In die Gänge gekommen

Bequemer Alltag Waschen ist nicht Frauen- oder Männersache. Oder? Unsere Autorin blickt in die Vergangenheit und stellt fest: Früher, vor der Maschine, war die Sache eindeutiger

Wer macht die Wäsche? Was noch vor 50 Jahren simpel mit „die Hausfrau“ beantwortet wurde, ist heute zu einer komplexen Frage geworden. Trotz fortgeschrittener Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sowie vollautomatischer Waschmaschine, die mittlerweile in beinahe allen Haushalten steht, löst dieses Thema Konflikte aus. Fragt man WG-Freunde oder Pärchen, die ihr Zusammenleben als gleichberechtigt-demokratisch bezeichnen würden, sind die Antworten ambivalent, wenn auch auffallend geschlechtsneutral.

Es gibt jene, die selbst nach langjähriger Beziehung auf getrennten Waschkörben bestehen, weil eine gemeinsame Wäsche zu intim wäre oder der eine mit dem Stil des anderen, die Wäsche zusammen zu legen, unzufrieden ist. Manche trauen dem anderen nicht zu, die Wäsche nach Farbe zu sortieren und einen entsprechenden Waschgang auszuwählen. Und es gibt Menschen, die mit dem Aufhänge-Stil ihres/r Liebsten oder ihrer Mitbewohner nicht einverstanden sind. In einigen Haushalten ist die Wäsche reine Männer-, in anderen Frauensache.

Von Hand geschrubbt

In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wäre noch niemand auf die Idee gekommen, die Wäsche getrennt zu waschen. Ohne einen Waschvollautomaten war Waschen anstrengende Arbeit. Damals hat mitunter einen Tag gedauert, was heute in etwa 120 Minuten erledigt wird. Wer das nicht erlebt hat, kann sich kaum mehr vorstellen, wie unsere Großmütter sich abmühten.

Neben der „kleinen Wäsche“ (die die Hausfrau sowieso regelmäßig zu bewältigen hatte), gab es einmal im Monat die „große Wäsche“. Dieses äußerst mühsame Unterfangen wird von Zeitzeugen als spektakulär beschrieben: Was heute verhältnismäßig kleine, wenn auch nicht weniger kompakte Maschinen schaffen, erledigte damals eine Waschküche, inklusive einer ganzen Familie – wenn auch die Frauen am meisten damit beschäftigt waren.

Wurzelbürste und Waschzange, Kernseife und Schmierseife wurden bereit gelegt; Wasser wurde in schweren Eimern angeschleppt und bereits am Vorabend wurde die weiße Wäsche in Bottichen über Nacht eingeweicht. Wasser wurde sparsam verwendet, es musste für mehrere Waschgänge reichen. Waschen allein war noch handhabbar, sehr mühsam wurde das Spülen und Auswringen der Wäsche. Schließlich musste alles von Hand geschrubbt und gewalkt werden.

Zwar gehörten Wäscheschleudern bald zur Infrastruktur eines Haushalts, doch erst in den fünfziger Jahren kamen in Deutschland die Waschmaschinen auf den Markt.

Beworben wurden die Wundergeräte mit Slogans wie „Kluge Frauen lassen für sich waschen“. Obwohl es an solchen nicht mangelte, verbreitete sich die Waschmaschine nicht so rasant wie man annehmen könnte. Denn die meisten Haushalte investierten zuerst in Unterhaltungs- statt in Haushaltsgeräte. In den zwanziger Jahren setzte sich das Radio gegen die praktische Backröhre durch; in den sechziger Jahren wurde der Fernseher vor der Waschmaschine angeschafft.

Diese Prioritäten in den Kaufentscheidungen beschreiben auch die sozialen Strukturen der Familien: Zwar war die Waschmaschine 1960 eine Erleichterung, doch half sie „nur“ der Hausfrau, während der Fernseher für die gesamte Familie der Anschluss an und das Fenster zur Welt war.

Bereits vor der elektrischen Waschmaschine gab es mechanische Versuche, die Wäsche zu waschen. Der Pionier der Waschmaschine, die später von Amerikanern patentiert und in Serie hergestellt wurde, war ein Geistlicher aus Querfurt. Der deutsche Pfarrer Jacob Christian Schäffer publizierte 1766 unter dem umständlichen Titel Die bequeme und höchstvortheilhafte Waschmaschine – wie solche in den damit gemachten Versuchen bewährt gefunden und damit dieselbe umso sicherer und nützlicher gebraucht werden könne hin und wieder abgeändert und verbessert worden eine Mixtur aus Verkaufsprospekt und Gebrauchsanweisung für seine Rührflügelmaschine. Das aus Holz gebaute Gerät (ein Waschzuber, der auf einem Waschwerk sitzt) gilt als Vorgänger der Waschmaschine – dabei wollte der umtriebige Theologe ursprünglich Papier herstellen.

Heiß und ohne Seife

Nicht nur an den Maschinen wird bis heute getüftelt, auch an den Waschmitteln. Bevor Tenside und schließlich Enzyme ihre Wirkung entfalteten, machte die so genannte Rasenbleiche die Wäsche weiß und kämpften Salz, Asche aus Holz, Soda, Kalk und Talg gegen den Schmutz.

James T. King, der 1851 die Zylinder-Waschmaschine erfand, die die Zirkulation von Dampf und heißem Wasser nutzte, beschrieb diesen Schmutz als „Gemisch, das von öligen, klebrigen Partikeln oder Gemüseresten zusammengehalten wird und an dem Gewebe haftet“. Nur Waschen helfe dagegen, dies bedeute „Auflösung dieses Zusammenhalts“.

Die Maschinen von heute brauchen weniger Wasser und laufen mit niedriger Temperatur. Sie werden aber häufig falsch bedient: Die meisten Menschen verwenden eine zu hohe Waschmittel-Dosis.

Vernon Schmidt, seit Jahrzehnten Mechaniker für Haushaltsapparate in Indiana, beschreibt in seinem Ratgeberbuch Appliance Handbook for Women: Simple Enough Even Men Can Understand einen einfachen Test: Man solle fünf Minuten lang sechs Kleidungsstücke ohne Seife heiß waschen. Entsteht im Wasser Seifenschaum oder auch nur ein Seifenfilm, habe man bei den vorherigen Waschgängen zu viel Waschmittel verwendet. Das geschieht Frauen genauso wie Männern.

≫Dies ist der letzte Teil einer losen Reihe, konzipiert von Gina Bucher, in der die Autorin erzählt hat, wie sich unser Alltag durch Haushaltsgeräte verändert meist revolutioniert, selten verkompliziert hat. In kleinen Essays stellte sie dar, was man mit diesen Geräten tun oder auch lassen sollte. Alle Teile der Serie finden Sie unter

freitag.de/bequemeralltag

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