Die Korruption gehört zu Mexikos DNA

Literatur Der mexikanische Journalist Jorge Zepeda Patterson hat seinen ersten Roman vorgelegt. Er bietet einen Einblick in die Machenschaften der oberen Zehntausend Mexikos

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Die Schatten der Vergangenheit steuern die Verbrechen der Gegenwart
Die Schatten der Vergangenheit steuern die Verbrechen der Gegenwart

Foto: Guillermo Arias/AFP via Getty Images

Seit 25 Jahren arbeitet Jorge Zepeda Patterson als Journalist, unter anderem für die spanische Zeitung „El Pais“ und das mexikanische Online-Magazin „SinEmbargo.mx“. Jetzt hat er erstmals einen Roman geschrieben. „Die Korrupten“ ist der Auftakt einer Trilogie, die derzeit von „Netflix“ verfilmt wird. Im Mittelpunkt des Buches stehen vier Freunde, die in einen Kriminalfall verwickelt werden. Einer von ihnen, der Journalist Tomás, kann sicher als ein Alter Ego des Autors identifiziert werden.

Sämtliche Figuren sind in der mexikanischen Oberschicht angesiedelt, Politiker, Unternehmer, Rechtsanwälte, Schauspielerinnen oder eben Journalisten. Niemand von ihnen ist nicht in irgendeiner Weise nicht korrumpierbar. Alle kochen ihr Süppchen, schauen nach Vorteilen, sichern sich Einfluss und versuchen die Dinge zu ihrem Vorteil zu steuern. Die Leser erhalten einen unterhaltsamen Einblick in die Machenschaften der oberen Zehntausend Mexikos. Patterson zeigt wie sich Menschen verbiegen oder schlicht ihre Identität leugnen. Die Schatten der Vergangenheit steuern die Verbrechen der Gegenwart. Die Drogenkartelle sind allgegenwärtig in diesem Staat, der seit den 1930er Jahren von nur zwei Parteien regiert wurde. Die meiste Zeit davon war die PRI, die Partei der institutionalisierten Revolution, an der Macht. Zwei Legislaturperioden kam der Präsident von der PAN, der eher christlich-demokratischen Partido Acción National. Die Unterschiede zwischen den beiden sind marginal. Die Upperclass hat sich das Land und die staatlichen Institutionen komplett untertan gemacht und dessen Pfründe verteilt.

Wie alle guten Kriminalromane ist dieses flott und leicht zu lesende Buch ein spannender Gesellschaftsroman, der das gegenwärtige Mexiko unter einem Brennspiegel seziert. Patterson kann sich zwar mit seinem Vorbild, dem unerreichten Raymond Chandler, nicht messen, mit all seinen Ingredienzien aus Erotik, Spannung und Humor schreit dieser Roman aber geradezu nach einer Verfilmung.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Mexiko auf Platz 143 von 180 Ländern. Erst Ende März wurde im Bundesstaat Veracruz wieder eine Journalistin ermordet. In Mexiko werden mehr Medienschaffende ermordet als in jedem anderen Land der Welt, in dem kein Krieg herrscht. 2019 wurden dort zehn Journalistinnen und Journalisten ihrer Arbeit wegen getötet. Die Verstrickung von Politik und organisiertem Verbrechen macht es lebensgefährlich, über sensible Themen wie Korruption oder Drogen- und Menschenhandel zu berichten. Medienschaffende werden systematisch bedroht, verschleppt oder ermordet.

In seinem Nachwort schreibt Patterson, dass die Handlung seines Romans weit hinter dem zurückbleibt „was in Wirklichkeit in den obersten Kreisen der Macht geschieht“. Die Korruption ist Teil der mexikanischen DNA. Ob sich daran was ändert? Immerhin wurde 2018 mit Andrés Manuel Lópes Obrador erstmals ein Präsident gewählt, der weder der PRI noch der PAN angehört. In seinem ersten Amtsjahr aber wurden mit knapp 35.000 Morden so viele Menschen wie noch nie in einem Jahr getötet. In einem Interview mit dem „Spiegel“ meinte Patterson: „Anders als viele andere seiner Vorgänger hat Obrador das Thema zumindest offiziell auf seiner Agenda. Noch habe ich Hoffnung. In ein paar Jahren werden wir herausfinden, ob der Präsident ehrliche Absichten hatte – oder alles nur eine Wahlkampflüge war.“

Die Korrupten Jorge Zepeda Patterson, Elster Verlag, 24,00 €

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Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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