Sichere Antikörpertests auf SARS-Cov-2?

Herdenimmunität erreicht? In dem kleinen Dorf St. Ulrich haben Antikörpertests auf SARS-Cov-2 eine Immunität von 50 % gezeigt.

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Haben wir die Herdenimmunität erreicht?

Tests auf Antikörper ermittelten in der Dorfbevölkerung zu 50 % positive Resultate. (s. "Haben eine gewisse Herdenimmunität") Was heißt das? Ist wirklich die Hälfte der Bevölkerung dort schon immun? Zum einen weiß noch niemand, ob und wie lange ein Mensch mit Antikörpern wirklich immun ist, ob sich die Wirkung abschwächt oder ob der Krankheitsverlauf damit weniger schwer verläuft. Wichtiger ist jedoch die Frage, wie sicher die Aussagen des Tests sind. Dazu benötigt man 3 Angaben, die leider nicht so einfach verfügbar sind. Der Hersteller des Tests hat sich selbst zertifiziert, d.h. die Selektivität und Spezifität selbst ermittelt. Bei einer Konkurrenz in dem lukrativen Markt ist eine unabhängige Verifizierung aber unabdingbar. Als dritte Größe benötigt man die Basiswahrscheinlichkeit, also die wirkliche Rate der Immunität in der Gesamtbevölkerung. Aus diesen Zahlen lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass ein positives Ergebnis des Tests auch wirklich bedeutet, dass Antikörper auf SARS-Cov-2 vorhanden sind. In dem genannten Artikel äußert sich der Immunologe und Forscher an der TUM Bernd Gänsbacher sehr skeptisch: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der hohe Anteil positiver Testergebnisse auch auf eine ganz gewöhnliche Grippewelle, die von den Erkältungs-Coronaviren verursacht wurde, zurückzuführen ist".

Das folgende Rechenbeispiel soll das verdeutlichen. Ich nehme an, dass der Test eine Selektivität von 99 % hat, d.h. Antikörper werden korrekt nachgewiesen, wenn sie vorhanden sind. Die Spezifität betrage 90 %, d.h. wenn es Antikörper auf andere Coronaviren gibt, dann wird in 10 % der Fälle ein falsch-positives Ergebnis ausgegeben und es wird angenommen, dass die Person immun sei, obwohl sie es gar nicht ist. Die dritte Größe ist die große Unbekannte. Wieviele Menschen tragen wirklich die gesuchten Antikörper in sich. Schätzungen gehen von max. 8 % (Fall 1) aus, in Heinsberg sollen es bis zu 15 % (Fall 2) sein und in St. Ulrich angeblich 50 % (Fall 3). Wir wollen diese drei Zahlen miteinander vergleichen, indem wir die relativen Häufigkeiten, wie Gerd Gigerenzer empfiehlt, heranziehen.

Wenn wir eine Gruppe von 10000 Menschen hernehmen, dann sind bei 8 % Durchseuchung 800 Menschen mit Antikörpern anzutreffen (respektive 1500 bzw. 5000). Wenn wir nun 10000 Tests durchführen, dann wird das Ergebnis sein, dass von den 800 Menschen im ersten Fall 792 richtig-positiv erkannt werden (99% von 800). Für die beiden anderen Fälle sind dies 1485 bzw. 4950. Aber es werden auch falsch-positive Ergebnisse angezeigt. Im ersten Fall sind dies 10 % von 9200, also 920. In den beiden anderen Fällen sind es 850 bzw. 500. Jetzt können wir die Zahl der richtig-positiven Ergebnisse durch die Summe aller positiven Ergebnisse teilen, um die Sicherheit eines positiven Testergebnisses zu erhalten.

Fall 1: P = 792/(792 + 920) = 46 %

Fall 2: P = 1500/(1500 + 850) = 63 %

Fall 3: P = 5000/(5000 + 500) = 90 %

Durch die geringe Spezifität ist die Sicherheit des Testergebnisses sehr stark von der Basiswahrscheinlichkeit, die ja eigentlich ermittelt werden soll, abhängig. Niemand kann bisher sagen, wie gut die Antikörpertests wirklich zwischen den verschiedenen SARS-Antikörpern diskriminieren können. Jeder kann mit diesem Beispiel "Was-Wäre-Wenn-Rechnungen" einfach durchführen und die drei Zahlen variieren, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie stark das Ergebnis davon abhängt.

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