Der Tod des Rubén Espinosa

Journalist wurde ermordet In Mexiko steht es schlecht um die Pressefreiheit. Dieses Jahr wurden bereits mehr Journalisten ermordet als 2014. Besonders gefährlich ist der Bundesstaat Veracruz

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Kein mexikanischer Bundesstaat ist für Journalisten so gefährlich wie Veracruz. Vor ein paar Wochen floh der 31-jährige Fotojournalist Rubén Espinosa aus Veracruz nach Mexiko Stadt. Dort wurde er letzten Freitag gefoltert und ermordet. Als er gefunden wurde, war er gefesselt und hatte zwei Schusswunden. Mit ihm wurden vier Frauen umgebracht. Eine von ihnen war die Studentin Nadia Vera. Sie studierte Sozialanthropologie an der Universität von Veracruz. Dort war sie auch Studentenvertreterin und engagierte sich für Menschenrechte und Pressefreiheit in Veracruz.

Das letzte Lebenszeichen von Rubén Espinosa stammte vom letzten Donnerstag, 14.00 Uhr. Er meldete seiner Familie, dass er jetzt seine Wohnung verlasse. Als die Familie danach nichts mehr von ihm hörte, stellte sie eine Vermisstenanzeige.
Espinosa wurde bereits seit einiger Zeit bedroht, das machte er am 9. Juli in einem Interview mit dem Interetsender Rompeviento TV bekannt. Er arbeitete für die regierungskritische Zeitschrift Proceso, die lokale Nachrichtenagentur AVC und die Fotoagentur Cuartoscuro und berichtete vor allem über soziale Proteste. „Zum tausendsten Mal fordern wir ein Ende der Aggressionen gegen Journalisten. Nicht einer mehr!“, schrieb AVC in einer ersten Reaktion.

Rubén Espinosa ist bereits der siebte Journalist der in diesem Jahr in Mexiko umgebracht wurde. Mehr als im ganzen Jahr 2014. In der Rangliste der Pressefreiheit, veröffentlicht von der Organisation Reporter ohne Grenzen, liegt Mexiko auf Platz 148, hinter Ländern wie Honduras, Myanmar oder Venezuela. Insgesamt sind 180 Länder gelistet.

Die meisten Morde wurden im Bundesstaat Veracruz am Golf von Mexiko verübt. Dort finden sich einige der wichtigsten Häfen Mexikos. Ach deswegen ist Veracruz eine Hochburg der Drogenkartelle. Seit Dezember 2010 wird Veracruz von Gouverneur Javier Duarte regiert. In dessen Amtszeit wurden 14 Journalisten die in Veracruz gearbeitet haben, getötet oder sind verschwunden. Allein 2015 wurden vier getötet.

Anfang Mai wurde der Reporter Armando Morales Saldaña mit vier Schüssen vor seinem Haus im benachbarten Bundesstaat Oaxaca erschossen. Er sendete mit seiner Nachrichtensendung über die Staatsgrenze nach Veracruz. Gouverneur Duarte, Mitglied der regierenden PRI, spielte die Morde immer herunter und behauptete, dass sie nichts mit dem Beruf der Opfer zu tun hätten. Im Gegenteil, am 1. Juli sagte er in einer Ansprache, viele Journalisten hätten enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen. 2014 hatte Rubén Espinosa an einer Titelgeschichte des Magazins Proceso mitgearbeitet, die ein wenig schmeichelhaftes Bild von Duarte zeichnete.

Anfang Juni bemerkte Espinosa, dass er beobachtet wurde. Immer wieder erschienen unbekannten Männern in der Nähe seines Hauses, immer wieder wurde er verfolgt, einmal beobachtete er drei Männer die ihn aus einem Taxi fotografierten. Espinosa gehörte zu einer Gruppe von Journalisten, die sich vehement für die Pressefreiheit in Veracruz engagierten. Am 1. Mai errichtete er zusammen mit anderen Kollegen in der Landeshauptstadt Xalapa eine Gedenktafel zu Ehren der ermordeten Reporterin Regina Proceso Martinez.

Als Martinez 2012 ermordet wurde, ging die Polizei sofort von einem Raubmord aus. Ein Zusammenhang mit ihrer kritischen Berichterstattung über Gouverneur Duarte wurde nie ermittelt. „Wenn Du nicht enden willst, wie Regina, dann höre auf zu fotografieren“, sagte ein Regierungsvertreter zu Rubén Espinosa kurz vor dessen Flucht am 9. Juli. Duarte bedauerte in einer Stellungnahme den Mord, er hoffe die Staatsanwaltschaft werde den Fall schnell aufklären.

Bislang galt Mexiko Stadt als sicherer Ort für Journalisten, Aktivisten und andere bedrohte Personen. „Wir sehen mit Besorgnis, dass Mexiko-Stadt kein sicherer Zufluchtsort für vertriebene Journalisten mehr ist“, heißt es in einer Mitteilung der Journalisten-Organisation Artículo 19. „Der Mord an Rubén Espinosa ist ein weiterer Meilenstein der Gewalt gegen die Presse“, schreibt Artículo 19. Die Gruppe ruft die Behörden auf, die Täter zu Verantwortung zu ziehen und Journalisten besser zu schützen.

Am Sonntagabend demonstrierten Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und soziale Aktivisten mit Trauerflaggen am Denkmal „San Angel de la Indepencia“ auf der Paseo Reforma und vor der Vertretung des Bundesstaates Veracruz. Immer wieder riefen sie dabei „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit.“ Auch Vertreter der mutmaßlich ermordeten Studenten von Ayotzinapa nahmen an der Kundgebung teil.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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