salonfähiger, als es ein einsames Bier im Januar in einem schummrigen Kneipenkeller je könnte. Im Sommer verschiebt sich daher auch die persönliche Sperrfrist, das erste Bier des Tages zu trinken, gerne mal um zwei Stunden nach vorne. Die Wetterfee meint: Ein Bier vor vier bei Nebel geht nimmer, bei Sonne aber allemal.

Denn nicht die Dunkelheit legitimiert offensichtlich das Trinken, sondern das gemeinhin als „fröhlich“ anerkannte Sommerwetter. Da trinkt man sich ja nicht in die Depression, sondern feiert den schönen Tag – und wechselhaftes Wetter liefert dafür die Begründung: Wer weiß schon, wann der nächste schöne Tag kommt. Wenn man die Feste feiern soll, wie sie fallen, ist es auch in Ordnung, bereits nachmittags um 15 Uhr das erste Bier zu öffnen. Außerdem löscht gerade dieses den Durst, den das heiße Wetter mitbringt. Jeder Sommer, ob verregnet oder heiß, hat dabei seine Hits. Einst waren es Caipirinha und Mojito, 2010/11 machte Aperol-Sprizz den Sommer, in diesem Jahr munkelt der Süden des Landes von Hugo (Prosecco mit Holundersirup, Limetten und Minze auf Eis), während der Norden noch immer bei Moscow Mule sitzt.

Die Bierbrauer übrigens lassen sich von dem bisher verregneten Sommer nicht sonderlich beeindrucken. Vielleicht auch, weil sie wissen, dass dieser Sommer meteorologisch ein durchaus normaler ist. Wir leben ja auch nicht am Mittelmeer, sondern werden von der nordatlantischen Klimaschaukel in Mitleidenschaft gezogen. Dennoch hat auch der Sommer hierzulande noch eine letzte Chance mit den Hundstagen: Zwischen dem 23. Juli und dem 23. August ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass eine stabile sommerliche Hochdrucklage die meisten heißen Tage am Stück bringt.

Solange sich die Hundstage nicht einstellen und die Bierbrauer beglücken, dürfte sich aber die restliche Wirtschaftswelt freuen: Sobald die Sonne nämlich scheint, werden die Menschen unpünktlicher, wie eine Studie belegt. Mit einer Ausnahme: Zu ihrem Aperitif schaffen die meisten es dann immer noch pünktlich.

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