Einsamer Weiberabend

Rituale Tja, jetzt haben Frauen Sex wie Männer ... : Samantha und Co. von "Sex and the City" leben im Happyend, die Zuschauerinnen in Nostalgie. Macht das noch Spaß?

"Nee, einzig dass Catrall andauernd sagt, sie nehme alles in den Mund, ist bei denen Sex", meint der Sechzehnjährige mit pomadiger Beckham-Frisur, während er gelangweilt vor dem Kino steht. Sein ebenso junges Date weiß nichts zu kontern und lässt sich zu einem 3D-Streifen überreden. Sex and the City, ob Serie oder Kinofilm, sieht man sich das noch an? Jenes Unterhaltungs-Phänomen, das es einst gar als salonfähige Variante des gelebten Feminismus in die Feuilletons schaffte?

Nach der TV-Serie nun also der Film, sogar schon der zweite – der Sex and the City-Komplex befolgt alle Regeln der klassischen Verwertungskunst und macht damit, glaubt man den Zahlen, immer noch ordentlich Kasse. Den nun zweiten Kinofilm sahen alleine am Startwochenende über eine halbe Million deutsche Zuschauer. Ein Erfolg nicht nur für die darin präsentierten Modelabels sondern vor allem für den US-Fernsehanbieter HBO, der den Film zur bisher erfolgreichsten Kinoauswertung einer TV-Serie machte.

Was sich unterdessen bereits Zwölfjährige auf Großleinwand ansehen, war noch für deren Mütter, die diese zum deutschen Serienbeginn 2001 eben noch gewickelt hatten, Avantgarde. Die Aufregung um die Serie war trotz kritischer Stimmen groß. Endlich eine Serie, in der die Frauen laut sagten, was sie bisher (angeblich) kaum zu denken wagten – so lautete damals der Grundtenor zu Sex and the City. Neben den Töchtern (in deren Reihen sich nur vereinzelt auch ein Junge findet) sitzen unterdessen Mittdreißigerinnen, die sich die Serie aus Gründen der Nostalgie ansehen, wie mir eine durchaus aufgeklärte Freundin erklärt. Denn, doch, die Serie sei eben schon gut – wenn auch gewesen. „Aber Sex and the City, das war doch … weißt du noch?“

Phänomen mit Vergangenheit

Klar weiß ich noch. Das war nach 9/11 als vier Frauen aus New York für Furore sorgten, weil sie es öffentlich!, im Fernsehen! wagten das Wort „Schwanz“ in den Mund zu nehmen. Freilich nicht nur das Wort, die Serie war gespickt mit eindeutigen Szenen und Vorschlägen für Bikinifrisuren. Während 94 dreißigminütigen Folgen handelte das Quartett in zwar amerikanischer wenngleich frecher Manier diverse Sparten als Disziplinen des Mann/Frau-Verhältnisses ab. Die Serie, einer animierten Frauenzeitschrift ähnlich, erschreckte auch den einen oder anderen Mann mit absurden Trennungsgründen wie Impotenz (Charlotte) oder zu kleinem Glied (Samantha).

Klar weiß ich noch. Das war, als auch beherrschte Freundinnen verwegene Details ihres Sexuallebens preisgaben und man unter Druck kam, es ihnen gleich zu tun. Das war, als die Vorlauteren harmlose Romanzen zu tollkühnen Affären aufbliesen und wilde Erzählungen ebensolche blieben. Und das war, als sich eine Freundin errötend schmeicheln ließ, als ihr einer erklärte, sie erinnere ihn an Samantha. Das war, als es plötzlich einen Begriff für tratschende Frauen gab, die zu ihrem Bedürfnis nach Luxus und Sex stehen. Das war aber auch, als Sex and the City zum Synonym für Weiberabende wurde, zu denen man lieber nicht geladen gewesen wäre; als die Abende langweiliger wurden, weil die Jungs nicht mehr ins Wohnzimmer der WG kamen. Was blieb war die Rhetorik, die Faust, die auf den Tisch haute und meinte „auch wir dürfen das“. Das wussten zwar bereits unsere Mütter, doch redeten die wohl nicht ganz so laut darüber – oder zumindest nicht mit ihren Töchtern.

Rahmenhandlung hinter den überfüllten Kleiderschränken sind Carries Kolumnen, in denen sie Grundsatzfragen nachgeht, die sich auf der Suche nach der Liebe und in dem Bewusstsein um den kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau einmal stellen. Sie changierten von allen Varianten des Datens über One-Night-Stands zu Hochzeiten und tangierten dabei den eigenen oder fremden Babywunsch und die Lust und den Frust der Karriere. Nachdem ein für allemal die zentrale Frage geklärt war, dass – ja natürlich! – eine Frau Sex haben kann wie ein Mann, konzentrieren sich die beiden Kinofilme auf familiäre Werte – schließlich sind diese das Kerngeschäft von HBOs Serien-Portfolio. Doch, unter dem schicken Kostüm sexualisierter Dialoge lauert die ganz normale Familie.

Die (bezeichnenderweise unausgesprochene) Frage lautet nun: Wie weiter nach dem Happyend? Alle sind sie nun mehr oder weniger versorgt, wechseln aus Mutterliebe den Job, langweilen sich in der Zweierkiste und halten sich künstlich jung. Einzig Samantha bleibt ihrem Single-Leben treu – aber sie ist ja eigentlich auch ein Kerl. „Write gay, cast straight“, so analysierte das Stephan Wackwitz neulich treffend in Der Welt. Da ist er sogar mit Alice Schwarzer einig, die wetterte, die Serie entspränge einer schwulen Männerphantasie. Selbst Samantha widerspricht dem nicht, wenn sie in einer Folge flötet: „Gay men understand what’s important – clothes, compliments, and cocks.“

Vorspiel ohne Nachspiel

Handlung ist im zweiten Kinofilm nicht mehr, aber das Quartett ist ja auch im Happyend angekommen. Stattdessen gibt es nach wie vor üppig Kleider, Glitzer und Schuhe à discretion. Entsprechend ist der Ausflug in die Dekadenz des Nahen Ostens nicht etwa Ausdruck kultureller Gegensätze, sondern schlicht Mittel zum Zweck: New York tauge nach der Finanzkrise als Kulisse für Luxus nicht mehr, meinte der Regisseur Michael Patrick King in der Zeitschrift Gala.

Eigentlich schade, denn statt dem Ausflug in die Dekadenz hätte es jetzt, wo es sich die Damen im Happyend bequem machen, interessant werden können. Während die vier auf der Leinwand ihren Traummann suchten, fanden, wieder verließen oder aufgaben, ist auch vor den Bildschirmen so einiges passiert. Seither sind die Alphamädchen aufgekreuzt, hat Maria Sveland mit Bitterfotze schonungslos den Familienalltag beschrieben und haben die Feuchtgebiete der Vulgärsprache das Flair genommen. Seither ist Sex and the City auch nicht mehr ganz so provokativ. Offensichtlich wird das spätestens dann, wenn die Zwölfjährigen im Kino laut „Nein“ kreischen, als Carrie ihrem Mann von ihrem Kuss mit dem Ex gestehen will. Selbst im Happyend hört das Tauziehen nicht auf.

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