Die Idealisten der Liebe

Eric Rohmer Am 4. April wäre der französische Regisseur einhundert Jahre alt geworden - vielleicht.

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Vielleicht wäre Eric Rohmer am 4. April 2020 einhundert Jahre alt geworden. Vielleicht, denn so ganz genau weiß man das nicht. In manchen Lexika wird auch der 21. März als Geburtstag genannt. Auch sein Geburtsort ist nicht so ganz klar, Nancyoder Tulle im Département Corréze. Eric Rohmer war auch nicht sein richtiger Name. Geboren wurde er als Jean-Marie Maurice Schérer. Er nannte sich aber auch Dirk Peters oder Gilbert Cordier. Unter letzterem Namen veröffentlichte er 1946 seinen einzigen Roman „Elisabeth“. Wie auch immer, wir kennen ihn als Eric Rohmer und als solcher war er einer der wichtigsten französischen Filmregisseure.

Rohmer studierte auf der Eliteuniversität „Ecole normale supérieure“ klassische Literatur. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er bis 1952 als Lehrer in Paris. In seiner Freizeit schrieb er Filmkritiken für „La Revue du Cinéma“. 1951 gründete er eine eigene Zeitschrift „La Gazette du Cinemá“. Folgerichtig führte sein Weg zu „Cahier du Cinema“, dem Zentralorgan der Nouvelle Vague. Hier kämpfte Eric Rohmer mit seinen Zeitgenossen Claude Chabrol, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette und Francois Truffaut für die Anerkennung des französischen Autorenfilms. Einige Jahre fungierte Rohmer dabei auch als Chefredakteur. Aber die Zeitung wurde ihm zu politisch. Die Revolution war seine Sache nicht. Zeit seines Lebens war Eric Rohmer ein konservativer Katholik, in seinen Filmen spürt man davon glücklicherweise nichts.

Nach einigen Schulfilmen für das französische Fernsehen realisierte Eric Rohmer 1959 seinen ersten langen Spielfilm „Im Zeichen des Löwen“. Das Drama eines amerikanischen Musikers der als Clochard unter den Brücken von Paris endet.

Eric Rohmers Freund Francois Truffaut definierte seinen Antrieb Filme zu machen damit, schöne Frauen, schöne Dinge tun zu lassen. Bei Rohmer reden die schönen Frauen vor allem.Sie sprechen über die Liebe, das Leben, den richtigen Urlaub. Die Küche wird zum Schlachtfeld der Wörter, das Café sowieso. Aber auch die Strände der Normandie, die Landhäuser des Südens oder die Straßen von Paris. Kaum haben diese Frauen eine neue Liebe gefunden, nehmen sie voller Panik Reißaus. Sie wollen bedingungslos lieben, dabei aber niemals ihre Unabhängigkeit verlieren. Nicht nur deshalb bleiben die Filme von Eric Rohmer so zeitlos. Ehemaligen Liebhabern preisen Rohmers Frauen ihre beste Freundin an. Und oftmals ist es so wie Pauline in „Pauline am Strand“ feststellt „Wer zu viel redet, verliert sich selbst“. Dabei denunziert Rohmer seine Figuren niemals. Klarsichtig und voller Zuneigung lässt er sie um sich selbst kreisen oder mit sich hadern. Leichtfüßig zeigt er ihre Irrwege und Selbsttäuschungen. Rohmers Frauen sagen oft das Richtige und tun das Falsche. Rohmers Kino ist vor allem ein Diskurs über die Liebe. Die Liebe aus Langeweile, aus der Lust zur Verführung oder auch nur aus der Begeisterung für einen Augenblick. Die Wege zu dieser Liebe sind oft Umwege. Immer aber spürt man wie sehr der Regisseur die von ihm geschaffenen Figuren mit all ihren Wirrnissen liebt.

Sexszenen sieht man bei Eric Rohmer so gut wie gar nicht. Er war kein Voyeur. Seine Figuren reflektieren über den vollzogenen oder den ins Auge gefassten Beischlaf mit Worten. Dabei verlieren sie sich oft in einem Meer der Möglichkeiten. Ins Stolpern gerieten bei solchen Wirrungen und Irrungen immer die Männer. Exemplarisch etwa Jean-Louis der in dem Film "Meine Nacht bei Maud", in einem Gottesdienst einer blonden Frau begegnet, die er auf der Stelle für die Frau seines Lebens hält. Kompliziert wird die Geschichte freilich, als er mit der verführerischen dunkelhaarigen Maud über die Treue debattiert. Oder in „Claires Knie“ als der kurz vor seiner Hochzeit stehende Jérome im wahrsten Sinne des Wortes vom Knie der schönen Claires Knie geblendet wird.

Seine Filme sah Eric Rohmer meist in einem größeren Zusammenhang. So fasste er seine Arbeiten oft in Zyklen zusammen. „Moralische Erzählungen“, „Komödien und Sprichwörter“ oder „Erzählungen der vier Jahreszeiten“.

Eric Rohmer wollte immer unabhängig arbeiten, seine künstlerische Freiheit ging ihm über alles. Mit Barbet Schroeder gründete er in den 1960er Jahren die Produktionsfirma „Les film du Losange“. Sein Drehteam besetzte er meist so klein wie möglich. Das ein Teammitglied dabei Doppelfunktionen übernahm, war üblich. Seine Regieassistentinnen waren oft auch Aufnahme- und Produktionsleiterinnen. Er arbeitete gern und oft mit Frauen auch im technischen Team. Seine Schauspielerinnen behandelte er als gleichberechtigte Partnerinnen. Oft hat er die Dialoge umgeschrieben, um sie der jeweiligen Person anzupassen. Pascal Ogier, seine Hauptdarstellerin in „Vollmondnächte“ zeichnet in dem Film auch für das Szenenbild, die Kostüme und die Maske verantwortlich. Als Eric Rohmer „Das grüne Leuchten“ drehte, soll er gesagt haben „Ich spüre das weibliche Herz in mir selbst“. Ein klein wenig knauserig muss er dabei auch gewesen sein. Eine Kamerafrau erzählte einmal, dass Rohmer immer sein eigenes Sandwich für die Pausen von daheim mitbrachte.

2010 ist Eric Rohmer gestorben. Sein letzter Film ist 2007 erschienen. „Les amours d`Astrée et de Célandon“ nach einem Roman aus dem 17. Jahrhundert. In Deutschland fand dieser Film keinen Verleih mehr. Dafür sind seine Klassiker alle verfügbar. Als DVD Editionen oder über Streamingdienste wie iTunes oder Amazon.

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Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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