Einige harte Gedanken über die Zeit nach dem Ukraine-Krieg

Der Ukrainekonflikt aus der Sicht von zwei ehemaligen CIA-Mitarbeitern. Beide haben kürzlich zwei bemerkenswerte Artikel zur Lage in der Ukraine und dem Verhalten des westlichen Bündnisses geschrieben. Solche Analysen findet man in den hiesigen Medien kaum.

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Graham E. Fuller ist ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des National Intelligence Council bei der CIA und verantwortlich für globale Geheimdiensteinschätzungen.

Larry C. Johnson ist ein Veteran der CIA und des Büros für Terrorismusbekämpfung des Außenministeriums. Er ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von BERG Associates, das 1998 gegründet wurde. Larry bildete 24 Jahre lang die Special Operations Community des US-Militärs aus.

Graham Fuller beginnt seinen Beitrag, dem auch die Überschrift dieses Blogs entlehnt ist, mit folgender Einschätzung:

"Der Krieg in der Ukraine hat sich jetzt lange genug hingezogen, um gewisse klare Richtungen aufzuzeigen. Zunächst zwei grundlegende Realitäten :

  1. Putin ist dafür zu verurteilen, dass er diesen Krieg begonnen hat – wie praktisch jeder Führer, der einen Krieg beginnt. Putin kann als Kriegsverbrecher bezeichnet werden – in guter Gesellschaft mit George W. Bush, der weitaus mehr Menschen getötet hat als Putin.
  2. Zweitrangig zu verurteilen ist die Tatsache, dass die USA (NATO) absichtlich einen Krieg mit Russland provozierten, indem sie ihre feindliche militärische Organisation trotz Moskaus wiederholter Meldungen über das Überschreiten roter Linien unerbittlich bis vor die Tore Russlands drängten. Dieser Krieg hätte nicht sein müssen, wenn die ukrainische Neutralität á la Finnland und Österreich akzeptiert worden wäre. Stattdessen hat Washington eine klare Niederlage Russlands gefordert.

Wohin wird es gehen, wenn der Krieg zu Ende geht?

Entgegen Washingtons triumphaler Verlautbarungen gewinnt Russland den Krieg, die Ukraine hat den Krieg verloren. Der längerfristige Schaden für Russland steht nun zur Debatte.

Die amerikanischen Sanktionen gegen Russland haben sich jedoch für Europa als weitaus verheerender erwiesen als für Russland. Die Weltwirtschaft hat sich verlangsamt, und viele Entwicklungsländer sind mit ernsthafter Nahrungsmittelknappheit und dem Risiko einer breiten Hungersnot konfrontiert."

Bei seinem Blick in die Zukunft geht er davon aus, dass die NATO nach dem Ende des Krieges geschwächt sein wird. Seiner Ansicht nach werden die europäischen Länder sich von den USA als untergehendes Imperium abwenden und wieder Energie und Rohstoffe aus Russland beziehen. Insbesondere macht er dafür das Verhalten der USA gegenüber China verantwortlich. Wenn schon die Sanktionen gegen Russland zu großen Nachteilen für die europäischen Volkswirtschaften geführt haben, dann würde ein Wirtschaftskrieg gegen China den endgültigen Ruin bedeuten. Dies sollte sich kein europäischer Politiker leisten können. Wörtlich schreibt er:

"Chinas „Belt and Road“-Initiative ist vielleicht das ehrgeizigste wirtschaftliche und geopolitische Projekt der Weltgeschichte. Sie verbindet China bereits per Bahn und Schiff mit Europa. Der europäische Ausschluss aus dem „Belt and Road“-Projekt wird teuer zu stehen kommen. Beachten Sie, dass die neue Seidenstraße quer durch Russland verläuft. Es ist unmöglich, dass Europa seine Tore gegenüber Russland verschließt und gleichzeitig den Zugang zu diesem eurasischen Megaprojekt behält. Ein Europa, das die USA bereits im Niedergang sieht, hat also kaum einen Anreiz, sich dem Zug gegen China anzuschließen. Das Ende des Ukraine-Krieges wird in Europa zu ernsthaften Überlegungen darüber führen, welche Vorteile es hat, Washingtons verzweifelten Versuch, seine globale Hegemonie aufrechtzuerhalten, zu unterstützen."

Schließlich geht Graham Fuller noch auf die unrühmliche Rolle der Medien ein.

"Eines der beunruhigendsten Merkmale dieses amerikanisch-russischen Kampfes in der Ukraine war die völlige Korruption unabhängiger Medien. Tatsächlich hat Washington den Informations- und Propagandakrieg haushoch gewonnen und alle westlichen Medien orchestriert, aus demselben Gesangbuch zu singen, wenn es um die Charakterisierung des Ukraine-Krieges geht. Der Westen hat noch nie zuvor eine solche pauschale Auferlegung durch die ideologisch getriebene geopolitische Perspektive eines Landes zu Hause erlebt. Auch der russischen Presse ist natürlich nicht zu trauen. Inmitten eines virulenten antirussischen Propaganda-Sperrfeuers, wie ich es in meinen Tagen als Kalter Krieger noch nie gesehen habe, müssen seriöse Analysten heutzutage tief graben, um ein objektives Verständnis dafür zu erlangen, was tatsächlich in der Ukraine vor sich geht.

Ist diese amerikanische Mediendominanz, die fast alle alternativen Stimmen leugnet, nur ein Ausrutscher, der durch die Ereignisse in der Ukraine verursacht wurde? Die europäischen Eliten kommen vielleicht langsam zu der Erkenntnis, dass sie in diese Position der totalen „Einstimmigkeit“ gedrängt wurden. Die Fassade der „Einheit von EU und NATO“ zeigt bereits erste Risse. Aber die gefährlichere Folge ist, dass, während wir auf zukünftige globale Krisen zusteuern, eine echte unabhängige freie Presse weitgehend verschwindet, in die Hände von unternehmensdominierten Medien fällt, die den politischen Kreisen nahe stehen, und jetzt durch elektronische soziale Medien gestärkt werden, die alle die Erzählung zu ihren eigenen Zwecken manipulieren. Während wir uns durch globale Erwärmung, Flüchtlingsströme, Naturkatastrophen und wahrscheinlich neue Pandemien in eine vorhersehbar größere und gefährlichere Krise der Instabilität bewegen, wird eine rigorose staatliche und unternehmerische Beherrschung der westlichen Medien in der Tat sehr gefährlich für die Zukunft der Demokratie."

Der vollständige englische Text ist auf seiner Homepage unter "Some hard thoughts about post Ukraine" zu finden.

Larry Johnson veröffentlicht auf seiner Homepage beinahe täglich Analysen zum Ukrainekonflikt. In "Western Military Analysts, Including The Cia, Dazed And Confused" macht er auf die Ursachen des Versagens der NATO und der EU aufmerksam. Die westlichen Geheimdienste liefern falsche Informationen, das westliche Militär ist ahnungslos, was die Stärke der Russen angeht, unsere Politiker folgen dem blind, auch weil es so in den Medien verbreitet wird.

Johnson zeigt, dass das falsche Personal mit falschen Prämissen nur unwahre Berichte liefern kann. Die Fehler werden dann nicht zugegeben, sondern vertuscht. Anhand früherer Aussagen weist er jedoch nach, dass diese Fehler wirklich passiert sind.

"Das Problem mit der CIA ist ganz einfach: Wenn man der Einstellung von Personen aufgrund ihrer Vorliebe für Pronomen und ihrer degenerierten Sexualität den Vorzug gibt vor der Rekrutierung versierter, wirklich gebildeter Menschen, die über Fähigkeiten zum kritischen Denken verfügen, muss man sich nicht wundern, wenn die jugendlichen Mittelmäßigen schlechte Leistungen erbringen. Wie soll ein geschlechtsloses "sie" ohne militärische Erfahrung und ohne Fremdsprachenkenntnisse den militärischen Ausgang eines Konflikts vorhersagen, bei dem die angreifende Truppe zahlenmäßig 3 zu 1 unterlegen ist?

Scheitern soll ein großer Lehrer sein. Aber dieser Unterricht gelingt nur, wenn der Schüler bereit ist, harte Lektionen zu lernen. Die CIA ist zu einer lilahaarigen Clownshow geworden. Werfen Sie einfach einen Blick auf diesen Artikel des Business Insider "US - Geheimdienstmitarbeiter geben zu, dass sie nicht gesehen haben, dass Russlands Militär eine „hohle Kraft“ ist."

Russland ist jetzt eine „hohle Kraft“? Das einzig Hohle in diesem Beispiel sind die leeren Köpfe der Idioten, die sich als Geheimdienstanalytiker ausgeben."

Ein kurzer Auszug dessen, was Johnson dem nach einer kleinen Internetrecherche entgegenstellt. Führende CIA-Mitarbeiter haben vor dem 24.02.2022 folgendes geschrieben:

"Die Intelligence Community schlägt einen Grand Slam. Jetzt muss sie der Ukraine helfen, zu gewinnen – Auch die Biden-Regierung hat Anspruch auf etwas Applaus. Sie „überschwemmte die Zone“ mit autorisierten Offenlegungen von Geheimdienstinformationen vor der russischen Invasion. . . . Die neueren Enthüllungen waren auch als Abschreckung gedacht, um in den Entscheidungsprozess des russischen Präsidenten Wladimir Putin einzudringen und ihn vielleicht dazu zu bringen, zweimal nachzudenken, bevor er auf die Schaltfläche „Go“ drückt. . . . Die Geheimdienste müssen sich zusammen mit den Spezialeinheiten des US-Militärs darauf vorbereiten, eine ukrainische Aufstandskampagne durchzuführen und/oder zu unterstützen. Das Vorbild sollte Afghanistan im Jahr 1980 sein, kurz nach der sowjetischen Invasion. . . . Gleichzeitig müssen – und werden – die Geheimdienste nach Diplomaten und Geheimdienstoffizieren suchen, die in russischen Botschaften im Ausland dienen und die Entscheidung treffen, und sie ermutigen ob sie von Putins Schiff springen oder nicht. . . . Die Geheimdienste werden auch darauf achten, Anzeichen dafür zu sehen, dass Zehntausende oder vielleicht mehr mutige Russen bereit sind, auf ihre Straßen zu gehen. . . . Schließlich ist da noch die Unterstützung der Geheimdienste für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelensky.

Selenskyj gegen Putin. Leonidas gegen Xerxes. Wird sich die Geschichte wiederholen? Vielleicht. Aber hoffen wir, dass der neue Leonidas dieses Mal lebt, um die Geschichte zu erzählen. Und dass sein Volk an seiner Seite in souveräner Demokratie triumphiert. Amerika hat ein Interesse an diesem Kampf. Es ist Zeit, Geschichte zu schreiben. Es ist an der Zeit, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen."

Wer solche Geheimdienste hat, muss wahrscheinlich mit ähnlich inkompetentem Militär gesegnet werden.

"Amerikanische Top-Generäle über drei wichtige Lehren aus der Ukraine – „Die Computermodelle hätten gesagt, dass Russland in 72 bis 96 Stunden gewinnt“, sagte Marine Corps Commandant General David Berger. Sie „können nicht erklären, warum die Ukraine immer noch festhält. Warum ist das so?" . . . . Es dauerte Monate, bis der russische Präsident Wladimir Putin mehr als 175.000 russische Soldaten an der ukrainischen Grenze versammelt hatte. Aber seit diese Kräfte am 23. Februar mobilisiert wurden, ist das russische Militär von einem logistischen Versagen nach dem anderen in Verlegenheit gebracht worden. Videos, die in den sozialen Medien gepostet wurden, zeigten Reihen von Panzern und Militärfahrzeugen, die auf ukrainischen Straßen stehengeblieben sind, ohne Ersatzteile, um kaputte Fahrzeuge zu reparieren, und ohne Treibstoff, um sie wieder zum Laufen zu bringen. Andere virale Videos zeigten hungrige russische Soldaten, denen offenbar die Rationen ausgegangen waren, als sie Lebensmittel von Ukrainern annahmen."

Einschätzungen dieser Art wurden von den Medien am laufenden Band aufgenommen und verbreitet. Unsere Politiker haben sie unkritisch übernommen. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen, der größer nicht sein könnte.

Werden wir als Europäer, als Deutsche es schaffen, uns zu emanzipieren und unseren eigenen Weg zu gehen, der unsere ureigensten Interessen im Blick hat. Davon wird es abhängen, welche Welt wir selbst erleben werden und unseren Kindern und Enkeln hinterlassen. Dafür haben wir aber nicht unendlich Zeit. Wie Graham Fuller betonte, liegen die großen Krisen noch vor uns. Haben wir zur Bewältigung genügend geschultes und fähiges Personal? Werden diese Menschen die Chance bekommen, das Ruder herumzureißen bevor wir ins wirtschaftliche Chaos oder noch schlimmer, in den Atomkrieg gestolpert sind? Letzteres würde nicht aus bösem Willen, sondern aus Unfähigkeit und ideologischer Verbohrtheit geschehen.

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