4 Frauen und ein Mann

Der Schoß ist fruchtbar noch Im Fernsehen der DDR lief vor 50 Jahren die polnische Serie "Vier Panzersoldaten und ein Hund". Die Wikipedia schreibt dazu: "Trotz des ernsten Hintergrundes und einiger Schicksalsschläge enthält die Serie viele komische Momente."

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Im Zweiten Deutschen Fernsehen läuft seit 2008 die Talkshow "Markus Lanz". Wikipedia schreibt dazu: "Seit den 2010er Jahren verlagerte die Sendung ihren Schwerpunkt von der Unterhaltung auf politische Debatten." Was der Moderator und das gastgebende ZDF unter einer politischen Debatte versteht, konnte man am 12. April 2022 live erleben. Für interessierte Leser, die ihre Zeit normalerweise sinnvoller verbringen, hier der Link auf die Sendung beim ZDF. Zu Gast waren Sicherheitsexpertin Florence Gaub, Journalistin Helene Bubrowski, Politikerin Klara Geywitz und Bauingenieurin Lamia Messari-Becker. In locker flockiger Art und Weise beschäftigte sich die Runde mit dem drängenden Wohnungsproblem in Deutschland, dem Fehlen der Handwerker für die Bewältigung der Klimakrise, dem phrasenhaften Umgang der Medien mit dem Rücktritt der Familienministerin und schlussendlich mit dem Krieg in der Ukraine.

Die folgenden Zitate kann man ab Minute 37:28 nachhören.

Für den Krieg war Frau Gaub zuständig, laut ZDF "Analystin vom Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien" die "über die aktuelle militärische Entwicklung im Ukraine-Krieg informiert." Im Verlauf der Sendung sagt Frau Gaub nicht nur, dass sie "dafür ist, dass man der Ukraine alles gibt, was sie für ihre Verteidigung braucht." Kein Wort mehr davon, dass Deutschland sich mit Waffenlieferungen in Krisengebiete zum Konfliktpartner macht. Kein Wort von der Sicherheitsexpertin, dass wir uns damit zum legitimen Ziel machen. Sie spricht auch unverfroren davon, dass "Der Typ (Putin) seit 8 Jahren lügt", ohne mit einem Wort die über 10000 Toten, davon die Mehrzahl ukrainische Zivilisten, zu erwähnen, die der Anti-Terror-Einsatz der Ukrainischen Regierung forderte. Unwidersprochen darf sie davon reden, dass die Bewohner des Donbass zwangsbefreit werden sollen, was sie gar nicht wollen, da ihre russischen Wurzel vollumfänglich von der Zentralregierung geschützt werden. Als Expertin erklärt sie den Zangengriff der russischen Armee damit, dass die ukrainische Armee vernichtet werden soll. Der Moderator fragt nicht nach, warum das noch nicht geschehen ist. Er kommt gar nicht auf die Idee, dass solch ein Ziel sehr einfach um den Preis von 60000 ukrainischen Menschenleben schon erreicht worden wäre, wenn Russland nach dem Vorbild der Amerikaner im Irak vorgehen würe. Im Angesicht der Karte darf die Expertin sagen: "Wenn die Russen es geschickt anstellen, dann schaffen sie es tatsächlich, die Ukraine einzukesseln." Warum lacht niemand in der Runde bei so viel Blödsinn? Russland mag ja vielleicht die Ukraine besetzen können, aber zum Einkesseln müssten die Russen immerhin auf das Gebiet von 5 Staaten vorrücken, vier davon sind NATO-Mitglieder. Ein Blick auf die Karte genügt, um diese Dummheit zu entlarven. Ihr strategisches Unvermögen stellt Frau Gaub mit der Bemerkung "Ich glaube, dass die Ukrainer die Russen in Mariupol absichtlich so lange festhalten, damit sie nicht woanders hingehen können." schlaglichtartig unter Beweis. Der Eingekesselte ist der, der über die Initiative verfügt. Das wird in die Lehrbücher eingehen. Mir tun die Studenten leid, die in Potsdam Vorträge von ihr hören müssen. Sie versteigt sich sogar dazu, dass "die Ukrainer, also die Zivilbevölkerung bewusst die Gefahr in Kauf genommen haben, weil sie wissen, dass es darüber hinaus ein strategisches Ziel gibt." Das Konzept der "menschlichen Schutzschilde", welches von den Ukrainern in nie dagewesenem Ausmaß eingesetzt wird, wird damit heilig gesprochen, obwohl es durch die Genfer Konventionen geächtet ist. Das Ausmaß der Zerstörung von Mariupol ist genau darauf zurückzuführen, dass sich die Asow-Gangster hinter den Fenstern der mehrstöckigen Häuser verschanzen, während in den Kellern die Zivilisten vor Angst nicht wissen, was sie machen sollen. Geht es noch zynischer? Ja, es folgt eine Erklärung, die einer Pippi Langstrumpf würdig ist. "Krieg ist eine Einbahnstraße, d.h. sobald die Russen drin sind, kommen sie nicht wieder raus." Absolut lächerlich macht sich die Dame mit ihren Erklärungen zur Verschuldung der USA im 2. Weltkrieg. "Das war auch für die Amerikaner nicht mehr tragbar." Dass die Amerikaner auf Kosten der Briten und Franzosen und anderer Nationen sich gesund gestoßen haben und ihren kometenhaften Aufstieg nach 1945 genau diesem Krieg zu verdanken haben, geht an der Expertin völlig vorbei. Und auch dem Moderator ist unbekannt, dass die USA nach dem Krieg über 45 % des Bruttosozialprodukts der gesamten Welt verfügten und mit dem Dollar der Grundstein für ihre Weltbeherrschung gelegt war. Besonders absurd wird es, wenn davon gesprochen wird, dass die Leichen der russischen Soldaten in Kühlhäusern in Weissrussland liegen (Gaub) oder das den Panzern rollende Krematorien folgen (Lanz). Das sind die "komischen Momente, trotz des ernsten Hintergrundes". Darauf einzugehen, dass in den USA wegen der toten Soldaten des Vietnamkrieges keine "Revolution" stattgefunden hat, ist müßig, denn die Dame scheint über keinerlei historisches Gedächtnis zu verfügen. Aber damit kommen wir zum absoluten Tiefpunkt der Sendung. Das Folgende muss man erst einmal setzen lassen.

Frau Gaub: Wir dürfen nicht vergessen, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind – jetzt im kulturellen Sinne – die einen anderen Bezug zu Gewalt haben, die einen anderen Bezug zu Tod haben.

Markus Lanz: Leidensfähiger sind, oder was meinen Sie?

Frau Gaub: Naja, (Gestammel) …das gibt da nicht diesen liberalen, postmodernen Zugang zum Leben; das Leben als ein Projekt , was jeder für sich individuell gestaltet, sondern das Leben kann auch mit dem Tod recht früh enden – ich meine Russland hat auch eine relativ niedrige Lebenserwartung , ich glaube 70 für Männer , ähm, das ist halt einfach… da geht man einfach anders damit um, dass da Menschen sterben.

Markus Lanz: Hm.

Florence Gaub: Das ist dramatisch.

Mit Verlaub, das ist Ausdruck eines Denkens, der dem Rassismus gegenüber Russen eine Legitimation verleiht, wie wir sie schon einmal hatten. Dass dies unwidersprochen im Jahre 2022 im öffentliche-rechtlichen Fernsehen in Deutschland über den Sender geht, ohne dass Konsequenzen nach sich zu ziehen, ist ungeheuerlich.

„So was hätt einmal fast die Welt regiert!

Die Völker wurden seiner Herr, jedoch

Dass keiner uns zu früh da triumphiert -

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“

Berthold Brecht ist aktueller den je.

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