El Chapo liest Don Quijote

Es bleibt beim Alten Mexiko nach der Verhaftung von „El Chapo“

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Ausverkauft: T-Shirts mit dem Gesicht von „El Chapo“
Ausverkauft: T-Shirts mit dem Gesicht von „El Chapo“

Bild: ALFREDO ESTRELLA/AFP/Getty Images

„El Chapo“ Guzmán sitzt derzeit in dem gleichen Hochsicherheitsgefängnis aus dem er im letzten Juli entflohen ist. Damit solch eine Blamage nicht noch einmal passiert, bekommt er eine besondere Behandlung. So muss er jede Nacht in einer anderen Zelle schlafen. Ein Hund kostet sein Essen vor, der wertvolle Gefangene soll nicht vergiftet werden. Nach Angaben seiner Anwälte sei Guzmán sehr deprimiert. In den ersten Vernehmungen soll er geäußert haben, er sei „des Fliehens müde“. Angeblich überreichte die Gefängnisverwaltung „El Chapo“ eine Ausgabe des Klassikers „Don Quijote" von Miguel de Cervantes. Der Roman sei ein ausgezeichnetes Buch, angesichts der aktuellen Verfassung des Drogenbosses sei es „die Art Lektüre", die für ihn geeignet sei, so ein Verwalter des Gefängnisses von Altiplano.

Die geplante Auslieferung des mächtigen Kartellchefs in die USA kann sich hinziehen. Seine Anwälte werden jede Möglichkeit ausnutzen um ihn in Mexiko zu halten. In den USA liegen mehrere Haftbefehle wegen Drogenhandels gegen ihn vor. Er gilt als Chef des mächtigen Chef Drogen-Kartells Sinaloa, dem Hunderte Morde angelastet werden.

Während dessen hat sich der mexikanische Filmemacher Alejandro González Iñárritu solidarisch mit seinem Kollegen Sean Penn gezeigt. Penn hatte Joaqion Guzmán während dessen Flucht getroffen und interviewt. In einem Gespräch mit der spanischen Zeitung El País sagte Iñárritu: „Ich verstehe Sean Penn. Er ist seit 30 Jahren Aktivist und hat viele Artikel geschrieben. Er ist von einer großen Neugierde besessen.“ Iñárritu meinte „ich wäre auch gegangen“ und zitierte den mexikanischen Journalisten Julio Scherer, der einmal gesagt hat: „Wenn der Teufel mir ein Interview gibt, gehe ich in die Hölle.“

Im legendären Handelsviertel Tepito in Mexiko Stadt sind unterdessen Baseballkappen und T-Shirts mit dem Gesicht von „El Chapo“ ausverkauft. Auch schwarze Kappen mit dem Schnurrbart des Drogenchefs sind nur noch schwer zu finden.

Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft nahm in dieser Woche Ermittlungen gegen die frühere Kongressabgeordnete Lucero Sanchez auf. Sie besuchte „El Chapo“ vor einem Jahr an Silvester im Gefängnis. Dabei benutzte sie eine falsche Identität. Diesen Besuch hatte sie im letzten Jahr noch abgestritten. Jetzt aber hat sie gestanden und ihr Mandat zurück gegeben.

Die CNN Reporter Krupskaia Alis und Rafael Romo haben sich in „El Chapos“ Heimat Sinaloa umgeschaut. In seinem Geburtstort Badiraguato stellten sie fest, dass sich niemand mit ihnen über Guzmán unterhalten wollte. Nur Pater Jesus Rafael Limon, erst seit sechs Monaten im Amt, meinte: „Ich bin gekommen um Frieden zu bringen. Gott ermutigt die Familien über die viel Leid gekommen ist. Wenn man wirklich hinschaut, dann sieht man, dass die Menschen hier von Herzen gut sind.“

Sinaloa ist die Wiege der mächtigsten mexikanischen Dorgenbarone. Nicht nur „El Chapo“ kommt von hier. Auch Amado Carrillo Fuentes, Chef des Juarez Kartells, komt aus Sinaloa. Genauso wie die Brüder Beltrán Leyva Brüder oder Rafael Caro Quintero, Gründer der inzwischen aufgelösten Guadalajara Kartell Chef. Aus Sinaloa kommen auch „El Chapos“ Adjudanten Ismael „El Mayo" Zambada Garcia und Juan José „El Azul".

Das Sinaloa Kartell arbeitet auch ohne Joaquin Guzmán. Bislang wurde seine Finanzstruktur nicht angegriffen. Für Raúl Benitez Manaut von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, ein Spezialist für Sicherheitsfragen, ist die erneute Festnahme von „El Chapo“ bestenfalls symbolisch. Er hatte sich unbeliebt gemacht, weil er durch seine Tunnel-Flucht die Regierung lächerlich gemacht hatte. Das Kartell werde seit Jahren bereits von Ismael Zambada geführt. Allerdings könnte ein interner Streit entstehen, wenn Guzmáns Söhne, Iván Archivaldo und Jesús Alfredo Guzmán Salazar, nach der Macht im Drogenkartell greifen. Manaut meinte allerdings, dass dann das Sinaloa-Kartell in Konkurs gehe: „Diese Jungs sind nicht in der Lage, eine solche komplexe Organisation zu verwalten. Sie twittern, jagen Frauen und geben mit ihren Ferraris und ihrem Schmuck an.“

Das Sinaloa-Kartell arbeitet derzeit in 54 Staaten in Nord- und Südamerika, Europa, im Mittleren Osten, Asien, Afrika und Ozeanien. „Von all den mexikanischen Kartellen hat das Sinaloa-Kartell die größte Reichweite", sagte Rodney Benson, Leiter der Intelligenz für die US Drug Enforcement Agency (DEA) in einem Auftritt vor dem US-Kongress. Untersuchungen von DEA und Interpol haben ergeben, dass das Sinaloa-Kartall in letzter Zeit vor allem in Afrika Fuß gefasst hat.

Bei all der Aufregung um die Verhaftung von Joaquin Guzmán ging eine Tatsache unter. Im letzten Jahr wurden in Mexiko offiziell 17.013 Menschen ermordet. Eine Steigerung um fast neun Prozent gegenüber 2014. Laut dem Bericht wurden die meisten Personen im Bundesstaat Guerrero ermordet – insgesamt 2.016 Menschen und damit eine erhebliche Steigerung gegenüber 1.514 im Vorjahr.

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Geschrieben von

Goggo Gensch

Autor, Dokumentarfilmer, Kurator. Lebt in Stuttgart.

Goggo Gensch

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