Ideologie ist eine notwendige Form weltanschaulicher und politischer Kommunikation. Menschliche Kreationen, Artefakte aller Art, können nicht ohne Gestalt in die Welt. Was ohne Gestalt* ist, ist nicht. Genauso könnte man sagen, dass die politische Auseinandersetzung, die Kommunikation um Interessen, ihre Durchsetzung, um gesellschaftliche Bestandssicherung oder Veränderungen, nicht anders als in ideologischer Form geführt werden kann. Gesellschaftliche Diskurse finden im Medium der Ideologie oder gar nicht statt. Ideologie ist ihre Gestalt, wenngleich nicht ihr Inhalt! Der bleibt allerdings von seiner ideologischen Erscheinungsgestalt nicht ganz unbeeinflusst!**
Nun gibt es Gestalten des Kitsches, des Stylings und Gestalten der offen gezeigten praktischen Funktionalität. Der Kitsch ist eine Gestalt des Sebstbetrugs, das Styling eine des bewussten Betrugs an anderen, die funktionale Gestalt eine offene Ansage zu Zwecken und Absichten.
Da man gesehen hat, dass buchstäblich jede Formalgestalt, auch die klassisch-funktionalistische Dekorlosigkeit, zu einem dekorativen Styling umgewidmet werden kann, müssen wir nun auch sehen, wie jede ideologische Gestalt, also jedes Ideologem, in einem eben nicht offenen funktionalen, also aufrichtig interessengeleiteten, sondern in einem täuschenden, manipulativen oder auch illusionären Sinn benutzt werden kann. Dazu bedarf es nichtmal einer oder nur einer geringfügigen Modifizierung der Inhalte, sondern eher einer Art Bricolage, also einer Neukombinierung von Versatzstücken.
Täuschung und Manipulation sind Taktiken einer zielgerichteten, aber verdeckten Interessenverfolgung, die Illusion dementsprechend ein Zeichen einer Selbsttäuschung, eines Verstoßes gegen die eigenen Interessen. Beide sind meist in symbiotischer Verschränkung anzutreffen. Die ideologische Funktionalgestalt unterscheidet sich vom ideologischen Styling oder vom Weltanschauungskitsch durch ein ihre populistischen und simplifizierenden Tendenzen unterlaufendes Mindestmaß an Dialektik!
Doch zurück zu der These, ein jedes Ideologem, zu verstehen als weltanschaulicher Inhalt in einer ideologischen Form, könne zu quasi jedem manipulativen oder illusionären Zweck umgenutzt werden, auch wenn der Zweck scheinbar dem weltanschaulichen Restinhalt diametral entgegensteht.
Dazu ein paar Beispiele.
Antikapitalismus in seiner historisch-dialektischen, analytischen Form ist offen funktional und dient progressiven, emanzipativen sozialen Interessen. Antikapitalismus in manipulativ-täuschender Form, wie etwa im Faschismus oder dem sich selbst so bezeichnenden "Nationalsozialismus" (selbstredend auch in der aktualisierten Form als "Nationaler Sozialismus") ist eine gezielte Strategie der manipulierenden Motivation von Massen, gegen ihre ureigenen Interessen zu handeln, jedenfalls nicht emanzipativen, sondern Herrschaftsinteressen zu dienen.
Der NS-Antisemitismus, der natürlich nicht ohne den mit ihm verbundenen illusionären Antikapitalismus als sein Katalysator zu denken ist, ist ein Beispiel für die Symbiose von manipulativer und illusionärer Ideologie. Die, die ihn propagieren, setzen ihn kühl kalkulierend instrumentell ein. Die, die ihn auszuagieren haben als politische Gewaltpraxis der faschistischen Herrschaftssicherung, hängen ihm dumm und fanatisch an. Vergessen werden dürfen aber auch die nicht, die den Antisemitismus als Herrschaftsideologie nicht propagieren, ihm auch nichtmal anhängen, aber am meisten von ihm profitieren: das Kapital, das sich auch durch ihn aus einer tiefen Krise retten konnte.
Die Akzeptanz der manipulativen ideologischen Form bei denen, deren Interessen diese nicht wirklich bedient, macht sie zur illusionären Form. Manipulativ oder illusionär antikapitalistische Ideologeme gibt es natürlich noch in vielfältig anderer, sprich esoterischer, romantischer oder sonstwie retrospektiver Form.
Ziemlich auf den Hund gekommen ist die Ideologie des Antifaschismus. Jeder ist ein glühender Antifaschist, und die Faschisten sind die anderen. Die, die am bittersten beklagen, das andere mit der Nazi-Keule auf sie einschlagen, schwingen sie selbst am wildesten. Jüngstes Beispiel: Volkstribun Jebsens Nazi-Verdikt über Jutta Ditfurth. Die "Junge Freiheit", Le Pen, alle haben mit Faschisten nix am Hut - und nennen diejenigen Faschisten, von denen sie sich "in die rechtsextreme Ecke" gestellt fühlen.
Weitere Beispiele von willkürlich benutzten Ideologemen sind:
p.c. und anti-p.c.
Wissenschaftsskepsis und -euphorie
Pazifismus und Bellizismus
Individualismus und Kollektivismus
Umweltschutz
Tierschutz
Anti-Islamismus
u.v.a.m.
Der Anti-Antikapitalismus der Neo- und Ordoliberalen ist offen interessenfunktional, also "ehrlich". Der Anti-Antikapitalismus wiederum derer, die im Antikapitalismus aus tendenziell nationalistischer Israelparteilichkeit oder schwärmerischem Philosemitismus prinzipiell einen "strukturellen Antisemitismus" sehen wollen, ist illusionär-kitschig. Wie immer spielt auch hier die Kitsch-Ideologie der konservativ-funktionalistischen oder manipulativ kalkulierten Ideologie in die Hände.
Ein sehr prägnantes Beispiel ist natürlich der Nationalismus. Ein historisierender Begriff der Nation sieht den Nationalstaat als eine historisch angemessene, notwendige politische und gesellschaftliche Form, einerseits die Weiterentwicklung der menschlichen Produktivkräfte und Vergesellschaftungsformen zu ermöglichen und andererseits vor dem Hintergrund bestimmer Interessen Herrschaft und Beherschtsein zu organisieren. Der Nationalstaat bietet dem „Früh“-Kapital, das sich bis dahin mühselig auf Pferdefuhrwerken und Segelschiffen zwischen lokalen Kontoren und globaler Verwirklichung bewegt hatte, nun eine über seine ursprüngliche Akkumulation hinausgehende bzw. diese fortsetzende Homebase. Die Arbeiter werden in diesem Rahmen als überregional mobiles, von allerlei hinderlichen lokalen Bindungen befreites Arbeitskräftereservoir vorgehalten und können sich so erstmals als Klasse konstituieren.
Beide, die Kapitaleigner wie die Arbeitskrafteigner, sind im Nationalstaat wie das Huhn im Ei. Sie drängen ins Offene, ins Internationale, ins Globale. "Die Arbeiter haben kein Vaterland.", so steht es im Kommunistischen Manifest. Diese bei Marx und Engels proto-ideologische, weil auf Analyse beruhende, nüchterne Aussage wird von vielen Seiten angegriffen. Manipulativ-demagogisch von denen, die die Arbeiter für ihre national definierten Interessen benutzen wollen, illusionär von den Arbeitern, die sich in eine Konkurrenz mit Arbeitern anderswo auf der Welt drängen lassen, und von denen, die in der Nation eine anti-kapitalistische bzw. anti-globalistische Schutzmacht sehen. (Ein paar rechte und auch "linke" Unterschichtverächter brabbeln da auch noch mit.)
Die Ideologie der Propagierung des Nationalstaats, der Nationalismus, hat progressive funktionalistische Gestalt, solange das selbstbestimmte Nationbuildung eine historisch progressive, weil gesellschaftlich weiterentwickelnde Bedeutung hat. Auch der gegenwärtige russische Nationalismus hat nach den Erfahrungen der neunziger Jahre etwas von dieser historischen Legitimität. Doch das Reaktionäre ist immer schon mit angelegt. Der zivile bürgerliche Staat als Rechtsstaat garantiert Grund- und Menschenrechte, die für die Entwicklung der Kräfte, die über ihn und seine kapitalistische Verfasstheit hinaustreiben, existenziell sind. Genau deshalb werden sie ja auch (wie gegenwärtig nicht nur in Russland), wenn es mit dem Darüberhinaustreiben brenzlig zu werden droht, zuverlässig ausgehebelt. Zu den Techniken des Aushebelns gehört der Schachzug, in solchen Situationen an der Nationalstaatlichkeit nicht mehr das zivile, grundrechtliche Moment, sondern das Moment des „nationalen“ Zusammenhalts zu betonen. Realiter wird damit die Interessenvertretung der einen zum nationalen Verrat stilisiert und als solcher verfolgt, damit die Interessen der anderen gewahrt werden können.
In reaktionär funktionalistischer Gestalt erscheinen die nationalistischen Inhalte, wenn sie etwa zum Kommuniziern der Interessen einer nationalen Kapitalfraktion gegen andere solche benutzt werden (wie 1914). Und sie haben illusionäre Gestalt, wenn sie von denen angenommen werden, die sich für sie in einem Krieg für die Interessen der anderen verheizen lassen.
Hundert Jahre später ist es teils noch so wie 1914, wenn nationale Kapitalfraktionen ein größeres Stück vom globalen Kuchen wollen (russischer Oligarchenkapitalismus, EU-Kapital, das sein Heil nicht mehr in der transatlantischen Alianz findet). Und sie hat einen noch viel reaktionäreren Charakter, wenn sich defacto seit langem global strukturiertes Kapital daran macht, seine Gegenmacht, das global schuftende lohnabhängige Proletariat und die über das Kapitalverhältnis längst hinausdrängenden produktiven Kräfte (z.B. die kollektiv vernetzten Entwickler und Anwender modernster Kommunikationstechnologien) in nationale Grüppchen aufzuteilen und gegeneinander auszuspielen, in dem die drohenden Krisenerscheinungen als von einem nationalen Außen (die angloamerikanische "Weltherrschafts"-Macht) hervorgerufen und von einem dagegen gesetzten nationalen Innen (wahlweise ein endlich "souverän" gewordenes Deutschland oder ein "Europa der Nationen" oder, recht verschwommen, das Abendland) abwehr- und lösbar dargestellt werden.
Die konservativen Teile der Mittelschichten, die ihre Sicherheiten im Beharren auf das verlustig zu gehen drohende Bestehende suchen, brauchen den Nationalismus als eine ( illusionäre) Palisade um ihre gefährdeten Pfründe. Die, die solches aus einer Anti-Haltung gegenüber dem globalen Kapital propagieren bzw. mit dieser reaktionären, kulturalistisch bemäntelten Haltung Bündnisse einzugehen bereit sind, tun dies in einer illusionären ideologischen Form, in Symbiose mit der manipulativen Form, und spielen damit dem offen nationalistischen Oligarchenkapitalismus, dem manipulativ patriotischen und letztlich auch dem offen globalistischen Kapital in die Hände.
* Gestalt darf hier nicht einfach nur als visuell wahrnehmbare physische Gestalt verstanden werden.
** In seiner ideologischen Gestalt ist der Inhalt natürlich immer auch mehr oder weniger tendenziös, populistisch, simplifizierend...
*** Kapital ist abstrakt und kann schon deshalb nicht „national“, also auf etwas lokal begrenztes zu beziehen sein. Mit „Kapital“ sind hier eigentlich Gruppen von Kapitalinhabern gemeint.
Kommentare 72
Ich stimme Ihrer Analyse zu, mit einer Ausnahme (oder: Kritik meinerseits). Es ist zu sehr auf den Kapitalismus konzentriert, als Ausgangspunkt oder Grund aller echten und gespielten Ideologien. Nicht nur Kapitalismus kann an sich "gute" oder "unbefangene" Ideologies benutzen. Damit meine ich nicht nur vor-kapitalistische materielle Begierden (Feudalismus, Stammeskämpfe), sondern auch andere Beweggründe des Menschen. Viele Sekten-Bewegungen propagieren Ideologien wie "Güte" oder "Nächstenliebe", ihr Ziel ist eine geistige Unterwerfung anderer - nicht unbedingt eine materielle.
Zweitens, selbst wenn so manche Ideologie vom Kapitalismus ausgehend missbraucht wird, geht diese dann weiter in seiner Zerstörung als man irgendeine positive Rendite erwarten könnte: Siehe Nazi-Deutschland oder PolPots Kambodscha. Ab einem gewissen Zeitpunkt war die Aussicht auf materiellen Überschuss kaum noch da - und man hat dennoch weiter gemacht. Ähnlich jetzt im Ukraine-Krieg: Im Kampf um Donbass ("Antiterror-Kampf" vs. "Antifaschistischer Kampf") ist - egal wie es ausgehen sollte - materiell jetzt schon mehr verloren als noch zu gewinnen wäre...
Danke für den klaren Text, Goedzak.
Mich hat er motiviert, das Buch der französischen Marxkennerin und-herausgeberin Isabelle Garo De l'Idéologie (2009, La Fabrique) heraus zu kramen. Sie zeigt den sich verändernden Ideologiebegriff bei Marx auf und besteht auf seiner Verbindung mit der Dialektik:
Ohne zu einer eindeutigen Definition zu kommen, aber auch ohne auf den Begriff und das von diesem abgeleitete Vokabular zu verzichten, identifiziert er eine komplexe ideologische Funktion. Diese ist politischer Natur und konstitutiv für jede ökonomische und soziale Formation, die auf Herrschaftsverhältnissen beruht und ohne Unterlass das nicht zu Rechtfertigende rechfertigen muss. Nicht mehr als bei Arendt wird der Begriff Ideologie zum Synonym von "Weltanschauung" im allgemeinen, aber Ideologie enthüllt sich als Ort ständigen Kampfes, durchwirkt von den realen Widersprüchen, die sich in spezifischer Form manifestieren. Der Begriff Ideologie gewinnt dabei die Bedingungen seiner möglichen und notwendigen permanenten Aktualisierung, ohne eine universelles Analysemuster zu liefern... Die Benennung eines Diskurses als "ideologisch" im marxistischen Sinne hat als Spezifikum, dass sie ständig die Position des Benennenden be- und hinterfragt...
Sie fährt fort:
Eine solche Ideologiekritik zielt auf alle Thesen, die die Allmacht einer herrschenden Ideologie bekräftigen, der es endlich gelungen sei, ihre täuschende Maske auf das Gesicht der Geschichte zu kleben. Gemäß dieser scheinbar ultrakritischen Thesen ist jeder globale politische Kampf von vorne herein verloren. Nur winzige Widerstände seien möglich, singuläre Abweichungen von der Norm. Was bleibt sei wieder einmal die Denunziation der Massen, die zu dumm seien, den Warenmärchen zu glauben.
Die reine Feststellung der ideologischehn Funktion reicht nicht, so Daro.
Die Kritik der verstärkten Ausbeutung der Arbeitenden und ihre Legitimierungen, die Kritik der herrschenden Ideen und ihrer sozialen und politischen Funktion, die Kritik der Entdemokratisierung, der kapitalistischen Umleitung des Wissens, der Erziehung, der Kunst, alle diese Kritiken sind nichts anderes als wirkliche Kämpfe inklusive des Bewusstseins von diesen Kämpfen.
Und damit sind wir bei der alten marxschen Aufhebung der Waffen der Kritik durch die Kritik der Waffen.
Der Begriff Ideologie wird für mich mit der Institutionalisierung des Internet wieder aktuell. Es scheint aber ungemein schwierig, in einer scheinbar virtuellen Welt, in der alles gleich gültig ist, den 90 Prozent Unsinn (in unterschiedlichen Abstufungen), dessen ideologische Funktion evident ist, irgendetwas Bleibendes entgegensetzen zu können. Was die Massen angeht, bin ich nicht so optimistisch wie die Autorin. Als entlarvter "Antideutscher" sowieso nicht.
Naja, Goedzak, ich würde nicht so hochgehängt mit "Antifaschismus", "Antikapitalismus" oder "Nationalismus" das Thema "Ideologie" präsentieren, um darüber zu diskutieren. Sicher gehört dazu auch die Form, die Janto Ban weiter oben schon kritisch betrachtete. Sätze, die sich wie Mäander, nahezu ohne Ende, vom Berg ins Tal winden, könnten durchaus eine ideologische Funktion haben. Sie könnten der Verschleierung dienen. Gerade in der deutschen Philosophie-Geschichte ist diese Art zu schreiben ein scheinbarer Ausweis tiefgründigen Denkens schon immer gewesen.
Ich habe folgende Frage an dich: Gibt es überhaupt Aussagen ohne Ideologiegehalt. Konkreter: Gibt’s es Aussagensysteme ohne Werturteile?
Die Marxsche Formulierung vom "falschen Bewusstsein" hat immer noch seinen Platz.
Wenn über Ideologie( gr. "Idee" und "Lehre") gesprochen wird, ist immer der historische Bezug für mich sinnvoll. Die in Frankreich vertretene Wissenschaftsrichtung für die praktische Erziehung der Menschen im 18. Jahrhundert (Ideologen) erfuhr eine Abwertung als Ideenlehre, die eine verbleibende negative Konnotation hinterließ.
Marx hat anschließend mit dem ideologischen Überbau und dem Klassenbewusstsein neue Verbindungen zur Ökonomie und Macht verknüpft und den Begriff damit inhaltlich geprägt.
N. Luhmann dazu: "..ein Denken ist ideologisch, wenn es in seiner Funktion, das Handeln zu orientieren und zu rechtfertigen, ersetzbar ist."
Sorry bitte einklappen, der Kommentar war noch im "Entwurf".
Danke
Ausgehend von: „Ideologie ist eine notwendige Form weltanschaulicher und politischer Kommunikation“ würde ich den Begriff dann ausschließlich in dem von Marx bereiteten Umfeld behandeln: die Marx'sche Formulierung, vom "falschen Bewusstsein" hat dann weiter ihre Berechtigung.
Wenn über Ideologie( gr. "Idee" und "Lehre") gesprochen wird, ist auch der historische Bezug der Entstehung und Verwendung für mich sinnvoll. Die in Frankreich vertretene Wissenschaftsrichtung über die praktische Erziehung der Menschen im 18. Jahrhundert (Ideologen) erfuhr eine Abwertung als Ideenlehre, die eine verbleibende negative Konnotation hinterließ.
Marx hat anschließend mit dem ideologischen Überbau und dem Klassenbewusstsein usw. neue Verbindungen zur Ökonomie und Macht hergestellt und den Begriff damit inhaltlich geprägt.
Wenn Ideologie zugespitzt als „Herrschaftsideologie“ bezeichnet wird (was ich befürworte), dann dienen die weiter im Text zur Stützung dieses Konstruktes genannten Begriffe wie Täuschung, Manipulation, Taktiken, Gewalt die eigentlichen Zielobjekte der Betrachtung, die es zu beleuchten gilt. Da ließe sich mit Gustave Le Bons „Psychologie der Massen“ beginnen und die weiteren Erkenntnisse der Psychologie über die Beeinflussung der menschlichen Psyche erweitern.
Die Unterstützung der Herrschenden (die den Rahmen und die Bedingungen bestimmen) durch Intellektuelle und deren Benennung wäre nützlich, wie auch gewisse bekannte Organisationen, die das jeweilige Machtgefüge stützen.
Also weniger interessant ist für mich eine bestimmte Ideologie, sondern die Mechanismen, die eine Ideologie überhaupt erst durchsetzbar macht und dann dauerhaft stabilisiert.
"Wenn Ideologie zugespitzt als „Herrschaftsideologie“ bezeichnet wird (was ich befürworte)...".
Warum Ideologie von vorneherein als Herrschaftsideologie eindampfen? Damit mache ich schon den übernächsten Schritt, ohne den Ideologiebegriff eingegrenzt zu haben. Denn Herrschaftsideologie hat eine politische Komponente. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass dieser Begriff Ideologie per se transportiert.
"Denn Herrschaftsideologie hat eine politische Komponente."
Doch wohl eher grundsätzlich eine soziologische. Und nicht jede soziologische Komponente ist eine politische, auch wenn sie sich politisch auswirken kann. Nicht wahr, Messer sind nicht zwangsläufig zum Töten da, man kann sich auch damit rasieren.
Das mit dem Messer stimmt. Somit könnte man dieses als ideologiefreies Artefakt identifizieren, denn Goedzak sagt ja: "Menschliche Kreationen, Artefakte aller Art, können nicht ohne Gestalt in die Welt. Was ohne Gestalt* ist, ist nicht."
Ob soziologisch oder politisch, das ist so eindeutig nicht. Die soziologische Sichtweise ist eher eine Draufsicht, die politische eine eher handlungsorientierte Sicht. Da gibt es sicher Überschneidungen, denn ein marxistischer Soziologe etwa wird in seinen Analysen sicher eine politische Grundhaltung einbringen, die seine wissenschaftlichen Erkenntnisse unter Ideologieverdacht geraten lassen könnten.
Und wenn man beobachtet, in wieviel Ländern Europas Generalstreiks durchgeführt wurden, dann bleibe ich sprachlos, was Deutschland betrifft.
Danke für einen Denkanstoß in der Zeit zwischen den Jahren! Das Denken leidet gewiss nicht unter zwei, drei Sätzen, die etwas länger als gewöhnlich ausfallen.
Man kann Vernunft und Irrationalismus, Demokratie und Faschismus im Sinne einer Dialektik der Aufklärung sehen als Teile eines falschen Ganzen (dem Kapitalismus), die einander wechselseitig bedingen.
Der Nationalismus war eine Ideologie, die der Integration der Arbeiter in Staat und bürgerliche Gesellschaft genau entsprach und darum in der krisenhaften Situation der 1920er/30er wirksam werden konnte, denn die Demokratisierung und die der breiten Bevölkerung eröffnete politische Mitbestimmung führte zur "Nationalisierung" der Massen, statt, wie die - ältere - Sozialdemokratie hoffte, zur Internationalisierung.
Während die marxistischen Sozialisten die Abschaffung des Kapitalismus nie aus den Augen verloren haben, verwendeten die National"sozialisten" ihren vorgeblichen Sozialismus nur mehr als Hülle, die man seines eigentlichen Inhalts entleeren und mit einer ganz anderen Substanz, dem Irrationalismus füllen konnte, als Wendung gegen die Aufklärung, als deutschnationalen Kampf gegen das "jüdische Weltwucherkapital".
Deutsche (und islamistische) Ideologen eint heutzutage wieder, daß sie ihre jeweiligen Nationen und deren Bevölkerung für fremdbestimmt und dunkelbösen Mächten ausgesetzt wähnen.
"Nicht allein die Unterdrückung der Erkenntnis dessen, was der Fall ist, entwickelt sich zum Problem, sondern ebenso die Übergegenwärtigkeit dessen, was auch der Fall ist. Das ist gut für den Markt, schlecht aber für das Bewußtsein.
Das menschliche Wissen setzt sich zusammen aus Begriffen, Bildern und Erzählungen. Glückliches Bewußtsein wäre wohl, wenn es das denn gäbe, so etwas wie eine Harmonie zwischen den Bildern, den Erzählungen, den Begriffen. Die eine Art, eine solche Harmonie anzustreben, kann man vielleicht »Weisheit« nennen. Die andere nennt man »Ideologie«".
Georg Seeßlen - Literatur-Konkret 2002, S. 20
Die FC? Die FC, ohne Quatsch. - Diese Frage wird den allermeisten hier geposteten Blogs bzw. ihren Autoren nicht gestellt, ist mir aufgefallen. Warum also hier? Ich schätze, auch du willst auf die Sprache hinaus. Hmm, ja, ich habs erstmal so recht spontan hingeschrieben. Wenn ich einen Lektor hätte, würde ich sicher per Überarbeitung noch einiges hinkriegen.
Ich kann aber auch anders, ehrlich! Wenn du es nicht glaubst, guck mal mein FC-Œuvre durch. :-)
So etwas dergleichen ging mir auch durch den Kopf beim Spazierengehen auf der verlinkten Seite.
Leider habe ich dein Posting nicht verstanden.
Das einzige, worauf ich eine halbwegs sinnvolle Antwort zu geben weiß, ist die Frage, ob Jutta D. vielleicht auch eine Volkstribunin wäre. Ich meine, nein, denn sonst würde sich der Begriff bzw. die Metapher in die Beliebigkeit auflösen. Dann wäre ich auch einer und du erst recht, der du ja viel, viel mehr Postings pro Zeiteinheit hier hast als ich. Ein Volkstribun kann ja nur sein, wer nicht nur in der Öffentlichkeit laut was zu sagen sich nicht enthalten kann, wie ich, du oder Jutta Ditfurth, sondern er muss ja auch ein Talent für’s „wie“ haben, z.B. nicht nur keine Angst vor Plattitüden haben, sondern solche ganz bewusst und geschickt einsetzen, was sich dann auch am Popularitätseffekt ablesen lässt wie bei Jebsen, neuestens bei Bachmann oder..., ach nee, das FC-Beispiel klemme ich mir mal jetzt...
> Meine „Unterschichtenverächtung“ durch Sprache
Naja, ich bin herkommensmäßig sowas von Unterschicht, das glaubst du nicht. Und ich habs auch gelernt! :-))
Versteht schon dein Anliegen. Aber einem lütten kleinen Blogbeitrag von einem lütten kleinen Plebsbengel als erstes vorzuwerfen, was er alles nicht leistet, bringt letztlich nicht soviel. Ist aber leider Internet-Foren-Usus, z.B. auch gegenüber der redaktionellen Postings hier. Es sind nur Zeitungsartikel, es ist nicht die Welterklärungs-Bibel, aber statt zu besprechen, was drin steht, wird gemosert über das, was fehlt... Ich bin ja skeptisch, ob überhaupt irgendein Jemand die große klare Ansage geben kann, die das große massenweise Heureka-Raunen nach sich zieht, welchselbigem dann die Massenbewegung in die richtige Richtung folgt. Der Volkstribun mit dem Herzen am linken Fleck und die linke BILD-Zeitung...? Siehst ja, was dabei raus kommt.
Die INSM hat immer so schöne, kurze, griffige, packende Formeln, weil sie schlicht und einfach lügen, dass sich die Balken biegen. Das was da am Hauptbahnhof in Berlin beim Betreten der Rolltreppen zu Füßen zu lesen war, verspricht denjenigen, für die die hohen Herrschaften besagter "Initiative" nichts als Verachtung übrig haben und mit deren Dummheit sie rechnen zu können glauben, haargenau das Gegenteil von dem, was sie wirklich wollen. Da kann man leicht "griffig" sein.
Individualismus / Kollektivismus
Ich gestehe, das war schon auch an deine Adresse gerichtet. :-) Die Polarisierung kann solchen und solchen Zwecken dienen, vor allem wenn sie beides als allgemeine Qualität ansieht. Du kämpfst für Individualismus, Kollektivismus hat für dich was mit „Sowjet“, „DDR“ oder „russischer Seele“ zu tun (noch’n paar Tips: Mao, PolPot, die Navy Seals...) Oder diese ganz besonders aparte Art von Kollektivismus, dieses ominöse All-Eine, in das alles wieder harmonisch verschwinden wird (oder so ähnlich)...
Naja, langer Rede kurzer Sinn: es hilft auch hier ein Prise Dialektik, der Gedanke nämlich, dass es keine Individualität ohne Kollektivität, und keine Kollektivität ohne Individualität geben kann. Wenn dieser Gedanke in beiden Fällen, einmal, wenn auf Indivualismus (individ. Freiheit, Rechtssicherheit, Selbstbestimmung, Sexualität...), ein andermal, wenn auf Kollektivismus (Solidarität, Gemeinschaftlichkeit, Gemeineigentum...) zu insistieren ist, im Hinterkopf bleibt, dann kann es was werden...
Jetzt ahne ich evtl. was... Aber zum "Antifaschismus" als ideologischer Form hab ich zumindest andeutungsweise doch was geschrieben.
Gern mitgelesen. Beitrag und Kommentare.
Du wirst doch nicht etwa wieder "müde"?
Ein paar Worte zum Nationalismus:
Ich glaube, dass der hin und wieder von Politik und Medien gehypte Nationalismus nur noch den Zweck hat, die National-Nostalgiker bei der Stange zu halten. Die Bürger werden zunehmend darauf vorbereitet, dass die essentiellen politischen Entscheidungen in Brüssel getroffen werden sollen. Und es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der globale Handel unabdingbar ist und Flexibilität und Opfer erfordert usw. Insofern wird für National-Nostalgiker nur das Allernotwendigste getan: 'Wir' sind Fußballweltmeister, Exportweltmeister und haben die „mächtigste Frau der Welt“ als Kanzlerin... Das muss ja wohl reichen... Und wenn es darum geht andere Staaten zu disziplinieren – wie z.B. Griechenland -, dann kann man das unterversorgte Nationalgefühl mal wieder richtig aufpumpen... Aber auch da ist der Zenit m.E. Überschritten... Selbst die rechten Macher von PEGIDA nennen sich Europäer!
Ich sehe heute eher das Problem darin, dass die Souveränität der europäischen Bürger – die eigentlich von ihren Abgeordneten in den Länderparlamenten ausgeübt werden sollen - an lobbyhörige Kommissare in Brüssel übertragen wird.
Um sich dagegen zu verwahren braucht es keinen Nationalismus, sondern man muss sich einfach nur auf die derzeitige Machbarkeit einer authentischen Demokratie besinnen - und die fängt ('unten') in den Kommunen an...
M.E. muss die Souveränität der europäischen Länderparlamente gegen eine Auflösung in einer europäischen Zentralregierung europaweit geschützt werden. Es mag irgendwann eine gesamteuropäische Demokratie möglich sein – zur Zeit aber,hätte eine Übertragung der Bürgerinteressen an die Kommissare in Brüssel verheerende kaum rückgängig zu machende Folgen.
Eine interessante Variante von "Ideologie" zeigt uns der Stubenökonom und IFO-Chef Hans-Werner Sinn in einem Artikel der FAZ vom 29.12. zu den Kosten der Migranten (er präsentiert natürlich negative Werte):
„Angesichts dieser Verhältnisse sollte nun endlich eine ideologiefreie und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebene Debatte über die Migrationspolitik beginnen.“
Welch´ spontaner Gedanke mir dabei durch den Kopf ging, behalte ich lieber für mich.
Wie orgenisiert wan (...) einen Raum (z.B. einen Staat), (...)
Es gibt (zumindest derzeit, aber wohl eigentlich überhaupt) kein "wan" oder "man", also kein homogenes Subjekt, dass von seinem Standpunkt aus einen solchen "Raum" organisieren könnte. Das ist leider nicht einer "Beantwortung" zuzuführen, die einen sozusagen erlösenden Aha-Effekt hätte. Du solltest dich von dieser Hoffnung verabschieden, sonst bist du anfällig für die "Beantwortungen" derer, die hier laufend mit ihren Ausrufezeichen auftrumpfen. Mir scheint, dass hier die seltsamen Allianzen zustande kommen, auch weil die einen so sehnsüchtig auf Antworten hoffen und die anderen so selbstsicher welche geben.
Was das Stichwort "Gewerk- und Genossenschaften" angeht, ja, die Gewerkschaften spielen auf politischer Ebene eine, ich sag mal defizitäre Rolle. Sie sollten sich nicht nur um den Erhalt von Arbeitsplätzen hier kümmern, sondern offensiv Allianzen eingehen mit den Gewerkschaften dort, wo die Jobs hingehen, bzw. mit aller Kraft helfen, dass dort Gewerkschaften entstehen.
Genossenschaften sind immer ein interessantes Modell. Wusstest du, dass es in den USA 47.000 Kooperativen mit rund 10 Millionen gibt? Daran sieht man schon, dass man deren revolutionäre Potenz nicht überschätzen sollte. Eine Genossenschaft bleibt innerhalb kapitalistischer Verhältnisse erstmal einfach ein Marktakteur. Nach innen kann man sicher etwas mehr "Utopie" verwirklichen, kooperative Arbeit, Verteilungsgerechtigkeit, Reinvestition statt Maximalprofit usw.
An der Stelle fällt vielen dann als Alternative, um den Marktmechanismen zu entkommen, nur noch "Subsistenz" ein. Das ist eine ganz große, wenn sie politische Wirksamkeit bekommt, auch gefährliche Illusion! Subsistenz als gesellschaftliche Programmatik führt zu Pol Pot und nirgendwo sonst hin.
"Mittelschicht" ist ein verschwommener Begriff, da muss ich dir recht geben. Als Mittelstand wird ja eine Unternehmergruppe, also eine Kapitalinhabergruppe, bezeichnet, die "mittel-"große Unternehmen betreiben, bei denen eine Personifizierung des Kapitals noch möglich scheint, und die eher noch als "nationales" Kapital angesehen werden kann, einfach, weil sie aufgrund der Größe eindeutiger zu verorten ist und mehr von nationalen Bedingungen abhängt.
Die "Mittelschicht" ist ja eher ein Wunschbild, alle wollen bzw. sollen nach Mittelschichtzugehörigkeit streben. Erreichen können soll man das mit mehr "Bildung" usw. dabei sind die meisten "Mittelschichtler" auch nur lohnabhängig, also schlicht - Proleten! :-) Das Schöne an dieser (lohnabhängigen) Mittelschicht ist, dass ihre Arbeitskraft eher noch nach Wert bezahlt wird. Aber auch hier gibt es längst die Lohndrückerei nicht wegen zu geringer Qualität des Angebots, sondern wegen zu geringer Nachfrage.
Die "Mittelschicht"-Utopie ist also auch ein Beispiel für ein manipulativ-illusionäres Ideologem.
Ihr könnt euch gern weiter stilkritisch hier äußern, man kann immer etwas lernen. Das Wort "Kitsch" im Text aber ist nur eine Art Metapher für Selbsttäuschung und Illusionnen im Unterschied zu Fremdmanipulation in der ideologischen Kommunikation.
I
Gut, finde ich, Ideologie zunächst einmal nicht negativ zu definieren, Goedzak
Sie ist notwendig, gerade wenn es um die Vermittlung der Absichten und ihre Überprüfung an und in der Praxis geht.
Selbstverständlich kann es nicht die eine Ideologie geben, was manche Kommunisten und Sozialisten immer noch fest glauben.
II
Der Kapitalismus, in Form des Kapitalismus ohne Adjektive, aber auch in seiner gemäßigten Form, des Rheinischen Kapitalismus und/oder der sozialen Marktwirtschaft, hatte seine stärkste Waffe immer darin, sagen zu können, er sei völlig ideologielos und berücksichtige nur die innere und natürliche Triebkraft der Individuen, ihre Natur und die Effektivität des Wirtschaftshandelns in den Gesellschaften, bzw. heute im globalen Maßstab.
Ideologielosigkeit sei also einer seiner Grundwerte an und für sich, mit dem massiv für den Erhalt des kapitalistischen Systems geworben wird. Die (kommunistische oder sozialistische) Ideologie als teuflisches Dogma bildet den mitgeführten Gegenpart in der Argumentation, zumal ja Marx/ Engels immer wieder und damit ehrlicher, betonten, dass ihre Vorstellungen nicht voraussetzungslos sind.
Mit dieser "Werbung" um die Ideologie der Ideologielosigkeit, verbunden mit dem schlechten und scheiternden Beispiel der verschiedenen Realsozialismen als politische Konkurrenz, konnte der Kapitalismus fast immer gewinnen.
Was aus Marxisten wird, die ja grundsätzlich Ideologie als Basis anerkennen, aber oft so tun, als hätten sie damit nur die Realität abgebildet, kann man an der Geschichte der Marxrezeption selbst ablesen.
Erst sehr spät konnte neben die Wucht des Kapitals und das kommunistische Manifestes, das in Wahrheit der wohl viel verbreiteter gelesene Text in der Welt ist, das Menschenbild aus den Frühschriften Marx´ oder auch die Mühen anderer kommunistischer und sozialistischer Theoretiker gesetzt werden. Da war es schon sehr sehr spät.
Noch viel folgenreicher wirkte sich aus, dass Dogmatiker dazu neigen, ihre System als geschlossen zu betrachten und Gegner "ausschalten". Es kann nichts anwachsen, was neu oder erstmals erkannt wird, bzw. muss, unter großen Mühen und Opfern in der Praxis und Theorie, das Neue passend gemacht werden. das delegitimiert schnell, gründlich und dauerhaft.
Dafür gibt es z.B. nun auch im globalen Kapitalismus gute Beispiele.
So behaupteten eine Zeit lang kapitalistische und ein paar verbliebene kommunistische Wirtschaftstheoretiker, man könne den Preis der Umwelteingriffe in die Produktpreise hineinrechnen und über die so erhöhten Konsum- und Produktionskosten die Nachhaltigkeit sichern.
Diese Methoden haben sich allesamt als Trugschlüsse erwiesen. - Die Zerstörung schreitet fort, auch wenn es bald keine Plastiktüten mehr gratis, vielleicht bald nur noch Jutesäcke und wieder das ausschließliche Mehrweg-System gäbe.
Bei der Energie hat z.B. die deutsche Wirtschaft, dazu noch politisch gefördert und kontrolliert, ihre Kunden mehrfach zur Kasse gebeten und trotzdem keine Nachhaltigkeit erreicht oder angestrebt. Nun wird sogar die Beseitigung der Schäden und Altlasten und der große Umstieg, weitestgehend aus Steuermitteln finanziert werden müssen.
III
Erschreckend, dass das Gespenst des Nationalismus wieder starken Zulauf erhält. Dabei vergessen die Reste der Kommunisten und Sozialisten gerne, die von Ihnen angeführte Geschichte des Internationalismus. In der Ukraine ersteht ja ein Nationalismus auf beiden Seiten neu, sowohl bei den prorussischen Separatisten, als auch bei den Ukrainern, der die materiellen Verluste und den allgemeinen Zerfall der Gesellschaft nur kaschiert.
Konservative oder Liberale fallen z.B. hinter die fortschrittliche und aufgeklärte Ideologie ihrer Sonntagsreden, bei denen sie sich mit Vorliebe auf Kant (Zum ewigen Frieden) oder gar Friedrich Nietzsche (Europäer und bedingter Pazifist, weil gegen den Krieg der Nationen, in Jenseits von Gut und Böse) beziehen oder sich irgend einer monotheistisch- theologische Brüder/Schwesterlichkeits-Begründung an Freitagen, am Schabbes oder am Sonntag anhören und anlesen, die sie am Werktag sofort wieder vergessen.
Sie nehmen nicht einmal die internationalen Abkommen ernst, die sie einst selbst mitunterzeichneten.
Wen man ersaufen lässt, dessen Würde und Leben hat man nicht gewahrt. Wessen Sprache und Kultur man unterdrückt, den behandelt man als Untermenschen. Wen man wegsprengt, auf Präsidialorder oder weil ein Kalif oder Anführer das sagt, dessen Grundrecht zu leben hat man nicht geachtet. Usw.
IV
Mir ist das sehr wichtig, dass Ideologien, politische, gesellschaftliche und kulturelle, formuliert und ausführlich in schriftlichen Dokumenten erfasst werden. Nur so lassen sich Ideologen prüfen, festnageln und an ihren eigenen Ansprüchen, Absichten und Vorschlägen messen. Das ist ein Fortschritt, der leider ebenfalls nun wieder vermehrt aufgegeben wird, weil sich "Bewegungen" bilden, die ihren Vorteil aus der Schwammigkeit und Auslegefähigkeit der meist nur telemedial vorgetragenen Formeln und Argumente ziehen und die demokratischsten Parteien der Welt im Grunde so aufgestellt sind wie bessere und schlechtere Vereine oder der ADAC.
Ein völliger Verzicht auf ausführliche, schriftliche Dokumentation, trifft auf fast alle Populismus- Bewegungen in Europa zu. Drastische Beispiele haben Sie ja angeführt.
Janto Bans Einwand, viele Menschen interessierten sich nicht für längliche Erklärungen und niedergelegte Argumente, ist sehr ernst zu nehmen. Möglichst keine eindeutige Spur zu hinterlassen, ist das Pfund, mit dem die Populisten versuchen geschmeidig zu sein.
Einzig mögliche Antwort: nur was ihre schwarz auf weiß und unterschrieben vor euch habt, kann in den Grundsatzfragen was taugen. Nur das ist in irgend einer Form messbar und überprüfbar. Verlasst euch auf die Schrift, denn da ist festgelegt, was sein soll, was nicht geht, was geglaubt und auch mit Gewalt durchgesetzt werden soll.
V
Über die klare Formulierung von Ideologien ergeben sich auch neue Bündnismöglichkeiten aus der eben nicht dogmatischen Erkenntnis, dass Menschen, trotz unterschiedlicher materielle und ideologischer Voraussetzungen, in Grundfragen zu sehr ähnlichen festen Überzeugungen kommen können und gemeinsam handeln.
Beipiele: Anthroposophen, als Esotheriker verspottet, und Marxisten teilen die Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter. Iraner und US-Amerikaner sind an die UN-Charta gebunden. Das Völkerrecht gilt für Israeli und Palästinenser und die UN, wie der Internationale Gerichtshof, sind zuständig. Der angebliche Nihilist Nietzsche, mit seiner extrem individualistischen Philosophie, ist Gegner des Nationenkriegs und glühender Europäer, so, wie es die kommunistischen Internationalisten nicht besser formulieren könnten.
Heute sitzt der Papst mit seiner katholischen Sozial- und Arbeitslehre im selben abgehängten Schlauchboot, wie manche Kommunisten und Sozialisten. Alle diese Wahrhaftigkeiten, schwarz auf weiß, kämpfen ums Überleben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Abgesehen vom Ideologiebegriff ein schöner blog, lieber Goedzak, eine erhellende Beschreibung von Lüge und Illusion, von mißbrauchter und mißlingender Kommunikation. Sprache versucht 1. Welt abzubilden und zu erklären, 2. Verständigung und Koordination herzustellen und 3. auf unphysische Weise zu steuern, Wirkungen zu erzielen (die Macht der Worte). Dementsprechend bewegt sich Sprache zwischen den Polen einer in 1 angestrebten Objektivität und einer reinen Subjektivität (3), die interessanteste Ebene ist die der Intersubjektivität, Interaktivität und Reflexivität zwischen 1 und 3. Die Unterscheidung von 1 und 2 deckt sich weitgehend mit der kommunikationstheoretischen von Sach- und Beziehungsaspekt. In 1 können sachliche Fehler gemacht werden, 2 ist der Spielplatz der Bewertungen, Meinungen, Deutungen, der Rangelei um eine eigene Stimme im Chor, in 3 benutze ich die Sprache als Werkzeug, verberge und offenbare, freiwillig oder unfreiwillig, meinen Charakter. Also in 1 ge- oder mißlingendes Denken, in 2 ge- oder mißlingende Kommunikation, in 3 ge- oder mißbrauchte Kommunikation, Du nennst das Ideologie oder funktionalistische Dekorlosigkeit, Stilisierung oder Illusion, Selbsttäuschung, und täuschende Manipulation. Das entspricht der aufklärerischen Trias das Wahre, das Schöne, das Gute. Bzw. ihrer Kehrseite. Soviel zur Philosophie der Sprache.
Nun zum Ideologiebegriff. Ich will gar nicht auf dem Marxschen rumreiten, der Arme hätte sich im Grab umgedreht, hätte er mitbekommen, was die aufrechten sozialistischen Länder mit seinem Begriff gemacht haben. Aber wenn das Kompositum Ideo-logie einen Sinn machen soll, dann als Gegensatz zu einer Realo-logie (es gibt Erkenntnistheorien, die meinen, daß letzteres gar nicht möglich ist, Ideologie also keinen Gegenbegriff hat und daher sinnlos ist), als die Konstruktion aus einer Idee statt einer Rekonstruktion oder Abbildung der Wirklichkeit. Das ist weit weniger negativ als der Marxsche Begriff, aber es behält einen negativen Beigeschmack oder wenigstens Vorbehalt. Das ehrliche Artikulieren und Verfolgen meiner Interessen ist wahrhaftig, nicht ideologisch, und es ist widerlich, wenn es sich rücksichtslos gegen andere durchsetzt, was man Egoismus nennt. Zum Prinzip erhoben ist es die Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft. Der Sozialismus kann sich nicht auf eine Ideologie, sondern nur auf einen emanzipativen Idealismus gründen.
"Das ehrliche Artikulieren und Verfolgen meiner Interessen ist wahrhaftig, nicht ideologisch, und es ist widerlich, wenn es sich rücksichtslos gegen andere durchsetzt, was man Egoismus nennt."
Und das wäre dann eines der Merkmale, mit dem Ideologien aufgedeckt werden können.
Nachdenkenswerter Blog. Ich habe dieselbe Frage wie Achtermann ganz am Anfang: Gibt es Ausagen ohne Ideologiegehalt? Wenn nicht, müsste jede Ideologie eine Ideolügie sein.
Kann sein, dass die Frage hinter dem Stand der Diskussion ist; stellen möchte ich sie trotzdem dürfen. :-)
Begreife ich Ideologie rein logisch als sprachlichen Ausdruck einer Idee (geistigen Inhalt) so ist praktisch jede menschliche Aussage über irgendetwas Ideologie; das wäre m.E. ein praktisch trivialer Begriff ohne wirklichen tieferen Nutzen.
Gilt das auch für eine Aussage wie z.B. "Die Erde dreht sich um die Sonne?" oder "In Zukunft werden in Deutschland mehr als 40% unter Altersarmut leiden?" Für mich ideologiefreie Aussagen (wenn man sich auf einen Begriff von Armut in Deutschland geeinigt hat).
Ideologie, so betont Goedzak, hat stets ein Element der Täuschung, Manipulation und Illusion inne. Auf dieser Basis habe ich weitergedacht und kam zu dem Schluss, dass es Aussagen ohne Ideologiegehalt geben müsse. Mich interessiert vor allem, wie man es schafft, Ideologien als solche zu entlarven bzw. wie man merken kann, dass man sich einer Idee verschrieben hat, die Teile der Wirklichkeit ausschließt.
Okay. Deine Antwort ist für mich ein Beispiel ideologiefreien Umgangs miteinander. :-)
Meine Sehnsucht nach einem Wahrheitsgehalt "aus der Sache heraus" ist wohl eine Illusion. Werde Endemanns Eintrag gleich noch einmal lesen.
Mich interessiert vor allem, wie man es schafft, Ideologien als solche zu entlarven bzw. wie man merken kann, dass man sich einer Idee verschrieben hat, die Teile der Wirklichkeit ausschließt."
Da ich es gerne konkret habe, wie wäre es mit:
1. wem nützt es (Mehrheit/ Minderheit)?
2. welche Ziele (Ergebnisse) sollen erreicht werden?
3. spricht man von Alternativlosigkeiten?
4. soll man sich Ideen/Doktrinen anpassen/unterwerfen?
5. erweitert es Freiheiten oder schränkt es sie ein?
6. von welchen Gruppierungen werden die Ideen unterstützt?
Sicher mit teilweisen Überschneidungen.
Ein Trend (Ideologie) läuft etwa in die Richtung von "der physischen und psychischen Anpassung/Konditionierung" des Menschen an ökonomische Vorgaben und nicht umgekehrt. Aus beiden Elementen lassen sich wunderbar neue Geschäfte generieren. Es sei denn, wir erkennen es als Ideologie und handeln entsprechend.
Lieber Pleifel, das erscheint mir auf den ersten Blick eine brauchbare Checkliste. Muss aber noch länger darüber nachdenken. Wünschte mir obendrein, es gäbe so eine abarbeitbare Checkliste zur Veränderung der Gesellschaft...
Guten Rutsch und ein gelingendes 2015!
Gruß, Ro
Ich bin felsenfest davon überzeugt, wenn sich hier ein paar "ideologiefrei“ Köpfe zusammensetzen, dass sich die Checkliste in überschaubarer Zeit erstellen ließe.
Ein Mittel (Ideologie) der Verschleierung, um die Verhältnisse so zu belassen wie sie sind, ist die Darstellung (Verkauf) der Verhältnisse derart, dass niemand auch nur auf die Idee kommen soll zu erkennen, dass die vermittelte Komplexität eben keine ist für die es keine Lösungen gibt, wenn man bereit wäre, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, unabhängig davon, ob bestehende Privilegien betroffen sind.
Auch von mir ein herzlicher Gruß für das Jahr 2015.
Paul
Der Pöbler Ilkslm ist vorübergehend wieder aktiv, wahrscheinlich in multiresistenter Form. Das Leben ohne "deutsche Schnittstelle" scheint ihm nicht so recht zu gelingen.
Jetzt hast du mich zum Lachen gebracht. :-) Somit hast du dein erstes Lernziel erreicht.
Ja, und nachgedacht habe ich auch.
Fazit: wenn du schon alles hier durchschaust, dann gib doch Anstöße, die uns wirklich weiterbringen.
Guten Übergang am Ende der Welt.
Liebe Leute, es tut mir leid, der Community-Support ist in den wohlverdienten Ferien. Und weil ich mit dem Einklappen nicht hinterherkomme, und weil ich nicht bei 300 Stuss-Kommentaren landen will, mache ich den Laden jetzt mal vorübergehend dicht. Wie gesagt, vorübergehend.
Ja.
Der Nationalismus war eine Ideologie, die der Integration der Arbeiter in Staat und bürgerliche Gesellschaft genau entsprach und darum in der krisenhaften Situation der 1920er/30er wirksam werden konnte, denn die Demokratisierung und die der breiten Bevölkerung eröffnete politische Mitbestimmung führte zur "Nationalisierung" der Massen, statt, wie die - ältere - Sozialdemokratie hoffte, zur Internationalisierung.
Stimmt soweit, nur müsste, meine ich, doch ein wenig mehr sozial differenziert werden. Die Zustimmung für das Nazi-Regime war in der Arbeiterschaft nicht so ausgeprägt, wie das die rechten Totalitarismustheoretiker und die "linken" Ober-Anti-Antisemiten gern hinstellen. Die Arbeiter hatten auch keinen sonderlichen Grund. Ihr Lebensstandart, das Lohnniveau, das Niveau der Sozialmaßnahmen blieben während der ganzen Nazi-Zeit deutlich unter dem Niveau von vor den Krisen um 1930. Alles was heute immer noch an Phrasen von Arbeitsbeschaffung, KdF usw. in den Köpfen herumgeistert, war Kosmetik. Das ist inzwischen empirisch erforscht und belegt.
Was die "Internationalisierung" wahrscheinlich mehr behindert hat, war eher die national-egoistische Hegemonie der stalinistischen KPdSU.
Du begründest dein Verständnis von Ideologie einleuchtend. Und ich werde den Teufel tun, das "falsch" zu nennen. Wenn mich mein Unterwegssein in der Welt der, ich will es mal so nennen, "geisteswissenschaftlichen" Diskurse eines gelehrt hat, dann, dass Begriffe sehr variabel um einen oft nur verschwindend kleinen gemeinsamen Bedeutungskern kreisen. Ich finde das normal. Manchmal muss man ein Begriffsverständnis "falsch" nennen, sich distanzieren. Aber das nicht in erster Linie nach den Kriterien einer absoluten Wahrheit. Sprache ist nicht der natürliche Ausdruck einer absoluten Wahrheit, sie ist Instrument des Ausdrückens einer interessengeleiteten Sicht auf die Welt. Dabei müssen und können auch differierende Begriffverständnisse akzeptiert werden, ja sogar von ein und demselben "Sprecher" gelegentlich benutzt werden.
Damit sind wir wieder beim Thema. Mein Ideologie-Begriff hier meint zunächst keine "falschen" Inhalte, sondern eine notwendige Form bzw. unvermeidliches Medium politischer Kommunikation. Die Begriffe funktionalistisch, stylistisch und kitschig sind der Ästhetik der artifiziellen Umwelt entlehnt, dienen hier nur zum Vergleich, eigentlich nur als Metapher. Sie sollen zu unterscheiden helfen zwischen ideologischen Formen, die offen der bewussten Vertretung bestimmter Interessen dienen, die manipulativ, also verdeckt der Verfolgung bestimmter Interessen dienen , oder die Ausdruck einer Selbsttäuschung über die eigenen Interessen sind. Mir scheint dies notwendig, um z.B. damit klar zu kommen, dass ein Ideologem wie der Antikapitalismus aus dem emanzipativen Gebrauch in einen Gebrauch zur Herrschaftssicherung übernommen werden kann. Andernfalls wäre die kurze Schlussfolgerung: Antikapitalismus ist falsch. Was wiederum einigen zu gut ins Konzept passt...
Natürlich muss auch über die Inhalte gesprochen werden. Um beim Beispiel zu bleiben: es gibt den Terminus "verkürzte Kapitalismuskritik" (nebenbei: der richtiges abbildet, aber seinerseits ebenfalls als manipulativer Terminus benutzt werden kann und es wird). Aber dies ist nur ein Blogbeitrag, der nicht über alles handeln kann. :-)
Gibt es Ausagen ohne Ideologiegehalt? Wenn nicht, müsste jede Ideologie eine Ideolügie sein.
Es ist müßig, jede Alltagskommunikation darauf zu befragen, ob sie ideologisch ist. Wenn eine Mama am Tisch zu ihrem Kind sagt, iss auf, in Afrika müssen die Neger-Kinder hungern, dann ist das wohl eine ideologisierte Aussage, weil Alltagsrassismus, autoritäre Erziehungsvorstellungen, bürgerliche Prinzipienreiterei und was weiß ich da drin stecken. Aber, was solls... :-)
Dein Gleichsetzung von "Ideologie" und "Ideolügie" entspricht dem gängigen Verständnis von I. ("falsches Bewusstsein"), aber nicht ganz dem Sinn, dem ich dem Begriff hier gebe. Mein Ideologie-Begriff hier ist wertfrei, sozusagen.
____
auch
@Achtermann
@Pleifel
@Heinz
was ich schon W.Endemann sagte:
"Mein Ideologie-Begriff hier meint zunächst keine 'falschen' Inhalte, sondern eine notwendige Form bzw. unvermeidliches Medium politischer Kommunikation. Die Begriffe funktionalistisch, stylistisch und kitschig sind der Ästhetik der artifiziellen Umwelt entlehnt, dienen hier nur zum Vergleich, eigentlich nur als Metapher. Sie sollen zu unterscheiden helfen zwischen ideologischen Formen, die offen der bewussten Vertretung bestimmter Interessen dienen, die manipulativ, also verdeckt der Verfolgung bestimmter Interessen dienen , oder die Ausdruck einer Selbsttäuschung über die eigenen Interessen sind. "
Unsere "Verbundenheit" und mein "angstneurotischer Modus" - du träumst ganz schön durcheinander.
Dein Vernichtungsschlag (hat ja gedauert) fällt aber wirklich ziemlich kläglich aus. Klingt auch so wirr, wie man es sonst von dir erst nach 2 Uhr morgens gewöhnt ist. „Rotfrontkämpfer“ und „Guidomobil“, die übliche These, um deinen zwanghaften Antikommunismus den von dir umworbenen Gefühlslinken schmackhaft zu machen; „Rotfrontkämpfer“ und „Guidomobil“ in trauter transatlantisch-serviler Symbiose also, wie kann da noch „Verrat“ sein? Ist doch unlogisch.
Ach, und die Tautologie! Boah, K.O.-Schlag! – Selbst wenn es eine wäre, na und? Schlimmer als deine infantil-höhnischen Metaphern-Ejakulationen, in denen die Tautologien sich selber „tautologisieren“, wäre die angebliche Doppelung von „zivil“ und „bürgerlich“ auch nicht. Schon mal was von "Civilité" gehört? Ja, richtig, eine psychogenetische Qualität. Seit N. Elias muss man den Begriff aber um eine soziogentische Bedeutung erweitert denken. Hat auch was mit Bildung und Entwicklung von Staatlichkeit zu tun.
Dein Hinweis auf den Citoyen geht nach hinten los. Du scheinst in deiner hochgebildeten Einfalt wirklich zu denken, es gäbe nur die eine in Eisen gegossene Begriffs-Semantik. Sich den Bürger als Januskopf mit Bourgois- und Citoyengesicht zu denken, ist nicht deshalb dumm, weil für dich der Citoyen der Nationalheld und der Bourgois ein anglokapitalistischer Teufel ist. Und dumm ist es auch nicht, nur weil du "Spalterei" in Klassen nicht magst.
Vielleicht strampelst du ja auch deshalb so heftig, weil du nicht zugeben willst, dass in das Guidomobil des Bourgeois doch mehr der National-Citoyen passt als der Rotfrontkämpfer. (Ist übrigens eine alt-bewährte demagogische Figur, dieses dein „die Kommies und die Amis sind unser Unglück“...)
So, Leute, jetzt ist wieder geöffnet.
Vielleicht muss ich heute Abend aber wieder zusperren, falls die Aktionskunst-Trolle hier Firecracker reinschmeißen wollen.
Schönen Silvesterabend!
Mit "Nationalisierung" meinte ich nicht "Nazionalisierung". SPD (mehr) und KPD (Radek) rührten auch die nationale Trommel, wenn sie sich davon Vorteile versprachen. Der Sündenfall lag aber bereits lange vorher, im Massenwahnjubel bei Kriegsbeginn 1914, in der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten. Seitdem hatte die vaterländische Komponente, so sehr sie auch durch die Massenschlächterei des Krieges ad absurdum geführt wurde, stets die Oberhand bei den Sozialdemokraten.
Mit "wertfrei" (vorangestellt "sozusagen") war einfach nur gemeint, dass ich mit "Ideologie" nicht per se etwas "Verlogenes" meine.
Auch Ihnen alles Gute, mit Dank fürs Feedback. Sie sind jetzt auf meine "Siez-Liste" gesetzt, und ich werde mich bemühen, Ihrem Wunsch zu entsprechen.
Vertippen beim Nennen meines Nicks nehme ich nicht krumm. :-)
Wenn schon dann: "Sie sind zu schlau für mich".
Na, ist doch gar nicht so übel.
"Was ist Ideologie?" - Ich habe hier ganz schöde instrumentalisierend einen Ideologie-Begriff behauptet, der eine Form, weniger einen Inhalt meint. Auch wenn "Ideologie" als Titel drüber steht, sollte die Stichwort-Zeile mit reingelesen werden (was das Layout hier ja auch hergibt): "Vielseitig brauchbar".
Das Jahr 2014 war ein Jahr der willkürlichen Bastelei mit Ideologemen. Das passiert ja immer, aber so "fantasievoll" wie jüngst und noch hat es eine neue Dimension, wobei das Internet sicher als Beschleunigungsmedium seine Rolle spielt.
Da kann eine Überlegung, wie man das sortiert kriegt, vielleicht nicht schaden. Wer hier eine Programmatik sieht, der er falsch findet, und / oder eine verlangt, die ihm passt, hatte die falsche Erwartung und sollte sich besser daran machen, sich selbst eine zu schnitzen.
Ich hab Wichtigeres vor.
Glaube ich nicht.
Mal sehen, wie lange Sie das durchhalten: ich hoffe lange.
Ideologien mit für mich negativer Tendenz sind erkennbar an so Sätzen wie: dazu gibt es keine Alternativen. Den Satz gibt es in den verschiedensten Variationen.
Ideologien kommen mit Wahrheitsansprüchen daher. Sie versprechen bessere Verhältnisse und weisen über die bestehenden Verhältnisse hinaus.
Auch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" war daher eine Ideologie, die aber in der bürgerlichen Gesellschaft so nicht realisiert werden konnte (realisierbar war).
Dann ließe sich die Ideologiekritik an diesen utopischen Entwürfen festmachen.
"Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" war der heroisch-illusionäre sprachliche Ausdruck für etwas, was historische Realität wurde: die Zivilität des bürgerlichen Staates mit Rechtsstaatlichkeit usw., die aber eben nicht was allgemein-menschliches Tolles ist, sondern den einen Interessen günstig, den anderen nicht so günstig, und wenn's passt auch unterlaufen werden kann, man muss nur jemanden einen "Terroristen" z.B. nennen. Die Entlassung der Supermarkt-Kassiererin, oben erwähnt, war rechtsstaatlich korrekt, weil es ein bürgerlicher Rechtsstaat ist, in dem in Wirklichkeit die Staatsbürger nicht automatisch auch Bürger im sozialen Sinne sind.
Sorry, habe keine Verbindung von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" zu einer negativen Ideologie hergestellt. Muss präziser formulieren. :-)
Ob man die Form so locker vom Inhalt trennten kann?
Eigentlich nicht, da hast du schon recht. Ich habs trotzdem gemacht, tut doch keinem weh.
Sicher richtig. Aber sowenig es bei Gerichturteilen eine mathematische Genauigkeit gibt, auch bei ähnlichen Tatbeständen, sowenig gibt es für mich eine "korrekte Rechtsstaatlichkeit", wenn wie in dem von Ihnen genannten Fall die Verhältnisse der Gerechtigkeit sogar auf den Kopf gestellt werden.
Der Spielraum der Interpretation ist den Richtern sehr wohl offen und sie können mit ihren Urteilen neue Maßstäbe setzen. Aber das entfernt sich etwas vom Thema "Ideologie".
Es ist ja Silvester und nun nicht gerade der Augenblick, an dem viele dFC- Leserinnen auf schwer bekömmliche Theoriedebatten erpicht sein dürften, Freigang.
Anders als Goedzak, kann ich nur selten so klar und eindeutig formulieren, es sei so und so, es verhalte sich so und nicht anders. Auch die Liste der von ihm so genannten "Ideologeme" überzeugt mich nicht.
Aber ich denke schon, dass auch jemand, der nicht mit meinen Ansichten und Überlegungen überein stimmt, erkennt, ich schreibe aus einer dezidiert linken und kapitalismuskritischen Position.
Ich glaube jedoch, dass mein Einwurf, dass Ideologien besonders verdächtig sind, die sich abgeschlossen, entschieden und dogmatisch geben, genau so wichtig ist, wie der Hinweis, bei jenen Ideologien Verdacht zu schöpfen, die sich als prinzipiell unideologisch verkaufen wollen, sich gar darauf berufen, nichts als die Natur, die Natur des Menschen oder seinen Sinn an sich zu repräsentieren.
Letztere "Verkaufsschlager" waren doch das Hauptlockmittel des Kapitalismus, auf den nicht einmal ein hemmungslos individualistischer Friedrich Nietzsche, im so positiv gestimmten 19. Gelehrtenjahrhundert hereinfiel.
Marx wusste, warum er vom Kommunismus schrieb und nicht vom Marxismus, so wie später 100%ige Kommies davon überzeugt waren, sie seien mit dem Marxismus- Leninismus auf der einzig realitätsgerechten und richtigen Spur. Wenige Jahrzehnte später hieß das dann Leninismus- Stalinismus, usw.
Diese Art der Ideologiebildung hat sich nicht nur hemmungslos und damit hoffnungslos delegitimiert, sondern auch die humanistischen und offenen Elemente der Marx/Engelsschen Ansichten gleich mit beerdigt. Das passt mir nicht.
Es kann aber keine sehr realitätsgerechte, ideologische Ansicht sein, die nicht anerkennt, dass derzeit der Kapitalismus herrscht und von Menschen, nennen sie sich Bürger jeder Art, Wähler oder Beherrschte, Volk, Nation, als weitgehend alternativlos akzeptiert wird.
Jede Form des Kapitalismus, so schreibe ich es doch, argumentiert mit der prinzipiellen "Ideologiefreiheit" und findet dafür derzeit und absehbar eine Massenanhängerschaft. Die Hauptausprägung, den Konsumkapitalismus, suchen sogar Menschen, -selbst solche die sich dafür lange in Gefahr begeben müssen-, die sich an den Feiertagen auf die Geschichts- und Gebotsbücher ihrer Religionen oder die Weisungen des jeweiligen Klerus dieser Religionen beziehen.
Das muss doch zu denken geben. Genau so, wie Kommunisten und Sozialisten nicht daran vorbei gehen können, dass die allergrößte Mehrheit der Menschheit sich religiös gebunden fühlt.
Seien Sie versichert. Ich bin überzeugt, dass die herrschende und globale Ideologie, die sich systemimanent wenig und daher sehr erfolgreich, um eine konsistente Aufschreibgeschichte herummogelt, auf Dauer unsere Lebensgrundlagen in allen denkbaren Bereichen zerstört.
Aber die so dogmatisch vorgetragenen Argumente der Gegner des Kapitalismus faszinieren, auch weil man dazu lange und viel aufschreiben muss und ebenso Leser lange und viel lesen müssten, kaum noch eine Seele.
"Bewegungen" und eben zunehmend auch die demokratischen Mainstream-Parteien oder Wahlvereinigungen in Europa oder den USA, ich hoffe, darin sind wir uns zumindest einige, machen es sich, durchaus berrechnend und von der Politologie und Demoskopie als Herrschaftswissenschaften darin gestützt, noch leichter, indem sie möglichst wenig bindende und tatsächlich überprüfbare Texte, Dokumente und detailierte Willensaussagen produzieren und sich weitestgehend auf die Wirkung von Personen und auf öffentliche und sich beständig ändernde Statements verlassen.
Hier öffnet sich der praktisch unendliche Raum für Ressentiments, kurzfristige Richtungswechsel, den derzeit wachsenden Populismus, pp.
Politische Versprechen und ideologische Festlegungen sind schon vom unbedaftesten Wähler in der Demokratie, als nie einlösbar, in seine eigenen Wahl- oder Nichtwahl- Entscheidungen eingepreist, bzw. er weiß, sie spielen keine Rolle wen er und was er erwählen wird, wenn er wählt.
Die Glaubwürdigkeit funktioniert über den Zugang und die Präsenz von Persönlichkeiten in den Tagesmedien, nicht entlang politischer Ideologie oder sachlich fundierter Programatik, obwohl genau deren Festlegung die einzig überprüfbare Form darstellte, neben den Ergebnissen der Taten (dann kann es nur schon zu spät sein), an denen der Charakter und die Absichten einer (politischen) Ideologie zu überprüfen wären.
Guten Rutsch
Christoph Leusch
(...) Goedzak, (...) so klar und eindeutig (...), es sei so und so, es verhalte sich so und nicht anders.
Die einen sagen so, die anderen sagen so. :-)
PS: Das Eingehen auf deinen ersten Kommentar hab ich bisher versäumt, weil, ist ja richtig Stress hier... :-)
Viel Spaß heut Nacht!
"Aber die so dogmatisch vorgetragenen Argumente der Gegner des Kapitalismus faszinieren, auch weil man dazu lange und viel aufschreiben muss und ebenso Leser lange und viel lesen müssten, kaum noch eine Seele."
Doch, ich habe ihren Text gelesen und nehme Ihnen auch die "rechte Gesinnung, in dem Fall links" ab. :-)
Die "Glaubwürdigkeit" muss sich aber sowohl über die Person als auch über den Inhalt erweisen: beides gehört zusammen. Denn eine Person kann nicht glaubwürdig sein, wenn es der Inhalt nicht ist und umgekehrt.
Ansonsten bin ich schon der Überzeugung, dass eine gesellschaftliche Veränderung hin zu sozial, solidarisch (gerecht), ökologisch und bei allem mit größten individuellen Freiheiten weniger eine Sache mangels Möglichkeiten (Ressourcen) ist, sondern an den herrschenden Ideologien scheitert, die uns eine Komplexität und Zwanghaftigkeit vorspiegelt, die selbst von vielen Benachteiligten und Geschädigten noch so geglaubt wird.
Also geht es immer noch oder wieder um den Kampf der Köpfe, die zwar heute medial leichter zu erreichen sind aber andererseits wiederum durch die Medien „verstopft“ werden. Da liegt das Problem, den Zugang zu finden mit einfachen Gedanken, die nun mal über Begriffe, bzw. Bilder abläuft.
Und ja, das kann man dann wieder eine Ideologie nennen. Jede große Idee gesellschaftlicher Veränderungen kann so etikettiert werden. Aber sie muss zumindest prüfbar, kritisierbar und modifizierbar sein, denn es gibt einfach keine idealen (endgültigen) Lösungen!
Weiter im Sinne dieser Aufklärung und ein schönes neues Jahr.
Grüße Paul
frohes neues!!!
und danke für den fisch...eh...den text
Antikapitalismus - egal, wer ihn übt, er wird von einer „naiven“ Linken schon gern mal als Bündnispartner angesehen. Das war vor 1933 so und ist es heute auch wieder. Die Kapitalismuskritik von rechts ist aber nicht deshalb fragwürdig, weil sie falsch ist („verkürzt“), das ist sie zwar meist, aber fragwürdig und für die Linke nicht bündnisfähig ist sie vor allem, weil sie nicht praktisch wird!!! Die Nazis haben den Kapitalismus nicht abgeschafft, sie haben nur die Kapitalisten in Betriebsführer und die Arbeiter in Gefolgsleute umbenannt. Daran änderte auch der gelegentliche staatliche Dirigismus nichts.
Die Frage ist also: Ist es wirklich dasselbe, wenn zwei das Gleiche sagen? Und wo steckt der Unterschied, wenn zwei das Gleiche sagen, was doch nicht dasselbe ist?! Er steckt nicht im Sagen, sondern im Tun.
Deine "Kritik" geht am wesentlichen dieses Beitrags vorbei. Er will nicht definieren, was "Ideologie" ist. Er enthält ein paar Gedanken, wie man sich beim Betrachten der wirklichen Praxis nicht zu sehr den Blick von getönten Gläsern trüben lassen kann.
Du solltest deine Mängelliste dort anbringen, wo die diskutieren, die Ideologiekritik für einen guten Ersatz für Gesellschaftskritik halten bzw. noch gar nicht gemerkt haben, dass es einen Unterschied gibt.
"Gesellschaftliche Diskurse finden im Medium der Ideologie oder gar nicht statt. Ideologie ist ihre Gestalt, wenngleich nicht ihr Inhalt! Der bleibt allerdings von seiner ideologischen Erscheinungsgestalt nicht ganz unbeeinflusst!"
und
"Du solltest deine Mängelliste dort anbringen, wo die diskutieren, die Ideologiekritik für einen guten Ersatz für Gesellschaftskritik halten bzw. noch gar nicht gemerkt haben, dass es einen Unterschied gibt."
Also keine gesellschaftlichen Diskurse ohne Ideologie. Wobei, wenn ich Sie richtig verstehe, die Verpackung die Ideologie (sein kann/ muss?) ist und der Inhalt davon beeinflusst wird. Nicht der Inhalt in seiner konkreten Gestalt, aber in den Köpfen der Empfänger. Und, dadurch beschäftigt man sich mit der Ideologie und weniger mit dem eigentlichen Inhalt.
Interessante Trennung, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Trennung überhaupt so vorgenommen werden kann und daher mehr der Aufdeckung und zur Analyse des Ganzen hilfreich ist. Die Ideologie in der Form wäre für mich also die Technik, mit der der Inhalt verkauft wird.
Ein einfaches Beispiel: Ideologie ist die Art, wie man Arbeitslosenzahlen mit der Statistik verkauft derart, dass man nicht direkt lügt, wenn man die Zahl der sozialversicherten Arbeitslosen als geringer darstellt, aber gleichzeitig verschweigt, dass gleichzeitig die Gesamtstundenzahl der Beschäftigten gesunken ist.
Einerseits entspricht die Angabe der Realität (der Definition der statistischen Erfassung), gleichzeitig verschweigt sie aber die tatsächlichen Verhältnisse, die vernichteten Vollzeitjobs und die Entstehung der neuen prekären Beschäftigungsverhältnisse. Eine bestimmte Botschaft soll also nicht transportiert werden.
Falls ich aber mit meiner Lesart völlig danebenliege...
Sie decken da eine wichtige Schwäche auf, die aber bei Goedzak auch mit der notwendigen Verknappung zu tun hat. Wer so einsichtig und eindeutig schreiben will und es tut der Diskussion ja gut, der übersieht eben auch, dass es für alle, Befürworter, Kritiker, Anwender,..., vorteilhaft ist, die Form der Funktion folgen zu lassen und sich mit dem Inhalt alle erdenkliche Mühe zu geben.
Marx wusste wie das geht. Von der philosophischen Form der Kritik, die ja stets eine Weiterführung ist, über die scharfe Polemik, bis zum aufweckenden und solidarisierenden Appell, müssen, an und für sich inhaltlich ideologische Texte, eine passende Form aufweisen.
Mein Anliegen in der Diskussion war, vor allem vor jenen Ideologen zu warnen, die sich nicht nachprüfbar festlegen oder gar Ideologielosigkeit, "Wir betrachten nur die Fakten, Aktualitäten und Realitäten", behaupten.
Selbst in der Wissenschaft gibt es keine voraussetzungslose Erkenntnis, kein interesseloses Wissen, keine Abgeschlossenheit und keinen Ewigkeitswert.
Sie habe das viel besser formuliert. Sehr gut nachvollziehbar, sind auch ihr Beispiel entlang der Praxis der umfangreichen Sozialkürzungen, wie selbst mit den rohen Daten ideologisch umgegangen wird.
Die Leute, die die Kürzung und Reduzierung des Sozialsystems und die freie Lohnkonkurrenz für prinzipiell gut, richtig und erfolgreich halten, es sind häufig jene die davon auch mehr hatten.
Seltsam, dass in den Presse-Medien Leute, die unter dem Dumping ihrer Arbeitsleistung doch besonders leiden, ähnlich argumentieren. - Nun, bei genauer Draufsicht sind die Alpha- Schreiber die das besonders gerne tun, gut abgesichert und befinden sich fast schon auf der Ebene der Geschäftsleitung.
Auf ein neues Jahr
Christoph Leusch
@GOEZAK
@PLEIFEL
@COLUMBUS
Ist es wirklich dasselbe, wenn zwei das Gleiche sagen? Und wo steckt der Unterschied, wenn zwei das Gleiche sagen, was doch nicht dasselbe ist?! Er steckt nicht im Sagen, sondern im Tun. (Goedzak)
Das ist teilweise richtig, aber gerade im Falle des rechten Antikapitalismus nicht. Der Kapitalismus ist asozial, er beruht auf dem Prinzip, alles vom Standpunkt des Individuums, des Individualinteresses aus zu sehen. Seine Ideologie ist: Nur das Individuum ist real. Rechts und Links sind antikapitalistisch, insofern sie die Asozialität des Kapitalismus zurückweisen. Aber auf zwei Ebenen sind Rechte und Linke Antipoden. Sozial ist sowohl eine paternalistische bzw. autoritäre Ordnung, die auch mörderisch gemeinschaftliche Feindbilder pflegen kann, dem individuellen Handeln sehr enge Grenzen setzt, die Gesellschaft stark hierarchisiert, reglementiert, das Denken gleichschaltet, als auch eine pluralistische Solidargesellschaft, in der die Individuen sich zwar frei entfalten können, aber sich ihrer Abhängigkeit von der Gemeinschaft bewußt sind und ihre daraus erwachsende soziale Verantwortung ernst nehmen und daher bei allem Interessehandeln nicht die Bilanz für das Gemeinwesen aus den Augen verlieren. Sozial ist also ein relativer Begriff, das rechte ordnungssozial hat kaum Überschneidung mit dem linken solidarsozial.
Die zweite Ebene der rechts-links-Antipodie ist die Ebene, auf der es eine antagonistische Gemeinsamkeit von Linken und (liberal-)bürgerlichem Lager gibt, die Freiheit. Für die Rechte gibt es nur eine Art der Freiheit: die Freiheit von Kommunismus, Liberalismus, Intellektualismus, Juden, Muslimen, Amerikanern, Chinesen, Türken, Andersgläubigen, -aussehenden, eigentlich allem Andersartigen. Dem entgegengesetzt ist sowohl die abstrakte, formale bürgerliche Freiheit als auch die substantiell begründete linke Freiheit der Gestaltungsautonomie.
Die Aussage Er steckt nicht im Sagen, sondern im Tun ist zutreffend für den bürgerlichen Ideologen, den man, siehe unten, eindeutiger Lügner, Fälscher oä nennen würde. Ein echter Rechter will ja keineswegs nur anders über die Gesellschaft reden, sondern er will eine andere Gesellschaft, er meint es durchaus ernst mit dem Antikapitalismus. Daher ist es auch notwendig, nicht dualistisch, bipolar zu denken, sondern zu differenzieren. Es ist schon richtig, kommunizierte Ideologiekritik (in dem formalen Sinn von Goedzak) ersetzt nicht praktische Kapitalismuskritik, aber letztere funktioniert nicht ohne die erstgenannte, weil die Ideologie stärker ist als hier wohl unterstellt, sie ist quasikörperlich mit dem Handeln verschmolzen.
Interessante Trennung, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Trennung überhaupt so vorgenommen werden kann und daher mehr der Aufdeckung und zur Analyse des Ganzen hilfreich ist. Die Ideologie in der Form wäre für mich also die Technik, mit der der Inhalt verkauft wird. Pleifel)
Das ist genau der Punkt, weshalb ich Ideologie anders (und Marx-konform) definieren würde. Denn nach meinem Verständnis ist es wesentlich, daß Ideologie geglaubt wird, wer die Dogmen des Kapitalismus nur benutzt, um die Bevölkerung zu verschaukeln, bedient sich der Ideologie, der Ideologe ist kein Opfer, sondern Täter, ein Manipulator, Lügner, Zyniker.
Da sind wir nun bei dem Argument von Columbus. Die behauptete Ideologielosigkeit der Systemaffirmativen ist Teil der kapitalistischen Ideologie. Die kapitalistische Ausbeutung erscheint als gerechter Tausch auf einem freien Markt, alles ist Sachzwang, folgt der alternativlosen Logik erfolgreichen Wirtschaftens. Wiederum: Alle, die das glauben, sind der ideologischen Verblendung verfallen. Nicht aber die, die genau wissen, daß das „die Wahrheit“ für die Leichtgläubigen, Manipulierbaren ist.
Man ist natürlich frei in der definitorischen Festlegung. Aufgrund der vorherigen Überlegungen halte aber das Folgende für geboten:
Ich möchte 1. eine falsche Aussage eine falsche Aussage nennen, wenn ich gute Gründe dafür habe, wohl wissend, daß meine Gründe falsch sein können. Ich möchte 2. bei einer heftig emotionalisierten Aussage einen nüchternen Inhalt von der gefühlsmäßigen Belegung/Bewertung trennen können, bei einer Falschaussage auf den Fehler, entweder 3. einen Irrtum oder 4. bei einer bewußten Falschaussage die Lüge, hinweisen, wenn 5. eine Aussage ganz schmucklos, emotionsfrei, unaufdringlich daherkommt, möchte ich sie als objektiv, oder, im Bewußtsein, daß man sich nie völlig frei von subjektiven Einflüssen machen kann, als objektiviert bezeichnen, von einer ästhetischen Stilisierung und künstlerischen Manipulation möchte ich mich 6. verführen lassen, während ich 7. eine nicht ästhetisch motivierte Manipulation erkennen und zurückweisen können will. Und dann möchte ich eine Aussage Ideologie nennen, wenn sie (i) die Unbezweifelbarkeit eines Glaubenssatzes besitzt, und wenn ich (ii) erkenne, daß die Aussage auf ein typisches, allgemein verbreitetes, nur für diese Gesellschaft gültiges Selbsterklärungsmuster zurückführbar ist. Es ist klar, daß auch diese Terminologie nicht völlig trennscharf ist, aber sie vermeidet Mißverständnisse. Nochmals: der Ideologe ist kein Opfer, sondern Täter, Benutzer der Ideologie. In den Fällen 1 – 7 sollte nicht von Ideologie gesprochen werden, weil sonst die Deutlichkeit und emotionale Einordnung des Begriffs, seine differenzierende Qualität verloren geht.
Da hast Du aber ein großes Fass aufgemacht und ich beschränke mich daher auf ein paar Details, damit ich mich nicht verlaufe. Ob mir das gelingt, obliegt deiner Beurteilung.
Meine Definition und Verstehen von Ideologie ist historisch untrennbar verbunden mit Herrschaft. Und daher ist logischerweise der Ideologe für mich nie das Opfer, sondern der Täter. Dieser Täter arbeitet in abgestufter Verantwortung im Getriebe dieser Ideologie und ist normalerweise dessen Profiteur.
Ich hatte versucht, die Goedzaksche Form zu deuten und weniger die Übereinstimmung des Ideologen mit seinem verkauften Inhalt angesprochen. "Gesellschaftliche Diskurse finden im Medium der Ideologie oder gar nicht statt." Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob der Satz nicht überhaupt tautologisch ist, denn in welchem "ideologiefreien Raum" kann denn so eine Diskussion überhaupt stattfinden? Um das zu erreichen, müssten wir uns quasi auf eine leere Ebene stellen und ohne jegliche alte Weltkonstruktion alles neu denken!
Wo ist der Unterschied im Ergebnis, abgesehen von der ethischen Bewertung, ob ich von der Ideologie selbst überzeugt bin oder nicht? Vielleicht setze ich mich bei Überzeugung mehr dafür ein, riskiere mehr, sogar zu meinem eigenen Nachteil. Im anderen Fall wäre meine Haltung dann eher opportunistisch. Die Frage wäre trotzdem in beiden Fällen (auch der Identische kann sich irren, sogar besonders hartnäckig), ob die gesellschaftliche Wirkung im Großen und Ganzen nicht die Gleiche ist.
Denn beim Beispiel des sogenannten „freien Marktes“ (den es in Reinform nicht gibt), bei dem sich ein Optimum über das Verfolgen von Einzelinteressen ergeben soll, ist allein deshalb schon eine Ideologie, weil sie sich die Frage nach der Überprüfung nicht stellt, bzw. die erkannten Widersprüche in exogene Faktoren verlegt, nämlich in Staat und Arbeitnehmerorganisationen.
Dann würde ich gerne eine Differenzierung treffen, ab der wir von Ideologie sprechen. Wenn ich eine Idee habe, spreche ich sicher nicht von Ideologie. Haben zwei die gleiche Idee und vertreten sie gemeinsam, ist es für mich ebenfalls noch keine Ideologie. Ich will damit sagen, erst ab einer gewissen Größenordnung mit gesellschaftlicher Relevanz sehe ich eine Ideologie als sinnvollen Begriff zur Abgrenzung von Ideen.
Um deine Logik aufzugreifen, muss es Normalität werden, eine „Falschaussage oder Irrtum“ nicht nur zu benennen, sondern auch aufgrund von Fakten objektiv widerlegen zu können. Hier darf keine politische Kraft im Amt sich wider die Fakten durchsetzen können. Wenn also erwiesen ist, dass gewisse Gesetze und Verordnungen negative Effekte auslösen, dann muss es zwingende Mechanismen geben, diese Gesetze zu ändern. So etwas wie die „CSU-Maut“ käme erst gar nicht in die Umsetzung!
„Und dann möchte ich eine Aussage Ideologie nennen, wenn sie (i) die Unbezweifelbarkeit eines Glaubenssatzes besitzt,..“
Da möchte ich jetzt erstmal ohne Ausweitung widersprechen, denn seit dem ich mehr über die Wissenschaftssätze der Kausalität gelesen habe, sind selbst wissenschaftliche Axiome durchaus als konstruktives Weltverständnis verstehbar (ohne jetzt den Kant zu bemühen), aber auch aus weiteren Gründen.
Mit anderen Worten, wenn selbst kritische Wissenschaft ihre Axiome relativiert, wie kann dann ein Gesellschaftsmodell als endgültig betrachtet werden. So betrachtet, stimme ich dir wiederum zu.
Du machst also eine etwas andere Einteilung, was die Ideologie betrifft. Man kann sich über Form, Inhalt und Übereinstimmung des Ideologen mit der Ideologie verständigen, wesentlicher für mich ist die gesellschaftliche Relevanz als Machtfaktor oder Herrschaftsinstrument. Da bin ich etwas altmodisch. :-)
Die wirksamste Ideologie ist ja genau die, die nicht erkannt wird.
Wenn nun aber die gesamte Gesellschaft einer dominierenden Ideologie unterliegt, dann wird der Begriff inhaltsleer. Dann hätten wir das „falsche Bewusstsein“, aber eines aus dem Irrtum, der Illusion heraus. Können wir daher sicher sein, dem nicht auch zu unterliegen? Sicher ist für mich nur, dass ich da nicht sicher sein kein, auch wenn es banal klingt.
Wenn nun aber die gesamte Gesellschaft einer dominierenden Ideologie unterliegt, dann wird der Begriff inhaltsleer
Das stimmt. Allerdings würde das bedeuten, daß das Denken, das In-Distanz-Setzen, aufhören würde zugunsten reiner Affirmation, und das, daß das Denken aus der Menschenwelt verschwindet, halte ich für ausgeschlossen. Wenn alle, wie Du es andenkst, bis auf einzelne Neinsager glücklich sind, kann man nicht mehr sagen, daß es sich bei der Riesenmehrheitsmeinung um Ideologie handelt, dann sind vielmehr die paar Dissidenten bemitleidenswerte Idioten. Aber das ist wie gesagt nicht zu befürchten, im doppelten Sinn, daß es nicht passieren wird, und wenn, ist es auch egal.
Können wir daher sicher sein, dem nicht auch zu unterliegen?
Die Ideologiekritik kann nie sicher sein, daß ihr ein angemessenes Verständnis der Welt eigen ist, aber sie weiß, daß das kritisierte Denken ein bedingtes ist, auf unhinterfragten Voraussetzungen (der Lebenspraxis) beruht und daß diese Voraussetzungen zumindest teilweise falsch sind. Das ist mein Kriterium (ii).
So läuft auch oft der Fortschritt in der Wissenschaft, Selbstverständlichkeiten werden als problematische oder sogar falsche erkannt und führen zu einer besseren Axiomatik.
"Mein Anliegen in der Diskussion war, vor allem vor jenen Ideologen zu warnen, die sich nicht nachprüfbar festlegen oder gar Ideologielosigkeit, "Wir betrachten nur die Fakten, Aktualitäten und Realitäten", behaupten."
Wenn ich den letzten Teil der Aussage mit der Wissenschaft vergleiche, dann muss dort über die Symbole der Mathematik (und deren inneren Logik) eine Überprüfung (Prognosen, Berechnungen, Beherrschung) der Natur, der Wirklichkeit möglich sein.
Wenn ich also versuche, ähnlich strenge Maßstäbe an die Ökonomie der Gesellschaft anzulegen, dann sind die sozialpolitischen Fragen entscheidend, die über "Versuch und Irrtum" möglichst Schaden gering haltend geprüft werden können. "Ideologiefreiheit" wäre dann in einer Gesellschaft möglich, wenn gegebene Verhältnisse nicht als ein Paradigma verstanden würden, sondern als ständiges "Versuchsfeld" der Erneuerung: also eine dynamische Gesellschaft.
Gesetze, Verordnungen und Richtlinien müssten gleich mit den entsprechenden Fragen verabschiedet werden (ggf. auch zeitlich limitiert), um von Anfang an Kriterien der Überprüfbarkeit festzulegen.
Dabei wäre aber für mich aber ein vertrauenswürdiger "Zwischenboden" einzuziehen, der die Menschen vor einer Existenzbedrohung weitestgehend schützt. Das würde dann auch die Aufgeschlossenheit und spielerische Neugierde erhalten, Neues auszuprobieren. Beobachtbar heute ist ja, dass gerade diese Existenzängste zu Verhärtungen führen, die auch Bewegungen wie Pegida Zulauf verschafft.
Grüße Paul
Die Mathematik und die Überprüfung funktioniert, keine Frage. Aber mathematische, physikalische und technische Ausaagen finden schnell ihre Grenzen.
Die meisten Wissenschaftler akzeptieren das ja auch und helfen sich damit, Ebenen zu betrachten, ihr Feld einzugrenzen, und, wie das wissenschaftlich genannt wird, die "Randbedingungen" streng zu kontrollieren. Kaum ein Wissenschaftler redet, wenn er die theoretischen Grundlagen seines Faches betrachtet von der Realtität, sondern lieber von Modellen, die diese Realität beschreiben, von Thesen, die aufgestellt werden und sich widerlegen oder bestätigen lassen müssen.
Ich will aber mehr zum Begriff "Ideologie" diskutieren, weil das ja auch Goedzaks Absicht war.
Ein Feld, in dem das gut geht, ist das der "Züchtung", bis hin zur Rassetheorie oder der Vorstellung davon, spezielle Ethnien seien anderen nicht nur überlegen, sondern auch noch deutlich mehr wert und damit sei ein Herrschaftsanspruch natürlich verbunden.
Praktisch alle wissenschaftlich formulierten Thesen dazu konnten widerlegt werden. der Begriff der Rassen ist obsolet, Ethnien erweisen als weit gemischter und verbundener, als es je vorher angenommen wurde, die Oberflächen-Genetik beweist nicht nur den Ursprung der ganzen Menschheit aus einer oder doch sehr wenigen, gemeinsamen Wurzeln.
Bleibe ich eng bei dem Begriff "Züchtung", dann kommt sehr schnell die Entstehung von "Ideologien" ins Spiel. Das Wort legt nahe, zu definieren, nachzufragen, zu was man Kristalle, Pflanzen, Tiere und Menschen züchten wolle.
Wer darauf Antworten gibt, befindet sich augenblicklich auf dem Gebiet der Ideologie, denn er muss nun Wertskalen aufbauen und sie bei sich und seinen Anhängern vertreten, sowie sie gegen Gegner, Widersprechende und Ablehner durchsetzen. Das geht nur mit Ideologie, die zudem noch so auftritt, als seien die Urteile ideologiefrei, weil angeblich wissenschaftlich.
Aber wir wenigen Glücklichen wissen doch, dass dies unmöglich ist und im Falle der "Züchtung", auf jeder Ebene, auf der sie stattfindet, nicht nur extrem manipulativ vorgehen muss, sondern Schäden setzt, moralische und ethische Standards verletzt und Rechte bricht, vom Prinzip der Nachhaltigkeit und dem "Naturgesetz" der freien Evolution, bis zum Rassewahn mit Vernichtungswunsch und - Willen.
Nichts daran ist harmlos, obwohl das uns von der Agarindustrie, bis zum Politiker, der angesichts der Bürgerängste, angesichts des wachsenden Migrationsdrucks und der großen Aussicht auf eigenen poitischen Erfolg, entgleist, so erzählt wird.
Eine Menge, sich für besonders kompetent haltender Leute wollen nun eminent ideologische Geschichte erzählen. - Tatsache ist aber, dass Ideologien mit Teilerfolgen haussieren, die Zustimmung wenig nachdenklicher und ressentimentgeladener Bürger einfangen und ganz einfach auch die Macht, ihren Willen durchzusetzen, einsetzen.
Ein politisches Beispiel:
Es ist faktisch klar, dass kein anderes Militärbündnis, bzw. dessen Hauptmitglieder, in den letzten 25 Jahren mehr Menschen mit seinen Methoden zu Tode brachte, als es die NATO- Staaten taten.
Und es ist auch ziemlich klar, dass die Mittel, mit denen Überwachung, Kontrolle, Ausforschung, pp. betrieben werden, exakt von der gleichen Art und Weise, nur eben mit einem 6- 8 fach höheren Etat, mit etwa 6 x mehr Feuerkraft und Gewaltmitteln durchgeführt werden, als sie dem größten angenommenen, symetrischen Gegner je zur Verfügung stehen.
Der Drohnenkrieg der größten Nation unter den NATO-Partnern ist ebenso lange schon völkerrechtswidrig, wie die Lieferung von Waffen aus den einzelnen Bündnisstaaten (Baltikum, Polen) in ein Bürgerkriegsland oder die Bezahlung der militärischen Aufrüstung dort, über die USA und indirekt den IWF und die EU. Vökerrechtswidrig und zumindest auf EU- Gebiet beständig die Grundrechte verletzend, sind fast alle geheimndienstlichen Methoden. Wie selbstverständlich, werden diese Methoden flächendeckend, selbst gegen Bündnispartner, Freunde und erklärte Bevorzugte eingesetzt.
Das wird nicht dadurch aufgewogen oder ausgestrichen, dass die Russen es ebenso halten und die Separatisten in der Ukraine beliefern, bzw. dort die öffentliche Ordnung und Versorgung aufrecht erhalten, die die Zentralregierung zerstören, lähmen und ausschalten will, um ihre Herrschaft wieder einzusetzen.
Es ist auch klar, dass westliche Militärmacht Polizeifunktionen in Territorien und Räumen übernimmt, die als gescheitert oder terroristisch gelten. Das ist nicht immer schlecht und unsinnig, auch nicht immer unberechtigt, aber in sehr vielen Fällen völkerrechtswidrig, besonders wenn dabei Waffensysteme mit Fernwirkung genutzt werden, die Kollateralschäden bewusst in Kauf nehmen.
Die derzeitige, absolute Mehrheits- Ideologie, weitestgehend von den Hauptmedien mitgetragen, kennt aber mittlerweile nur klare Gegner (einen klaren Gegner?), schreibt und bebildert überwiegend dies, und rechnet sich sogar an, die Gegenseite betreibe es doch noch schlimmer, in deren Medien. - Hier offenbart sich der Hang jeder Ideologie, sich in ein Dogma zu verwandeln, zu erstarren und sich abzuschließen. - Erschreckend aber erwartbar, dass sich dann auch noch mediale Ideologen gegenseitig dafür loben und auszeichnen, wenn sie, trotz massiver Einsprüche aus der Leser und User- Öffentlichkeit, trotz der Aufdeckung von Propaganda und Sachfehlern, "fest" geblieben sind.
So schreiben sich die drei, vier Hauptscharfmacher- Pressemedien, meist sind es die Politik- und News-Redaktionen der Formate, gegenseitig hoch, immer mit dem Verweis auf den hinteren Seiten und in den Spätabendprogrammen fände sich ab und an auch einmal Nachdenkliches und Kritisches zum eigenen Kurs oder man habe doch auf einer Webseite durchaus kritisch und selbstkritisch geantwortet.
Hier lebt das Elend der Ideologie, die zudem gar kein persönliches und institutionelles Bewusstseins davon ausgebildet hat, überhaupt eine Ideologie zu besitzen.
Ich hoffe ja, auch andere Teilnehmer an der Diskussion lesen hier ein wenig mit, denn ich kann unmöglich, obwohl es mich reizte, allen ausführlich anworten oder zu ihren oftmals klugen Ansichten einen Kommentar schreiben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
"..., vom Prinzip der Nachhaltigkeit und dem "Naturgesetz" der freien Evolution weg,geht es bis zum Rassewahn mit Vernichtungswunsch und - Willen." - Sonst wird wirklich nicht klar, wohin ich will! C.Leusch
"Dort (also hier) ist die Diskussion leider zu sehr abgedriftet und hat sich vornehmlich auf das Meinen verlagert."
Ich steige in den andern Blog nicht ein, aber es wäre doch hilfreich, wenn Sie an einem Beispiel zeigen würden, wie ihre Alternative zum "Meinen" aussieht.
Siehe einen ersten Ansatz dazu in meinem Blog: Ideologie manifestiert sich in der Theologie
Es ist eben nur so, dass die Theologie die Mutter aller schriftlich gefassten Ideologien ist und die säkulare Ideologie erst recht spät ihre Geburt erlebte, Achtermann (Kleiner Einwand gegen mein eigenes Argument: schon die Babylonier kannten "Schulden", in Stein, Ton und vielleicht auch auf Holz aufgeschrieben). - Ansonsten ist ihr Blog einer, den ich nur aus Zeitnot nicht zur Kenntnis nahm.
Was nun allerdings die säkularen Ideologen nicht davon abhielt, alle Warnungen, z.B. die des Karl Marx, in den Wind zu schlagen und selbst eine Pseudotheologie, sogar mit unbedingtem Herrschaftsanspruch, auszubilden. Sehr nachfühlbar, inklusive der geforderten Rechtfertigung und Selbstkritik, bis zur selbstaufgabe, beschrieben von Arthur Koestler, in seinem Roman "Darkness at noon" ("Sonnenfinsternis", 1940)
Für die Altachtundsechziger und Nachgeborenen kamen diese Warnungen z.B. auch von Erich Fromm, Alexander Mitscherlich, Herbert Marcuse und Rudi Dutschke. Der wollte z.B. die "asiatischen Taten" nicht wiederholt und kopiert sehen, die z.B. unser Altkanzler Helmut Schmidt, weil er deren Effizienz- und Geschwindigkeitsleistungen, als alter Artillerist, so sehr bewunderte, hinweg eskamotierte.
Heute hat 3/4 der politischen Presse einen leise Zuneigung für "asiatische Taten" ausgebildet, zumindest was die Sprache angeht. Es ist derzeit Mode und es erhält die elitären Zugänge, z.B. zu Think tanks und Sicherheitskonferenzen.
Insofern ist also China noch nicht ein beachtlicher Gegner, auch weil es fein das Geld anlegt, in den chronisch bedürftigen Finanzmärkten der USA und GBs.
Obwohl nur "Regionalmacht" (Outgoing Obama), wie das Kreml-Reich, wird es nicht wie der angeblich blutrünstige, "wirre Iwan" niedergeschrieben, sondern immer noch besucht und bestaunt.
Ein Widerwort muss ich allerdings noch loswerden. Die "Bedeutungskleinheit" der Erde ergibt sich, so mein Denken, nicht aus der Betrachtung des Universums.Das Universum ist gegen Bedeutung inert. Wir aber nicht.
Ja, ganz im Gegenteil! Gedanken beim Blick ins All, inspirieren doch eher dazu, die kleine, blaue Murmel in unserem Sonnensystem so ernst und bedeutsam zu nehmen, wie sie es nun einmal für uns ist. Selbstverständlich im wohlbegründeten Eigeninteresse, das sich ebenfalls kaum unter dem Mikroskop oder im Weltall abbildet.
Ich denke, die Bedeutung "Gaias" wächst mit jeder Sekunde, die an Wissen, Erkenntnissen und Fähigkeiten von der "Krone der Schöpfung" über das All und alles sonsitge Gedöns angehäuft wird. Ich bin für "Bedeutungsgröße" der Erde und ihrer Bürger. Ist das zu sehr ideologisch?
Beste Grüße
Christoph Leusch
Danke. Habe sehr interessiert gelesen! Vielleicht hätte man es auch hier und da einfacher formulieren können ...?
Ich frage mich jedoch, ob es die "funktionale Gestalt" als "Zwecke und Absichten" offenlegende und "aufrichtige" Ansage überhaupt gibt. Und wenn ja: Wäre in diesem Falle überhaupt von Ideologie, einem Ideologem zu reden? Ich glaube nicht. Die Gleichordnung der geraden, klaren und unbemäntelten Aussage neben das, was Du "Kitsch" und "Styling" nennst, leuchtet mir nicht so ganz ein.