Beeinflusst das Wetter unsere Laune wirklich?

Die Wetterfee Gina Bucher beantwortet in einer neuen Kolumne alle Fragen rund ums Wetter. Zum Auftakt geht sie der Vorstellung nach, gutes Wetter sei eine Art natürliches Prozac
Beeinflusst das Wetter unsere Laune wirklich?

Illustration: Otto

"War doch ein guter Sommer?", meint die Freundin. "Naja", meine ich zögernd. Wir sind bereits tief im Herbst, der Federweiße vor uns beweist es, die vergilbten Blätter des Sommers kleben an unseren Schuhen. Die Freundin will meine Zweifel nicht verstehen und erläutert, wie toll sie diesen Sommer doch fand. Endlich befreit vom ewigen Zwang, in der Sonne glücklich sein zu müssen! Nein, dieser Sommer, sei schlicht ein ganz guter gewesen, zumindest in ihrem Sinn.

Nicht alle Menschen missverstehen das Wetter als natürliches Prozac, und doch bestimmt das Wetter unweigerlich unseren Alltag; auch wenn sich die wenigsten von uns als Bauern und Bäuerinnen um die Feldbestellung kümmern müssen, sondern im Büro von einer Klimaanlage erwartet werden. Es schreibt uns aber noch immer vor, für welche Kleidung wir uns morgens entscheiden – die Mode gibt dem Wetter-Diktat einzig noch einen guten Schnitt und etwas Farbe mit. Das Wetter gibt vor, ob wir besser mit Sandaletten oder Stiefel, kurz- oder langärmlig durch den Tag gehen. Das Wetter macht die Wetterfühligen unruhig, die Allergiker zeitweise unglücklich. Das Wetter bestimmt unseren Menüzettel, serviert kalte Suppen in der Hitze und Eintöpfe bei Kälte. Ja selbst beim Abendprogramm redet das Wetter mit: draußen oder drinnen?

Je nach psychologischer Disposition, siehe oben, übt das Wetter eine mehr oder minder starke Macht über uns aus, verstärkt es unsere gute oder schlechte Laune. So das gängige Klischee.

Stimmt nicht, sagt Jaap ­Denissen, Juniorprofessor für Persönlichkeitsentwicklung der Humboldt-Universität Berlin. Zwar halte sich das Klischee hartnäckig, doch ­zusammen mit anderen Wissenschaftlern hat er anhand von ­Tagebüchern und Wetterdaten herausgefunden, dass das Wetter unsere Laune kaum beeinflusst. Sie untersuchten in Deutschland und soeben auch in Holland, ob sechs Wetterparameter – Temperatur, Windstärke, Sonnenlicht, Niederschlag, Luftdruck und Tageslänge – einen positiven oder negativen Effekt auf die ­Laune haben, und wie sie die ­Müdigkeit tangieren.

Die Zahlen widersprechen dem Klischee

Das Resultat erstaunte auch ihn, schließlich gehöre er zu jenen, die bei Sonnenschein gefühlt bessere Laune haben. Als Wissenschaftler aber, der den Zahlen vertraut, kann er dies nicht bestätigen. Wohl gebe es offenbar Wettertypen, sogenannte „bedeutsame Untergruppen“, die angaben, auf das Wetter zu reagieren (oder eben nicht). Allerdings, so ­Denissen, muss dieser Zusammenhang wissenschaftlich noch nicht einmal absolut sein, es könnte ja auch sein, dass sich jene Personen generell mehr draußen aufhielten. Höchstens die Sonne entscheide über allfällige Müdigkeit.

Damit relativieren sich auch die fest etablierten Kategorien der Wetterfeen und -frösche, die regelmäßig „gutes Wetter“ oder eben „schlechtes Wetter“ ankünden. Streng genommen also ist das Wetter weder gut noch böse, beziehungsweise entscheidet das jeder für sich selber. Und genau diese eigenen Interpreta-tionen machen das Wetter zum Gesprächsstoff an allen Ecken des Alltags: Kaum ein Tag vergeht, ohne dass man mit mindestens einer Verkäuferin, einem Nachbarn oder Kollegen das Wetter kommentiert hätte. Nicht wenige meinen dabei, das Wetter korrespondiere mit ihrem Seelenzustand.

Entsprechend uneinig verbleiben die Freundin und ich an diesem Abend. Während erstere sich in der Bilanzierung des Sommers in der Minderheit und ich mich in der Mehrheit wähne, beweist der Federweiße, dass zumindest nach biologischen Kriterien der hiesige Frühling ein besonders warmer war: Die Weinlese des Neuen Weins nämlich hat an manchen Orten viel früher als üblich begonnen. Das schmeckt, da sind wir uns einig.

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