Powerfrauen-TV

MEDIENTAGEBUCH So herzerweichend ist der Mythos von der ehrlichen, durch nichts zu erschütternden, aber mitunter sehr rauen Männerfreundschaft selten inszeniert ...

So herzerweichend ist der Mythos von der ehrlichen, durch nichts zu erschütternden, aber mitunter sehr rauen Männerfreundschaft selten inszeniert worden. Wenn das Handy klingelt und sein Freund mit ihm reden will, bricht Jan de Fries, Professor der Meeresbiologie (Heiner Lauterbach) seine Lehrveranstaltung ab. Seine Studenten lässt er im Regen stehen: Ich habe Besseres zu analysieren. Dirk Hansen, diplomierter Schiffsbauer mit proletarischer Ader (eine Rolle, die Heinz Hoenig wie eine zweite Haut sitzt), revanchiert sich. Er unterstützt seinen Freund auch handgreiflich, wenn es sein muss. Er fährt mit dessen Erzfeind Helge Lührs (Michael Mendl) an den Stadtrand und tut, was Männer im Film eben so tun, wenn Dinge ein für alle Mal geklärt werden sollen.

Die Programmverantwortlichen des ZDF zogen im telegenen Geschlechterkrieg Zwei Asse und ein König aus dem Ärmel: In dem Dreiteiler durften Heiner Lauterbach und Heinz Hoenig vorführen, wie Männerseilschaften funktionieren und welche Rolle Frauen dabei zugedacht ist. Tröstliche Gewohnheiten werden im Film verabreicht: Das Familienepos spielt im hanseatischen Großbürgertum, wo man Geld hat und nicht darüber redet. Lauterbach (im richtigen Leben engagierter CDU-Wahlkämpfer) spielt im Film den Erben einer Werft, einen aufrechten Moralhüter, der weiß, wie sich echte Freunde gegenseitig versorgen. Auch wenn man sich dabei mal die Hände mit Schwarzgeld schmutzig macht. Ein bekanntes Muster. Dass die Filmfigur Dirk Hansen dem besten Freund schon mal die Fresse poliert, wenn dieser mit seiner Geliebten schläft, gehört zum guten Ton und ist männlich-sexy, wie der Regisseur Bernd Fischerauer offenbar suggerieren will. In Zwei Asse und ein König bevorzugen - wohlgemerkt - positive Identifikationsfiguren diese einfachen, klaren Lösungen der Konfliktbewältigung: Aufklärer von Umweltschweinereien und Frauenlieblinge, nicht die Bösewichte.

Frauen spielen in diesem Film Nebenrollen, die so angelegt sind, als seien sie dazu geboren, zu verzeihen. Was passiert, wenn die Liebhaberinnen solch toller Kerle sich nicht in diese archaisch männlich dominierte Kultur einfügen, wird im Film drastisch vorgeführt. Jans schwangere Freundin Corinna (Claudine Wilde) erwartet am Ende ein brutaler Tod. In diesem Familienepos geht es zu wie in jedem konventionellen Western: Helden sterben in richtigen Männerfilmen nie. Und: Sie dulden keine emanzipierten Frauen neben sich, die sie aus dem Mittelpunkt der Filmhandlung verdrängen. In die Dialoge schleicht sich bisweilen militärischer Jargon ein. Heinz Hoenig, diese Inkarnation des Proleten, brüllt freudig "Attacke", wenn eine Frau mit Blumenstrauß zum Verzeihen genötigt werden soll.

Die Geschlechterrollen sind auch im Unterhaltungsgenre im Wandel. Nur, der neue Mann ist der alte. Als Pendant zur filmischen Laudatio auf den Raufbold, gibt es beim ZDF neuerlich sogenannte "Powerfrauenfilme": Zum Beispiel Frauen lügen besser mit Natalia Wörner oder Zimmer mit Frühstück mit Senta Berger. Die "Powerfrauen" in solchen Filmen verfügen allerdings selten über rebellische Wesenszüge. Vielmehr passen sie sich reibungslos in jene gesellschaftlichen Nischen ein, die ausschließlich mit opportunistischem Geschlechterrollen-Verständnis zu besetzen sind. Die zeitgemäße weibliche Heldin stiftet den neuen, alten gesellschaftlichen Konsens: Sie kommt aus gutem Hause, ist attraktiv und vor allem unkompliziert und naiv.

Michael Verhoevens Fernsehkomödie Zimmer mit Frühstück präsentiert Powerfrau-Typ a: Senta Berger kultiviert in der Rolle einer Endfünfzigerin Girlie-Attitüden, hüpft - hurtig, hurtig - mit einem dreißigjährigen Saxophonisten ins Bett, klimpert mit den Augen im Turbotempo, als könne sie sich auf diese Weise wieder ins Teenager-Alter zurückversetzen, und gründet eine Wohngemeinschaft mit netten jungen Studenten. Ansonsten Schema F: Geld hat man, es muss nicht erarbeitet werden. Zum ausschließlichen Lebensinhalt erhebt die einstige biedere Ehefrau und Mutter, von ihrem Gatten schmählich verlassen, die Suche nach einem neuen Lebenspartner.

Powerfrau-Typ b (Frauen lügen besser) weist eine Besonderheit auf: Es gibt ein Erwerbsleben für Frauen. Natalia Wörner macht in Vivian Naefes Fernsehfilm als soziale Aufsteigerin Anna Furore. Ein gängiges Muster im deutschen Fernsehfilm: Frauen verzichten darauf, eigene Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen und dürfen zur Belohnung für ihre Anpassungsfähigkeit Karriere machen. In sanft plätschernden Dialogen verdreht Anna Brechtsche Zynismen wie "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" zum Credo. Der Witz der Geschichte: Eine Verlagslektorin produziert literarischen Nonsens à la Hera Lind und wird befördert.

Einheitsbrei wälzt sich flach über den Bildschirm. Männliche Filmfiguren sind zunehmend o-beinig mit geballten Fäusten auf dem Bildschirm zu bewundern, frei nach der Cowboy-Devise "Gewalttätigkeit ist schick". Auch in öffentlich-rechtlichen Sendern sinken die Hemmschwellen. Ob dies damit zu tun hat, dass es seit dem militärischen Einsatz im Kosovo-Krieg eine neu erstarkte gesellschaftliche Akzeptanz für Gewalt gibt, die in alle Kulturbereiche dringt? Und gilt Männerkumpanei nicht von jeher als Symbol für unsentimentale Kapitalanhäufung? Parallel dazu schreitet die Infantilisierung der Frauen im Fernsehfilm unaufhaltsam fort. Hervorstechende Charaktermerkmale der Trendsetterinnen: Ausgeprägter Unterordnungsgeist, Verweigerungshaltung gegenüber altersgemäßer Reifung.

Eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Regel: die ARD-Serie Julia - eine ungewöhnliche Frau mit Christiane Hörbiger (Buch: Peter Mazzuchelli, Regie: Gero Ehrhardt). Sie tritt als eine Frau auf, die realitätstüchtig ihr Leben meistert. Gatte Arthur geht fremd, aber Julia hat Besseres zu tun, als ihrem Mann nachzuweinen. Sie ist Richterin, hat Enkel, die sie beim Frühstückstisch über die demokratische Errungenschaft des Grundsatzes "in dubio pro reo" aufklärt. Sie flirtet souverän, ohne das Objekt ihrer Begierde gleich als "Mann für's Leben" in Besitz nehmen zu wollen. In der deutsch-österreichischen Koproduktion erbringt Hörbiger den Beweis, das eine reife Frau auch ohne alberne Jugendrituale zu kopieren, attraktiv sein kann. Wer hätte das gedacht, nicht nur die Herren mit den grauen Schläfen, die ja immer in den besten Jahren sind, Höhen und Tiefen des Berufs- und Privatlebens aus dem FF kennen, können interessant sein.

Fragt sich nur, warum in neudeutschen Fernsehspielen zumeist die infantilisierte Frau und der Macho Hochkonjunktur haben? Soll hier etwa ein reaktionärer gesellschaftlicher Trend, Frauen aus dem Berufsleben wieder heraus zu kicken, positiv verstärkt werden?

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