Der Mann, der die Hunde liebte

Eine Buchempfehlung Leonardo Padura: "Der Mann, der die Hunde liebte". Unionsverlag Zürich, 14,95 €, 729 Seiten

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Was haben Barsois – russische Windhunde – mit Leo Trotzki, Josef Stalin, Frida Kahlo, George Orwell, John dos Passos, Dolores Ibárruri, genannt La Pasionara, und anderen Personen der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts zu tun? Diese Frage beantwortet der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura in seinem Buch „Der Mann, der die Hunde liebte“ auf überaus intelligente Weise.

Da ist Leo Trotzki der von seinem Widersacher Josef Stalin nach Lenins Tod in die Emigration getrieben wird. Zuerst in die Türkei, damals noch unter Kemal Atatürk, dann nach Frankreich und Norwegen und schließlich nach Mexiko. Und da ist der Mann, der Leo Trotzki, im Auftrag Stalins, mit einem Eispickel töten wird. Ramón Mercader. Sohn Geschäftsmannes und dessen Frau Caridad, die als Kind noch die Befreiung Kubas von der Spanischen Krone erlebt hat. Schon als Jugendlicher begeistert sich Mercader für den Kommunismus. Bestärkt wird er dabei von seiner Mutter, einer überzeugten Stalinistin. Mutter und Sohn kämpfen im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Faschisten von General Franco. In Kuba kämpft der verhinderte Schriftsteller Iván als Tierpfleger ums Überleben und trifft am Strand von Havanna einen seltsamen Mann mit zwei Barsois.

Barcelona während des Bürgerkriegs, das Moskau von Stalins Schauprozessen, Mexico City in den späten Dreißiger Jahren und Havanna in den Mangeljahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind die wichtigsten Schauplätze dieses Romans.

Padura entwickelt aus historisch genauen Fakten die Psychogramme dreier Getriebener. Trotzki, verbittert und aufbrausend, unbarmherzig gegenüber sich und anderen, geduldet von Regierungen die ständig dem Druck Stalins ausgesetzt sind. Dem Revolutionär bleibt nur noch das Schreiben um sich vor der Welt zu rechtfertigen. Seine Freunde werden weniger, die einen werden von Stalin ermordet, die anderen gehen auf Distanz zu dem Mann der immer mehr zu einem Don Quijote der Weltrevolution wird.

Mercader, ausgebildet zu einem Agenten ohne Gefühle. Ein Killer im Wartestand. Ein Mann der nur selten fragt. Ein Mann mit vielen Pseudonymen der handelt und dabei seine eigenen Sehnsüchte unterdrückt.

Und Iván, der aufgehört hat zu schreiben und seine vom Knochenkrebs zerfressene Frau pflegt. Sein Geld verdient er mit dem Entfernen von Stimmbändern bei Schweinen und der Kastration von Hunden.

Trotz des bekannten Endes liest man das Buch mit steigender Spannung und stellt sich permanent Fragen. Hätten die Republikaner den Spanischen Bürgerkrieg gewinnen können, wenn Stalin nicht die Spaltung der Linken betrieben hätte? Hat Stalin Spanien absichtlich an die Faschisten verloren? Wie hätte sich die Sowjetunion entwickelt, wenn Trotzki der Nachfolger von Lenin geworden wäre? Warum hat sich fast der gesamte europäische Kommunismus Stalin unterworfen? Angst, Zensur, Willkür spielen in diesem Buch immer wieder entscheidende Rollen.

Wie könnte die Welt heute aussehen, wenn die Linke sich nicht immer gegenseitig bekämpft hätte? Wäre sie gerechter und solidarischer?

Aber auch unterdrückte oder abgebrochene Leidenschaften spielen in diesem Buch eine große Rolle. Die Liebe Mercaders zu Africa, einer strammen Genossin, die ihre Libido ganz der kommunistischen Partei Spaniens opfert. Oder Trotzkis letztes erotisches Aufbäumen mit der Malerin Frida Kahlo. Die ideologischen Verirrungen Diego Riveras oder die seines Malerkollegen David Alfaro Siqueiros, der einen dilettantischen Attentatsversuch nach alter Westernart auf Trotzki ausübt.

Gerade weil das ein hervorragend geschriebener und konstruierter Roman ist – und kein nüchternes Sachbuch- , bekommt man ein faszinierendes Bild von einem der entscheidenden Kapitel des 20. Jahrhunderts. Und einen ernüchternden Blick auf die Spaltung der Linken.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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