Die Geschichte wird mich freisprechen

Fidel Castro Zum Geburtstag des Maximo Lider

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„Er ist einer der größten Idealisten unserer Zeit, und das mag vielleicht seine größte Tugend sein, obwohl dies auch stets seine größte Gefährdung war.“ Das schrieb der Literaturnobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez über seinen Freund den „Maximo Lider“ Fidel Castro.

Am 13. August 1926 wird Fidel Castro in Birán, einem kleinen Ort der kubanischen Provinz Oriente, geboren. Sein Vater Angel Castro ist als armer Bauer aus Spanien eingewandert. Binnen weniger Jahre arbeitet er sich zum wohlhabenden Großgrundbesitzer empor. Doch die Castros gelten in Kubas Gesellschaft als neureiche Aufsteiger. Gleichwohl besucht Fidel die Schulen der Eliten. Am Jesuitenkolleg, an dem der Hochbegabte erzogen wird, setzt man große Hoffnungen in ihn. 1945 schreibt sich Fidel Castro an der Universität Havanna für das Jurastudium ein. Schnell entwickelt er sich zu einem Studentenführer der es versteht die Massen gegen das korrupte Establishment zu mobilisieren. Auch an den Universitäten herrschen Korruption und Gewalt. Die meisten Studentenorganisationen gleichen Gangsterbanden. Castro selbst macht keinen Hehl daraus, eine Waffe zu tragen. Er gilt als liberal und sozial engagiert. Erkennbar ist sein Wille zur Macht. Er verfolgt die Protestbewegungen in Lateinamerika und kommt zu dem Schluss die kubanische Gesellschaft könne nur durch einen radikalen Umsturz verändert werden. In welche ideologische Richtung er sein Engagement lenken würde, ist Castro damals noch unklar. An der Universität lernt er Mirta Díaz-Balart kennen, deren Familie ist reich und hat enge Kontakte zu Batista. Castro heiratet sie. 1949 wird er zum ersten Mal Vater, er nennt seinen Sohn Fidelito. Bald danach lässt sich das Paar scheiden, auch aus politischen Gründen. Nachdem Examen arbeitet Fidel Castro als Anwalt. Er vertritt Arme und sozial Schwache und nimmt kein Geld von ihnen. Castro sieht sich als der Don Quijote seiner Zeit, sein Idol ist Jose Marti, der Nationalheld der 1895 im Kampf gegen die Spanier gefallen ist. Castro kennt die Armen und die Reichen. Er weiß wie man die Menschen für sich einnehmen kann. Mit Charisma, taktischem Geschick und rhetorischer Brillanz gewinnt er die Massen für sich. Er verspricht den Armen soziale Gerechtigkeit, seinem Land die Souveränität und die Rückkehr zu Recht und Gesetz. Batista setzt 1952 die Verfassung außer Kraft, entmachtet das Parlament und beseitigt den letzten Anschein von Demokratie. Der sture Bauernsohn Castro aus dem unterentwickelten Osten des Landes verklagt den Diktator wegen Landesverrats. Mit diesem legalen Weg scheitert er an korrupten Richtern. Fidel Castro schmiedet einen Umsturzplan.

Am 26. Juli 1953 versucht er mit einer Truppe von 165 schlecht bewaffneten Rebellen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba zu besetzen. Damit will er einen Volksaufstand auslösen. Der Angriff misslingt, Die meisten Rebellen werden gefoltert und hingerichtet. Castro zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Vor Gericht spricht er den legendären Satz: „Die Geschichte wird mich freisprechen.“ Vorerst kann Batista die Opposition in Schach halten. Nach weniger als zwei Jahren wird Fidel Castro im Rahmen einer Generalamnestie freigelassen. Als Berufsrevolutionär geht er nach Mexiko. Dort trifft er den argentinischen Arzt Ernesto Guevara, genannt „Che“. Ein Veteran des Spanischen Bürgerkriegs trainiert sie zu Guerilleros. Exilkubaner die vor Batista geflohen sind, unterstützen Castro und verkaufen ihm eine betagte Jacht, der Castro den Namen „Granma“ gibt. Im Dezember 1956 landet er mit 82 Männern an Bord an der Südküste Kubas. Auch dieses Mal endet es katastrophal. Batistas Truppen töten die meisten Rebellen. 15 Mann können sich in die unwegsame Bergregion der Sierra Maestra retten, darunter Fidel Castro, sein Bruder Raul und Che Guevara. Den Bärtigen fehlt es an fast allem, aber ihr Glaube an einen Sieg ist ungebrochen. Castro verbietet seinen Leuten Plünderungen. Sie zahlen für jedes Stück Brot. So gewinnt er die Sympathien der Bauern. Zu den Kämpfern die sich den Rebellen anschließen gehört auch Celia Sanchez. Sie nennt sich später „Fidels erste Rekrutin“ und wird über zwanzig Jahre lang seine wichtigste Beraterin sein. Die Kubaner verehren sie bis heute. Die Guerilleratruppe wächst stetig, bald sind es mehr als tausend Mann. Zwei Jahre nach der Landung sind sie nicht mehr zu bremsen. Che Guevara kämpft den Weg nach Havanna frei. Während der Silvesterfeier 1958 plündert Batista die Staatskasse und flieht in die Dominikanische Republik. Acht Tage später zieht Fidel Castro als Sieger in die Hauptstadt ein. Der Tyrann ist erledigt, die Revolution hat gewonnen.

Die USA werden ihm das nie verzeihen. Schließlich vertreibt Fidel Castro tausende von Großgrundbesitzern und Industrielle von der Insel. Schon 1820 prophezeite der amerikanische Außenminister John Quincey Adams : „Kuba, dieser reife Apfel wird uns in die Hände fallen.“ Im Dezember 1898 landen amerikanische Truppen und vertreiben die spanischen Kolonialherren. Vier Jahre später entlassen die USA Kuba in die Unabhängigkeit - auf dem Papier. Die Amerikaner dulden nur Regierungen die ihnen hörig sind. Sie kontrollieren Kubas Wirtschaft vollständig. Die Insel liefert ihnen Zitrusfrüchte, Rindfleisch und vor allem Zucker. Im Gegenzug importiert Kuba amerikanische Waren. Gestützt von den USA putscht sich 1952 der ehemalige Armeeoffizier Fulgencio Batista an die Macht. Seine Kritiker verfolgt er mit Folter und Mord. Unter seinem Regime werden die Reichen immer reicher, die Armen bleiben arm. Zu Batistas besten Freunden gehören Mafia-Bosse wie Charlie „Lucky“ Luciano und Meyer Lansky. Sie benutzen Kuba für ihre Geldwäsche und bauen ein Imperium mit Bars, Nachtklubs, Spielhöllen und Bordellen auf. Meyer Lansky scheffelt Millionen und beteiligt seinen Freund Batista an den Gewinnen. Der Staatschef wird selbst zum Mafioso. Die alte kubanische Oberschicht mag zwar den neureichen, zwielichtigen Batista nicht. Aber der garantiert Sicherheit und Reichtum, warum also rebellieren? Das kubanische Bürgertum ist durchsetzt von mafiösen Machenschaften. Allein Meyer Lansky und Co. verlieren nach der Revolution ein Vermögen von 100 Millionen Dollar in Kuba, ein Zehntel des verstaatlichten US-Vermögens.

Bärtig und immer grün uniformiert wird Fidel Castro zu einer Helden- und Hassfigur. Gegen keinen anderen Politiker werden so viele Mordkomplotte geschmiedet. Dass er überlebte verdankt er seinem Instinkt und einem Sicherheitsapparat der zu den effizientesten der Welt gehört. Nach der Revolution räumt Castro auf, das Parlament wird aufgelöst, die Hälfte der Beamten entlassen. Batistas Führungselite landet vor Gericht. Mehr als 500 von ihnen werden zum Tode verurteilt. Fidel Castro wird Ministerpräsident. Che Guevara Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister sowie Leiter der Nationalbank. Er enteignet alle Großgrundbesitzer die mehr als 400 Hektar Land besitzen. Auch Castros Familie verliert ihren Besitz. Das Land wird unter 150.000 Bauernfamilien aufgeteilt. Die Viehfarmen verwaltet der Staat. Che ist ein Gegner der Monokultur in Kuba. Sie macht das Land völlig vom Zuckerexport abhängig. Er strebt eine vielfältige Landwirtschaft und Industrie an. Die Reichen, die unter dem Schutz der USA gut gelebt haben, verlassen das Land. Ab 1960 werden sämtliche amerikanischen Firmen auf Kuba verstaatlicht. Die Entschädigungen die Castro anbietet weisen die USA zurück. Ein Jahr später brechen sie die diplomatischen Beziehungen ab.

Fidel Castro hat sein Ziel erreicht, Kuba gehört wieder den Kubanern und nicht mehr den Amerikanern denen das Land ein lukratives Paradies und Sündenbabel war. Später demütigt er die „Yankees“ noch einmal als er ihren Invasionsversuch in der Schweinebucht verhindert. 90 der vom CIA trainierten Eindringlinge werden getötet, mehr als tausend gefangen. Anderthalb Jahre später werden die USA die Gefangenen gegen Medikamente im Wert von 53 Millionen Dollar freikaufen.

Dabei war Fidel Castro ursprünglich gar kein „Anti“-Amerikaner. Als 13jähriger gratuliert er dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu seiner Wiederwahl und erbittet sich von ihm eine Zehn-Dollar-Note, „denn ich habe noch nie eine amerikanische Zehn-Dollar-Note gesehen.“ Roosevelts Verwaltung dankt mit einem Formschreiben – ohne das gewünschte Geld. Während seiner Haft studiert Castro Roosevelts Politik des New Deal und später bei den Kämpfen in der Sierre Maestra soll er eine Fotografie von Roosevelt bei sich getragen haben. Auch nach seiner erfolgreichen Revolution ist Castro an einem Ausgleich mit Amerika interessiert. Deren republikanische Führer aber zeigen den jungen Revolutionären die kalte Schulter und verhängen einen Wirtschaftsboykott. Aus einer internen Analyse der US-Regierung: „Wir waren so vollständig von Kubas völliger Abhängigkeit gegenüber den USA überzeugt, dass wir die Stärke des kubanischen Nationalstolzes nicht wahrhaben wollten und ausreichend Mühe damit hatten, Kuba oder Castro ernst zu nehmen.“ Doch sie müssen ihn und sein Volk ernst nehmen. Spätestens als Fidel Castro sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen mit der Sowjetunion verbündet. Das führt im Oktober 1962 zu einer weltpolitischen Krise. Die Sowjets wollen Trägerraketen für Atomwaffen auf Kuba stationieren. US Präsident Kennedy fordert ultimativ den Abzug der Sowjets und errichtet eine Seeblockade. Die Sowjets lenken ein.

Von den unzähligen Bildern mit Fidel Castro gibt es nur ganz wenige auf denen er lacht. Garcia Marquez beschreibt Castro als „einen der wenigen Kubaner die weder singen noch tanzen.“ Dabei soll er Humor haben, aber Lachen und Vergnügen in aller Öffentlichkeit ist Privatsache. Der private Fidel Castro ist ein Staatsgeheimnis. Die Informationen sind meist vage. Man weiß, sein Sohn Fidelito ist ein Nuklearwissenschaftler. Mit seiner Tochter Alina, aus einer Verbindung mit Natalia Revuelta ist er politisch und persönlich zerstritten. Über seine anderen unehelichen Kinder weiß man nichts. Lange hat er eine Liebesbeziehung mit Celia Sanchez. Später ein Verhältnis mit der deutschen Kapitänstochter Marita Lorenz, die ihn im Auftrag der CIA umbringen soll. Mit seiner heutigen Lebensgefährtin, der Lehrerin Dalia Soto del Valle hat er fünf Söhne.

Bis er es aus gesundheitlichen Gründen aufgeben muss, ist Fidel Castro ein leidenschaftlicher Raucher. Er schläft wenig und arbeitet gerne nachts. Er liebt Eiscreme, Spaghetti und Baseball. Als Student ist Castro ein so guter Pitcher, dass die New York Giants ihm einen Profivertrag anbieten und allein für die Vertragsunterzeichnung 5000 US $ zahlen wollen. Stattdessen schreibt Fidel Castro Geschichte und regiert Kuba ab 1959 wie ein Patriarch der seine Insel als Treuhänder für sein Volk verwaltet. Seine sozialen Reformen, sein Bildungs- und Gesundheitssystem sind in ganz Lateinamerika beispiellos. Das aber kostet Geld, viel Geld. Nachdem Michail Gorbatschow die Wirtschaftshilfen für Kuba einstellt, ruft Fidel Castro die „periodo especial“ aus. Für Amerika scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Castro kapituliert. Doch der versteht es wieder einmal die Bevölkerung hinter sich zu scharen.

Heute sind Investoren aus aller Welt in Kuba willkommen. Auch Ausländer dürfen Geschäfte machen. Der stärkste Pfeiler der kubanischen Wirtschaft ist der Tourismus. Etwa 2 Milliarden Dollar werden dadurch erwirtschaftet. Vor allem aber sorgt Castro dafür, dass die Kubaner ein nationales Selbstbewusstsein entwickeln konnten, auch während der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Sowjetunion. Das ist der Hauptgrund dafür, dass sich Fidel Castro - trotz fehlender materieller Freiheit und trotz aller Entbehrungen in wirtschaftlichen Dauerkrisen - so lange an der Spitze halten kann. Die Kubaner nennen sein System „Fidelismus“. Es ist eine von ihm selbst kreierte Melange aus den Ideen von Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Lenin, Che Guevara und José Marti. Von allen nimmt er sich was ihm opportun erscheint und mixt es zu seinem eigenen Politcocktail. Vor allem mit José Marti identifizierte sich Castro seit seiner frühen Jugend. „er kannte die 28 Bände von Martis Werk gründlich und verstand es, dessen Ideen mit den Gedankenströmen einer marxistischen Revolution zu vereinen.“, so Garcia Marquez.

Fidel Castro hat mit eisernem Willen Generationen von amerikanischen Präsidenten, sowjetischen Generalsekretären, Staats- und Regierungschefs, Demokraten und Diktatoren in aller Welt überlebt. Aus gesundheitlichen Gründen muss er 2008 von seinen Ämtern zurück treten. Er ist noch immer Abgeordneter und berät seinen Bruder Raul der die Regierungsgeschäfte von ihm übernimmt. In der Zeitung „Granma“ veröffentlicht er Kolumnen unter dem Titel „Überlegungen des Genossen Fidel“. Statt der Uniform trägt er seit einigen Jahren meist einen Trainingsanzug der Firma Adidas. Es gibt schlechtere Werbeträger für eine Firma die Sieger liebt. Noch einmal Garcia Marquez: „Eines ist sicher: Wo immer er sein mag, wann immer und mit wem auch immer – Fidel Castro ist da, um zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass es jemand auf dieser Welt gibt, der ein schlechterer Verlierer sein könnte als er. Sein Verhalten angesichts einer Niederlage, selbst in den kleinsten Dingen des täglichen Lebens, scheint einer persönlichen Gesetzmäßigkeit unterworfen zu sein: er wird es einfach nicht zugeben, und er wird keine Ruhe finden, ehe er es nicht geschafft hat, die Bedingungen umzukehren und einen Sieg daraus zu machen.“

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Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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