Praktiker, gehen dir bald die Lichter aus?

Insolvenz Baumärkte und andere Kaufhäuser kämpfen ums Überleben. Währrenddessen steigen die Umsätze von Internet-Shops. Praktiker nutzt das wohl nichts mehr

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Praktiker, gehen dir bald die Lichter aus?

Screenshot: YouTube

Praktiker wollte schnell hoch hinaus. So war der Werdegang ab Gründungsdatum 1978 schon klar definiert; kleine Baumarktketten und recht unbekannte Baustoffhandlungen wurden aufgekauft und unter Praktiker neu eröffnet. Die Metro AG agierte im Hintergrund als zahlungskräftiger Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter. Doch 2005 beendeten Praktiker und die Metro ihre Allianz; Praktiker wollte im Alleingang an die Börse.

Da bekanntlich Konkurrenz das Geschäft belebt, jedoch zuviel Konkurrenz die eigenen Einnahmen minimiert, startete Praktiker einen Frontalangriff. „Hier spricht der Preis“, war ab 2006 der Slogan von Praktiker, und dieser Spruch wurde regelmäßig Programm. 20% auf alles außer Tiernahrung, wurde dem kaufwilligen Kunden regelmäßig versprochen. Kunden sind lernfähig, ganze Wunschlisten wurden im eigenen Heim aufgestellt, was denn an Werkzeug so alles benötigt wird. Pünktlich zur nächsten Rabattaktion konnte sich der Praktiker vor einkaufswilligen Kunden kaum retten. Aber leider auch nur dann. In der restlichen Zeit waren die Regale oft mit Ware überfüllt, doch die Gänge, in welchen sich potentielle Kundschaft tummeln sollte, gähnend lehr.

Der Koloss schlingert

Am 10. Juli 2013 kam es dann zum großen aber vorhersehbaren Knall, das Unternehmen gab an, überschuldet und zahlungsunfähig zu sein und stellte am 11. Juli einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Hamburg. Gewarnt worden ist der Baumarkt schon recht früh, was seine Verkaufsstrategie anging; das Geschäft mit derartigen Rabattaktionen zu sanieren, wäre utopisch, hieß es. Nach zähem Ringen ließ sich Praktiker auf ein geändertes Sanierungskonzept ein. Doch der Frühling 2013 änderte alles, bedingt durch einen langen Winter und einen verregneten Frühling, ging der Konzernumsatz im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 10 Prozent auf 570 Millionen Euro zurück. 118 Millionen Euro Verlust wurden verzeichnet. Um zu retten, was nicht mehr zu retten war, kehrte Praktiker zur 20 Prozent Rabattaktion zurück. Doch es war zu spät. Wie Erivan Haub, Chef des Konzerns Tengelmann sagte, „ist der Drogenabhängige gestorben. Man muss immer mehr geben, damit man einen Kick hat. Wenn der Preis das einzige Mittel ist, dann ist das der Tod."

Leichenfledderei

Nun setzt das unausweichliche Feilschen um Gläubiger, Mitarbeiter, Standorte und die Beantwortung der Schuldfrage ein. Doch letztlich wird auch hier sichtbar, dass unendliches Wachstum nicht möglich ist und auch in der Frage des Schuldenmachens das Rad nicht neu erfunden wird. Zusätzlich ist der Verbraucher nicht dumm, er kauft dort, wo Qualität, Preis und Service stimmt. Doch inzwischen ist dies splittbar. So werden Informationen zu Produkten im Geschäft geordert, doch Online-Auktionshäuser dienen zum Kauf, schließlich können sie das gewollte Produkt um einiges günstiger anbieten.

Laut Statista geben 41% der Befragten an, erst im Baumarkt die Ware zu begutachten und dann im Internet zu kaufen.

Dieser Trend ist nicht nur im Baumarktsegment zu beobachten, flächendeckend steigen die Umsätze von Internet-Shops. Alleine die Anzahl der eBay-Auktionen ist laut auktionsmonitor.info im Dezember 2012 im Gegensatz zum Dezember 2010 fast um das Doppelte gestiegen. 2010 gab es 39,75 Millionen Auktionen, 2012 waren es 69,10 Millionen. Praktiker nutzt dieses Wissen wohl nichts mehr. Doch andere Großkonzerne könnten lernen. Wenn sie wollen.

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