Legendäre Wiesn

Münchner Oktoberfest 2014 wird die Münchner Theresienwiese wieder in einen Ausnahmezustand versetzt

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Mag so mancher Neuling mit dem Begriff Wiesn noch nicht viel anfangen können, ändert sich dies rapide, wenn er sich das erste Mal mit Bayern beschäftigt. Denn dem Münchner ist es bitter ernst mit seiner Wiesn, auch wenn dort feucht fröhlich gefeiert wird. Nicht nur einen Tag strömt das Bier in vollen „Maßen“ 16 Tage wird gefeiert, geschunkelt – und geklaut.

Des einen Freud…

Ja geklaut! Für die einen ist das Münchner Oktoberfest (dieses Jahr vom 20.09 bis 05.10.2014) – liebevoll Wiesn genannt – ein Ort des Feierns und Geldausgebens, für die anderen ein Ort der vollen Brieftaschen. „Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt. Entschuldigung, das hab' ich mir erlaubt (Songtext Die Prinzen)“. Nach dieser Devise wird gehandelt, koste es, was es wolle, ein eventueller unfreiwilliger Zellenbesuch ist direkt inklusive. Zugegeben, solch ein Menschengetümmel muss für einen Taschendieb ein kleines Schlaraffenland sein, schließlich liegen genug Angetrunkene in den Ecken, die quasi freiwillig ihren Geldbeutel heraus rücken. Doch mit dem kleinen Ganovencharme aus fast vergessenen Filmen – einmalig Heinz Rühman in „Max, der Taschendieb“ – hat die heutige Taschendiebzunft nichts gemein.

Profit steht an erster Stelle – das erinnert einen an die Ferengi-Erwerbsregeln aus Star Trek. Um den Geldregen bestmöglich fließen zu lassen, werden Taschendiebnetzorganisationen ausgebaut und brutale Zugriffe ausgeweitet. Das Geld des Nächsten ist begehrt, jedes Mittel wird genutzt, auch vor behinderten Wiesn- Besuchern wurde letztes Jahr nicht halt gemacht. Taschendiebfahnder versuchen die Situation bestmöglich in den Griff zu bekommen. Sie sind ein Tropfen auf den heissen Stein, da immer häufiger Taschendieborganisationen aus anderen Ländern – ein Wohnort in Deutschland ist selbstverständlich nicht vorhanden – das Oktoberfest überschwemmen.

Ein Taschendieb ist ein eindeutiges Feindbild für jeden Wiesn-Besucher, doch auch der brave Ottonormalbürger wird zu einem Schlitzohr, wenn es darum geht, einen der begehrten Tischreservierungen in Wiesn-Zelten zu bekommen. Allzu gerne werden Sicherheitskräfte und Bedienungspersonal bestochen, damit diese „ein Auge zudrücken“ für den ersehnten Sitzplatz.

So mancher baut die Nummer aus und befindet sich auf der dunklen Seite der Macht; zu horrenden Preisen – 2000 bis 3000 Euro sind keine Seltenheit – werden im Netz Sitzplatzreservierungen verhökert. Wer hier eine reale Reservierung „kauft“, hat wenigstens noch ein Erfolgerlebnis, wenn er tatsächlich an seinem Platz sitzt, doch so mancher steht mit langem Gesicht vor dem begehrten Zelt; er ist einem doppeltem Betrug aufgesessen und hält eine völlig überteuerte, nicht vorhandene Oktoberfestreservierung in seiner Hand. Hackerzelt-Chef Toni Roiderer hatte letztes Jahr die Nase voll von Tricksereien in seinem Zelt. Er setzte Detektive aus München ein, um Betrügern auf die Spur zu kommen.

Fades Gschmackerl

Die Liste der Mauscheleien ließe sich noch weiter fortsetzen, selbst Taxifahrer machen mit. Das Oktoberfest muss jedes Jahr mit einem faderen Beigeschmack leben; mit dem ursprünglichen Gedanken des Volksfestcharakters hat das heutige künstlich stilisierte Wiesn-Abenteuer nichts mehr zu tun – was sehr schade ist. Doch die Theresienwiese ohne Oktoberfest – das möchte sich kein Münchner vorstellen müssen. Ganze 14 Mal ist die Wiesn bisher ausgefallen, sei es durch Kriege oder durch Cholera-Epidemien. Der für die Feiernden wohl schlimmste Ausfall war 1923 und 1924, als die Hyperinflation den Magistrat der Stadt München zur Absage des Wiesn-Festes zwingt.

Das wird wohl dieses Jahr nicht passieren und so kann nach dem Anstich des ersten Fasses durch den Oberbürgermeister nur noch gesagt werden: "O'zapft is". In diesem Sinne – guten Durst!

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