Die Schöne und der Böse

El Chapos Verhängnis Seine Faszination für die Schauspielerin Kate de Castillo führte zur Verhaftung des mexikanischen Drogenbarons "El Chapo"

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"El Chapo" als Kultfigur: Der Drogenboss Joaquin Guzman Loera wird in Mexiko verehrt, hier werden in einer Fabrik Kostüm und Masken von ihm hergestellt
"El Chapo" als Kultfigur: Der Drogenboss Joaquin Guzman Loera wird in Mexiko verehrt, hier werden in einer Fabrik Kostüm und Masken von ihm hergestellt

Foto: RONALDO SCHEMIDT/AFP/Getty Images

Joaquin „El Chapo“ Guzmán war fasziniert als er im Fernsehen die Telenovela „La Reina del Sur“ („Die Königin des Südens“) sah. In der ab 2011 ausgestrahlten Serie stieg eine junge Frau zur mächtigsten Drogenbaronin Mexikos auf. Die Serie basiert auf einem Roman des Schriftstellers Arturo Pérez-Reverte und war ein großer Erfolg. Die Hauptrolle spielte Kate de Castillo, Tochter des in Mexiko äußerst populären Schauspielers Eric de Castillo. „Eine große Trinkerin, die mit verheirateten Männern schläft, Marihuana raucht, Drogen schmuggelt, Leute umbringt und viel flucht.“ So charakterisierte Kate del Castillo einst ihre Rolle als Teresa Mendoza.

Es muss dem mächtigen Chef des Sinaloa-Kartells geschmeichelt haben, als Kate de Castillo 2012 einen öffentlichen Appell an ihn richtete: „Heute glaube ich mehr an Chapo Guzmán als an Regierungen, die die Wahrheit vor mir verstecken.“ Weiter schrieb sie: „Mr. Chapo, wäre es nicht cool, wenn Sie mit Liebe handeln würden? Mit Arzneimitteln, mit Nahrung für obdachlose Kinder ... Stellen Sie sich doch einen Menschenhandel mit korrupten Politikern vor anstatt mit Frauen und Kindern die versklavt werden. Warum gehen Sie nicht in die Bordelle, in denen die Frauen weniger als eine Packung Zigaretten wert sind? ... Komm schon, Don! Sie wären der Held aller Helden. Handeln Sie mit Liebe. Sie wissen wie es geht ...“. Der Don reagierte prompt und schickte der Schauspielerin Blumen.

Nach der Verhaftung Guzmáns im Februar 2014 in einem Hotel in Mazatlán wurden dessen Anwälte mit Angeboten aus Hollywood überhäuft. Doch „El Chapo“ wollte sein Leben nicht von irgendwelchen Gringos verfilmen lassen. Seine Anwälte kontaktierten Kate de Castillo. Sie besprachen mit der in Mexikos Filmindustrie gut vernetzten Schauspielerin über die Möglichkeiten eines Films. Daraus entspann sich ein Briefwechsel mit dem Drogenbaron. Der Kontakt hielt auch nach der spektakulären Flucht Guzmáns im Juli letzten Jahres aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano an.

„El Chapo“ war vernarrt in Kate de Castillo. Oder war er vernarrt in ihre Rolle als Teresa Mendoza, der „Königin des Südens“? Er bezeichnete sie als „die Schöne“ und auch von ihrer Seite war der Ton vertraulich, wie abgehörte Mitschnitte zeigen. „Ich trage für Sie das gepunktete Kleid“, schrieb de Castillo. Die Mitschnitte dokumentieren auch den Wunsch von Sean Penn sich mit „El Chapo“ zu treffen. Die Anwälte und Guzmán tauschten sich über dessen Filme aus. Auch Diskussionen über das richtige Handy für den Kontakt zwischen de Castillo und Guzmán sind dokumentiert. Iphone 6 oder Blackberry? Was kostet solch ein verschlüsseltes Gerät? Welche Farbe ist die richtige? Am Ende wurde ein graues Blackberry besorgt.

Kate de Castillo dankte „El Chapo“ für das Vertrauen und betonte, dass sie ihn nicht als öffentliche Person treffen will, sondern als Frau, die sich darauf freut mit ihm Tequila zu trinken. Guzmán will wissen, wann er sie am besten erreichen kann.

Das sieben Stunden lange Treffen fand am 2. Oktober 2015 statt. Sean Penn hat es in seinem Artikel für den „Rolling Stone“ eindrucksvoll beschrieben. Guzmán habe Kate de Castillo begrüßt wie eine Tochter die gerade vom College heimkehrt. Donald Trump bezeichnete „El Chapo“ ironisch als seinen Freund. Er erzählt, dass seine Flucht durch einen Tunnel drei Monate lang in Deutschland vorbereitet wurde. Und er prahlt damit, dass niemand mehr Heroin, Methamphetamin, Kokain und Marihuana liefere als er. „Ich habe eine Flotte aus U-Booten, Flugzeugen, Lastwagen und Schiffen.“ In seinen jungen Jahren war er auch einmal zu Gast bei dem legendären kolumbianischen Drogenhändler Pablo Escobar, „Es war ein sehr großes Haus.“ Penn beschreibt auch, wie er und seine Begleitung auf dem Weg zu Guzmán von einer Militärstreife an einem Kontrollpunkt durchgewunken wurden, als die Soldaten registrierten, dass Guzmáns Sohn, den Wagen steuerte.

Guzmán, Penn und de Castillo vereinbarten ein weiteres Treffen für ein ausführliches Interview. "El Chapo" wollte das Interview auf seinem Bauernhof führen, seine Mutter sollte dabei sein, das zeigen die in der Zeitschrift „Milenio“ veröffentlichten Mitschnitte. Am 23. Oktober gratulierte er Kate de Castillo zu ihrem Geburtstag. Er zeigt sich dankbar, für alles was sie für ihn und seine Kinder mache. Dafür wollte er sich auch erkenntlich zeigen.

Davor aber musste „El Chapo“ erst einmal wieder fliehen. Ein Treffen wäre für alle zu gefährlich gewesen. Das Interview konnte nur mit vorformulierten Fragen über Blackberry geführt werden. Diese Fragen schickte de Castillo über einen Boten nach Mexiko. Guzmáns Antworten fanden den Weg zurück nach Los Angeles und wurden mittlerweile ebenfalls im „Rolling Stone“ veröffentlicht. Darin gibt sich „El Chapo“ als naiver, bodenständiger Landwirt, der keine andere Chance hatte als im Drogenmilieu zu arbeiten. Er wolle auch keinen Streit und würde sich nur verteidigen. Wenn er nicht mehr sei, würde eben ein anderer den weltweiten Drogenhandel organisieren. Eigentlich will der Mann nur seine Ruhe, in Frieden alt werden und eines natürlichen Todes sterben.

Mit der Ruhe ist es für Joaquin Guzmán jetzt erst einmal vorbei. Letzten Freitag wurde er in Los Mochis in seinem Heimatbundesstaat Sinaloa verhaftet. Die mexikanischen Behörden inszenierten die Verhaftung und deren Bekanntgabe als großes Staatstheater. Präsident Enrique Peña Nieto persönlich veröffentlichte die Festnahme auf seinem Twitter-Kanal. Anschließend beschwor er im Hof des Präsidentenpalastes mit lächerlicher Theatralik den Rechtsstaat Mexiko. Innenminister Osorio Chong stimmte bei seiner Pressekonferenz gar die Nationalhymne an.

Dabei ist jedem in Mexiko klar, weder Peña Nieto noch sonst ein mexikanischer Politiker haben großes Interesse an einer Verhaftung und Verurteilung von Joaquin Guzmán. Der Drogenbaron weiß zu viel, er kennt all die Politiker, Richter und Unternehmer die er geschmiert hat. Er kennt die Namen von denen die ihm geholfen haben, sein Vermögen zu waschen. Aber der Druck der Vereinigten Staaten war wohl wieder einmal zu groß. Und an diese soll Guzmán nun auch ausgeliefert werden. Seine Anwälte haben dagegen schon Einspruch eingelegt. Das Verfahren darüber kann bis zu einem Jahr dauern. Vielleicht reicht diese Zeit ja für eine erneute Flucht.

Joaquin Guzmán sitzt derzeit wieder im Gefängnis Altiplano. Aus dem ist er schon einmal geflohen. Die Journalistin Anabel Hernandéz, die sich seit Jahren mit den mexikanischen Drogenkartellen befasst, kritisiert, dass Guzmán wieder in dorthin eingeliefert wurde. „Das Gefängnis ist so etwas wie sein Büro. Hier kann er seine Geschäfte erledigen, genauso wie persönliche Angelegenheiten. Seine Mutter durfte ihn hier ebenso besuchen wie seine Frauen und seine Kinder. Es ist dort für ihn wie ein Urlaub.“ Sie bemängelt auch, dass bislang das Vermögen des Sinaloa-Kartells nicht eingefroren wurde. An dem Interview mit de Castillo und Penn könne man erkennen, welch ein primitiver Mann „El Chapo“ sei. Viel schlimmer als dieser Verbrecher sei die „Jauchegrube der Mittäterschaft“ die es ermöglicht habe, dass Guzmán zum größten Drogenhändler der Welt werden konnte. Und diese Mittäter seien in den höchsten Kreisen zu suchen.

Was für eine Ironie. Auf die Spur von „El Chapo“ kamen die Fahnder auch durch die abgehörten Nachrichten zwischen ihm und Kate de Castillo. Seine Faszination für die Schauspielerin und seine Eitelkeit wurden ihm zum Verhängnis.

Kate de Castillo hat seit ein paar Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft und lebt in Los Angeles. Die mexikanische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie und Sean Penn. In ihrer nächsten Rolle wird de Castillo die mexikanische First Lady verkörpern. Die spanischsprachige Serie, die noch in diesem Jahr auf Netflix anlaufen soll, heißt: "Ingobernable" (Unregierbar). Auch da ist es nicht weit von der Fiktion zur Realität.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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