Peking dreht jetzt den Strom ab

Regulierung Bis zu drei Viertel aller Bitcoins kamen zuletzt aus China. Das ist vorbei – die Regierung will das Klima schützen und alle Finanzströme kontrollieren
Ausgabe 25/2021
Im Winter packten die Bitcoin-Schürfer ihr Equipment ein und zogen in den äußersten Westen Chinas, in die Region Xinjiang, wo Strom aus Kohlekraftwerken so günstig ist wie nirgends sonst im Land
Im Winter packten die Bitcoin-Schürfer ihr Equipment ein und zogen in den äußersten Westen Chinas, in die Region Xinjiang, wo Strom aus Kohlekraftwerken so günstig ist wie nirgends sonst im Land

Foto: Panthermedia/IMAGO

Es sind Schlagzeilen, die noch vor wenigen Jahren niemand verstanden hätte: „Schürfer verlassen China wegen Krypto-Crackdown“. Dabei kommen die jüngsten Schritte der chinesischen Regierung nicht unerwartet: Nach dem Verbot von Krypto-Handelsplattformen vor vier Jahren wird nun auch den „Minern“, also den Schürfern von Bitcoins, in immer mehr Provinzen der Strom abgestellt. Nun fliehen viele Unternehmen aus der Volksrepublik und suchen nach neuen Standorten im Ausland.

Schon länger war klar: Der Bitcoin ist der natürliche Feind der Finanzkontrollen des kommunistischen Staates. Denn Chinas Regierung will die Kontrolle über den Zahlungsverkehr im eigenen Land nicht verlieren. Seit jeher sorgen strenge Regeln dafür, dass chinesische Staatsbürger nur einen begrenzten Betrag an Renminbis, die Währung Chinas, pro Jahr ins Ausland transferieren können.

Bereits vor vier Jahren, als die Kryptowährung ihren ersten großen Hype erlebte und der Preis eines Bitcoins innerhalb nicht einmal eines Jahres von rund 1.000 auf 19.000 US-Dollar kletterte, gingen die chinesischen Behörden gegen Krypto-Handelsplattformen und die unregulierte Lancierung von immer neuen Kryptowährungen oder Wertmarken, sogenannten Initial Coin Offerings (ICO), vor. Auch die Bekämpfung von Geldwäsche dürfte damals eine Rolle gespielt haben. Seitdem ist es für Chinesen äußerst schwierig geworden, Bitcoins und andere Kryptowährungen zu kaufen.

Nach dem Bitcoin-Handel haben die Regulatoren nun auch die Schürfer, die „Miner“, ins Visier genommen. Bis zu drei Viertel der neu geschürften Bitcoins kamen zuletzt aus China. Doch damit dürfte es nun vorbei sein. Die Jagd auf die Miner begann, als die Kommission für Finanzstabilität des Pekinger Staatsrats vor einigen Wochen einen „Crackdown“ gegen die Kryptoindustrie anordnete: Finanzinstitutionen dürften keine Dienstleistungen mit Kryptowährungen mehr anbieten. Die Nachricht sorgte für ein kurzfristiges Einbrechen des Bitcoin-Kurses.

Auf nach Kasachstan

Lange profitierten die chinesischen Miner in ihrem Hunger nach Marktanteilen vom außerordentlich günstigen Strom in einigen Regionen Chinas. In den bergigen Provinzen Sichuan, Yunnan und Qinghai errichteten sie mit Computern vollgepackte Fabrikhallen in der Nähe von Talsperren, deren Turbinen vor allem während der Schneeschmelze im Frühjahr und während saisonaler Regengüsse ein Überangebot an Strom produzieren. Im Winter packten die Bitcoin-Schürfer ihr Equipment ein und zogen in den äußersten Westen Chinas, in die Region Xinjiang, wo Strom aus Kohlekraftwerken so günstig ist wie nirgends sonst im Land. Auch die Innere Mongolei galt bis zuletzt als beliebte Mining-Region, in der Kohle günstig ist.

Was ist was

Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel mit einem dezentralen, also über viele einzelne Rechner verteilten, und kryptografisch – verschlüsselt – abgesicherten Zahlungssystem, der Blockchain. Sie sind unabhängig von Banken oder einer Zentralbank. Beispiele sind Bitcoin, Ether und Polkadot.

Bitcoin (BTC) war 2007 die erste und ist derzeit die marktstärkste Kryptowährung. Durch Lösen von Rechenaufgaben „schürfen“ Computer neue Bitcoins. Das saugt Energie: Derzeit verbraucht das weltweite Schürfen von Bitcoins mehr Strom als Länder wie Finnland oder Belgien.

Doch nach und nach setzen die Provinzregierungen nun die Anordnungen der Führung durch und gehen gegen die Miner vor. Den Auftakt machte die Innere Mongolei, die die Bevölkerung dazu aufrief, Hinweise zu liefern, wo Unternehmen illegale Mining-Aktivitäten betreiben. Mindestens 35 Mining-Betriebe wurden bis Ende April bereits geschlossen. Auch Xinjiang, Qinghai und Yunnan kündigten an, illegalen Schürfern den Stecker zu ziehen.

Chinas junge Bitcoin-Industrie hat es so weit getrieben, dass sie zuletzt laut einigen Schätzungen in der Spitze allein so viel Strom verbrauchte wie ganz Italien. Das will Peking nicht länger zulassen. Denn der ausufernde Stromverbrauch wird als Gefahr für die ambitionierten Klimaziele der zweitgrößten Volkswirtschaft gesehen, die Präsident Xi Jinping persönlich vorgegeben hat.

In der Branche herrscht Panik. „Praktisch alle großen Miner denken darüber nach, sich in andere Staaten zu verlagern“, sagt der chinesische Bitcoin-Analyst Colin Wu. Besonders Nordamerika, Kasachstan und Russland stünden als neue Standorte hoch im Kurs. Nicht wenige Miner, so Wu, hätten damit begonnen, ihr Equipment zu Spottpreisen loszuschlagen. Preise für den Antminer S19, einen in China beliebten Bitcoin-Mining-Computer, seien so innerhalb weniger Tage von umgerechnet 9.000 auf 6.500 Euro gefallen. Wenn sich an der derzeitigen Politik nichts ändere, gebe es für Miner in China keine Zukunft, meint Wu.

Danach, dass Peking einlenkt, sieht es derzeit nicht aus. Im Gegenteil verschärften die Behörden den Kurs sogar noch. Viele Accounts in Chinas größtem sozialen Netzwerk Weibo, die sich mit Bitcoins im Besonderen und Kryptowährungen im Allgemeinen auseinandergesetzt haben, wurden von den Zensurbehörden blockiert. Nach dem Handel und Mining versucht Peking nun, auch sämtliche Diskussionen über Vor- und Nachteile von Kryptowährungen zu ersticken. Dass Peking in aller Härte gegen den Bitcoin und andere Kryptowährungen vorgeht, kommt nicht daher, dass es sich technischem Fortschritt verschließen will. Im Gegenteil arbeitet die chinesische Regierung unter Hochdruck daran, eine eigene Digitalwährung einzuführen. In Feldversuchen wird der „digitale Yuan“ bereits seit dem vergangenen Jahr getestet. Der ist allerdings das genaue Gegenteil der Bitcoin-Idee: Statt Anonymität zu bieten, könnte er die Nachverfolgbarkeit von Zahlungen auf ein ganz neues Niveau heben. Auf entsprechend wenig Interesse sind die Tests mit der neuen Währung bislang in der Bevölkerung gestoßen.

Info

Dieser Text erscheint auch in China.Table, dem China-Newsletter des digitalen Table.Media-Medienhauses in Berlin

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden