Gefahren und Nutzen sozialer Netzwerke

Shitstorm Soziale Netzwerke können außergewöhnliche Hilfsbereitschaft und außergewöhnlichen Hass erzeugen

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Hätte man früher bei dem Begriff soziales Netzwerk an die gute Hausgemeinschaft, die Nachbarn, Verwandte oder Freunde aus dem Sportverein gedacht, so denkt heute selbstverständlich jedermann an Facebook, Twitter und Co. Insofern ist der Begriff äußerst positiv besetzt, und so positiv sehen die Netzwerke auch die meisten User, die sich in dieser digitalen Welt zuhause fühlen.

Von anderer Seite werden eher die Probleme oder auch Auswüchse der neuen sozialen Netzwerke in den Vordergrund gestellt. Das reicht von der aus dem Ruder gelaufenen Facebookparty, bei der die Gäste schließlich mit Polizeieinsatz vom Grundstück vertrieben werden müssen über sogenannte Shitstorms bei Twitter bis zu wirklich gravierenden Vorfällen, wie dem Mordverdacht gegen einen 17-jährigen in Emden, der zunächst zu einer gnadenlosen digitalen Hetze und dann sogar zu einem Mob führte, der sich ganz real vor dem Polizeirevier versammelte, in dem der Verdächtige vernommen wurde. Dass dieser sich später als erwiesenermaßen Unschuldiger herausstellte, macht die Sache schlimmer. Im Kern aber ist es egal, ob ein Internet- oder später sogar realer Mob, einen Schuldigen oder einen Unschuldigen belästigt. Solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt er als unschuldig und genießt wie jeder andere Bürger den Schutz des Gesetzes und seiner Privatsphäre.

Ganz aktuell und um so traumatischer im Gedächtnis ist der Amoklauf von Newtown, bei dem ein 20-jähriger 27 Menschen getötet hat, darunter viele Kinder in einer Grundschule. Auch hier kursierte nach einem Bericht der FAZ stundenlang ein falscher Tätername samt Link zum Facebookprofil durch die Medien. Es handelte sich um den älteren Bruder des Täters, der durch den Amoklauf die eigene Mutter verloren hat.

Ein anderes Beispiel aus Holland berichtet von einem Mord, den Minderjährige wegen Gerüchten in Auftrag gaben, die das Mordopfer über Facebook gestreut haben soll.

Dies sind nur einige sehr unterschiedlich gelagerte Beispiele, wie sich Social Media Aktivitäten aufschaukeln, verselbstständigen und jeden gesetzlichen Rahmen sprengen können. Woran liegt das und was muss getan werden?

Antwort aus der Politik?

Medienkompetenz fördern“ ist die so richtige wie hilflose Reaktion quer durchs deutsche Parteienspektrum, wenn es um den Umgang mit den sozialen Netzwerken geht. Wie aber sollen Lehrer und Pädagogen die Kompetenz im Umgang mit Medien schulen, die sich schneller entwickeln als irgendein Pädagoge in der Lage ist Konzepte auszuarbeiten, geschweige denn, die notwendige Kompetenz beim Lehrpersonal herzustellen? Sicher, ein verantwortungsbewusster Umgang mit eigenen und fremden Persönlichkeitsrechten lässt sich unabhängig vom Nutzerverhalten im Einzelnen vermitteln. Aber wie es dann in den Netzwerken tatsächlich „abgeht“ davon machen sich weder Pädagogen noch einzelne User noch unsere gegenwärtigen Politiker einen Begriff.

Hinzu kommt eine riesige Diskrepanz zwischen deutschen oder europäischen Datenschutzvorstellungen und denen in den USA, wo die meisten Betreiber sitzen.

Was also ist zu tun?

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Nutzen und das Recht der Bürger, sich in sozialen Netzwerken im Internet einzubringen, soll hier nicht in Zweifel gezogen werden. Sportgruppen organisieren ihre Kommunikation problemlos über geschlossene Facebookgruppen. Studenten organisieren Mitfahrgelegenheiten auf noch nie da gewesene, günstige und effektive Weise. Soziales, gesellschaftliches Engagement lässt sich in noch kaum gekannter Effektivität kommunizieren und zeitigt erstaunliche Ergebnisse. Die Positivbeispiele ließen sich nahezu unbegrenzt fortsetzen und natürlich sind sie der überwältigend große Anteil bei der Nutzung sozialer Netzwerke.

All das darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass es gefährliche Formen der Persönlichkeitsrechtsverletzung in sozialen Netzwerken gibt und die Maßnahmen der Betreiber, solche Auswüchse zu verhindern, kaum greifen. Jeder User muss sich bewusst machen oder es muss ihm bewusst gemacht werden, dass er für den einfachen Zugang zu sozialen Netzwerken und den dort gebotenen Möglichkeiten im Moment mit der Aufgabe seines informationellen Selbstbestimmungsrechtes bezahlt. Die Daten die er dort preisgibt sind das Pfund mit dem die Betreiber wuchern. Und einmal preisgegeben, sind sie kaum zurück zu holen.

Ein anderes Problem ist die scheinbare Anonymität, die immer wieder zu einem Userverhalten führt, das längst überwunden geglaubte antidemokratische und rechtsverletzende Verhaltensweisen zutage treten lässt, wie der ins wirkliche Leben gewechselte Mob vor dem Emdener Polizeirevier zeigt. Auch im Netz wird sich eine Kultur entwickeln müssen, die solchen Auswüchsen entgegen tritt und klarmacht, dass auch und gerade die Freiheit im Netz von rechtsstaatlichen Grundsätzen abhängig ist. Blogger in Russland, China oder dem Iran können ein Lied davon singen, sofern sie nicht im Gefängnis sitzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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