Der Milliardär, die Stiftung, die Privatuni

von Georg Rammer Seltene Einigkeit beim Gesetz gegen Privatuni in den Medien: Es geht um die Freiheit der Bildung, die Autonomie des akademischen Bereichs insgesamt. Wirklich nur darum?

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Alle Medien berichten ausführlich über ein neues Gesetz in Ungarn, das die Central European University (CEU) in Budapest zur Schließung zwingen würde. Tenor der Artikel in Die Zeit, Spiegel, taz, der Freitag: Die staatliche Maßnahme ist ein weiterer Schritt gegen die Freiheit der Wissenschaft und gegen die Demokratie.

So kritikwürdig die fremdenfeindliche, teils rassistische und demokratiegefährdende Politik des korrupten Ministerpräsidenten Viktor Orbán ist, erfordert das Thema CEU eine differenzierte Sicht.

Bei der CEU handelt es sich um eine private Universität, an der laut Wikipedia Studiengebühren in Höhe von 12.000 € erhoben werden. Gegründet wurde sie kurz nach der kapitalistischen Wende 1991 von dem Multimilliardär George Soros und seiner Stiftung Open Society Institute, der sein Vermögen mit Hedgefonds gemacht hat – und mit seinen Spekulationen, u.a. in Asien (mit der folgenden Finanz- und Wirtschaftskrise) und gegen den britischen Pfund. Bekannt ist, dass er den Putsch in der Ukraine massiv unterstützt hat. Mit seinen philanthropischen Aktivitäten in Osteuropa verbindet er geschickt andere Ziele, die als neoliberaler Umbau der Gesellschaft charakterisiert werden können: offene Märkte, Deregulierung, Privatisierung.

Die Stiftungen von Soros werden laut Wikipedia bewusst in der Nähe staatlicher Einrichtungen oder direkt in Regierungs- oder Verwaltungsgebäuden platziert: „Durch dieses weitverzweigte Netzwerk gewinnt George Soros weltweit den notwendigen Informationsvorsprung bei der Beobachtung und Beeinflussung neuer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strömungen.“ Insofern erscheint die Kritik von Nicolas Guilhot begründet, wonach „die durch solche Stiftungen ausgeübte Kontrolle über die Sozialwissenschaften diese entpolitisiert und eine kapitalistische Sicht von Modernisierung bestärkt.“

Die Qualität der Studiengänge an der elitären englischsprachigen Privatuni mag hoch sein. Eine kritische Betrachtung zielt aber auf die Hintergründe, nämlich die Aktiviäten des Milliardärs und seiner Stiftungen. Im Chor der Verteidiger der Privatuni und ihres Stifters ist sie die Ausnahme. Aber eine undifferenzierte Sicht wirkt wenig überzeugend. So gefährlich die ungarische Bildungs- und Kulturpolitik ist, bleibt ein kritischer Blick auf die Interessen und die Macht von weltweit tätigen milliardenschweren Philanthropen wie Soros erforderlich.

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Geschrieben von

grammer

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