Der Barde, der Bundestag und die Volkskammer

Wolf Biermann Vom klampfenden Revolutionär, ahnungslosen Parlamentariern und roten Socken

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Die Partei "Die Linke" ersetzt mit ein paar Abwandlungen schon seit geraumer Zeit die nicht mehr vorhandene oder in die vollkommene Bedeutungslosigkeit verschwundene Linke innerhalb der SPD und ersetzt somit gewissermaßen klassische sozialdemokratische Positionen. Sie ist im Grunde längst eine bürgerliche Kraft, auch wenn aus strategischen Gründen dies nicht immer durch die Partei so kommuniziert wird. Sie ist keineswegs eine Gefahr für die Republik, wie regelmäßig kolportiert wird.

Die nun schon seit mehr als zwei Jahrzehnten anhaltende und immer wieder mal aus der Mottenkiste herausgekramte "Rote-Socken-Kampagne" erinnert immer mehr an den stumpfsinnigen Antikommunismus eines Silvio Berlusconis, den der ehemalige Ministerpräsident immer dann parat zur Stelle hatte, wenn ihm sonst nichts mehr einfiel, mit dem er seine eigene sonstige politische Einfalls- und Ideenlosigkeit überdecken konnte - wenn man von seinen intriganten scharmützelhaften Trickkiste zum Vertuschen, Überdecken oder Ablenken seiner zahlreichen Skandale und Skandälchen mal absieht, die lediglich seinen auf Machterhalt um jeden Preis ausgerichteten Opportunismus widerspiegelten, welcher keinerlei Rücksicht auf die Nöte und Leiden der Bürger nahm.

Nicht anders in Berlin. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Antworten der großen Koalition sind - es war im Grunde auch nicht wirklich anders zu erwarten - ein schauderhafter zusammengewürfelter Policy-Mix aus neoliberalen Versatzstücken, ein paar zugestandenen Häppchen für die Klasse der lohnabhängigen unteren Mittelschicht und ein paar Brosamen für die Empfänger von Transferleistungen, denn mehr läßt dieser Policy-Mix auch nicht zu - ansonsten: Business as usual!

Da kommt der Gedenktag zum Mauerfall ja gerade recht, an dem man in einer Gedenkstunde in gelber, schwarzer, grüner und roter - oder besser gesagt - roserner Eintracht den vielleicht größten gemeinsamen politischen Gegner vereinigt denunzieren darf. Aber keine Sorge! Unsere Volksvertreter haben somit auch in ihrer Gedenkstunde an den Tag des Mauerfalls ihre Lektionen nicht verlernt und wissen was den modernen Medienpolitiker ausmacht: Die medial geschickte Inszenierung, welche schon an die nächste Wahlkampagne und die zu ergatternden Stimmenanteile gleich mitberücksichtigt. Wie schön also, dass den Bürgern gerade an einem solchen Tag vor Auge geführt wird, mit welcher Inbrunst der Verantwortung der gemeine Parlamentarier einen solchen Tag begeht.

Eines sollte dabei klar sein: Die Frage nach dem Sinn und Zweck von Gedenkstunden und Gedenktagen außen vorgelassen, gerade ein deartiges Verhalten ist geradezu das genaue Gegenteil eines würdigen Gedenkens zum Tag der Einheit. Der jammernde Pathos eines Wolf Biermann gegen die bösen linken Kräfte der vermeintlichen SED-Nachfolgerin und die dazu applaudierenden Parlamentarier im Bundestag, lassen tief blicken, welche naive Vorstellung vom Zustand der demokratischen Konstitution des jetzigen Staates in ihren Köpfen herrscht. Ein solches Szenario lässt auch erahnen, welche Schwarz-Weiss-Malerei die politische Kultur in den ehrwürdigen Gemäuern bestimmt. Der Zweck heiligt hier schlichtweg die Mittel.
So sehr man mit Freude und Innigkeit an die Wiedervereinigung denken sollte, so sehr sollte das Ende der DDR eine Warnung und Mahnung für die dieser Schmierenkomödie Beifall zollenden Parlamentarier sein, rechtzeitig und schnell die Zeichen der Zeit zu erkennen, die den Zustand unserer jetzigen Gesellschaft charakterisieren. Doch von alldem verspürt man bei den Parlamentarien in der Regel wenig bis nichts. Ist es Ahnungslosigkeit? Und nebenbei: Wurde die Volkskammer eigentlich niedergesungen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Giuseppe Navetta

Dipl. Sozialökonom/Sozialwirt

Giuseppe Navetta

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