Wie sicher sind CORONA-Tests?

Ganz oder gar nicht? Wir Menschen sind durch die Evolution nicht gut darauf vorbereitet, mit unsicheren Informationen umgehen zu können.

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Wenn unsere Vorfahren im Urwald auch nur den leisesten Verdacht hatten, dass hinter dem nächsten Gebüsch ein Tiger lauert, dann haben sie immer einen großen Bogen gemacht oder sind umgekehrt. Auch wenn es in der Hälfte oder mehr der Fälle kein Tiger war. Die Mutigeren sind öfter gefressen worden und haben daher nicht so viele Nachkommen hinterlassen. Es ist natürlich verkürzt zu sagen, dass wir die Erben von Feiglingen sind. Und im heutigen Leben spielen Tiger nicht mehr diese Rolle, dafür aber dieses kleine Virus umso mehr.

Man kann es mit den eigenen Sinnesorganen nicht wahrnehmen. Wir sind daher auf Tests angewiesen. Für die Beurteilung eines Testergebnisses müssen jedoch einige Informationen sicher vorliegen, um daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Ein Test kann beim Vorliegen des Virus positiv (richtig positiv) oder negativ (falsch negativ) ausfallen. Ebenso kann der Test, wenn das Virus nicht anwesend ist, negativ (richtig negativ) oder positiv (falsch positiv) ausfallen. Diese 4 Möglichkeiten sind in Betracht zu ziehen, wenn man selbst getestet wird. Die Sensitivität eines Tests sagt uns etwas darüber, wie groß die 'richtig positiv'-Rate ist. Die Spezifität sagt aus, wie groß die 'richtig negativ'-Rate ist.

Die angewandten Tests sagen nun entweder 'positiv' oder 'negativ'. Woher können wir die Sicherheit nehmen, dass ein positiver Test auch wirklich bedeutet, dass wir das Virus in uns tragen? 'Positiv' getestet bedeutet nämlich nicht, dass wir mit 100 %-iger Sicherheit angesteckt sind. Dazu müssen wir die 'falsch positiv'- und die 'falsch negativ'-Rate kennen, also die Sensitivität und die Spezifität. Mit Hilfe der Bayesschen Formel kann dann berechnet werden, mit welcher Sicherheit das positive Testergebnis wirklich 'angesteckt' bedeutet. Doch halt, ganz so einfach ist es nicht. Zum einen verstehen nur wenige Menschen diese Formel und können sie wirklich anwenden. Zum anderen fehlt aber eine wichtige Größe. Das ist die Wahrscheinlichkeit dafür, welcher Anteil der Bevölkerung wirklich angesteckt ist, also die Basiswahrscheinlichkeit.

Hier haben wir nun ein Dilemma. Die Tests sind alle nicht wirklich gründlich getestet worden, d.h. wir kennen ihre Sensitivität und ihre Spezifität nicht wirklich. Außerdem ist die Basisrate unbekannt und verändert sich durch laufende Ansteckungen und Gesundungen ständig. Dies bedeutet wiederum, dass sich die Sicherheit eines Tests heute anders darstellt als in einer Woche, obwohl es derselbe Test ist. Lax ausgedrückt: Wer davon nicht verrückt wird, ist wohl nicht normal.

Gerd Gigerenzer hat empfohlen, statt der Bayesschen Formel natürliche Häufigkeiten anzuwenden. Das kann jeder mit elementaren Schulkenntnissen der Mathematik nachvollziehen. Ich möchte hier das von ihm publizierte Beispiel eines Tests auf Brustkrebs zitieren. (Glaub keiner Statistik, die du nicht verstanden hast) Jeder kann dann, wenn er Lust hat, die Zahlen variieren.

  1. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau Brustkrebs hat, beträgt 1 Prozent (Basisrate oder Prävalenz).
  2. Wenn eine Frau Brustkrebs hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis positiv ist, 90 Prozent (Sensitivität).
  3. Wenn die Frau keinen Brustkrebs hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis dennoch positiv ist, 9 Prozent (falsch-positiv-Rate).

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis auch wirklich das Vorliegen von Brustkrebs bedeutet? In einer Gruppe von Ärzten, denen er diese Frage vorlegte, haben nur 21 % die richtige aus 4 vorgegebenen Antworten geben können. Diese lautet überraschenderweise: "Von 10 Frauen mit positivem Mammografiebefund hat etwa eine Brustkrebs"! Auf S. 4 des verlinkten Dokuments kann man das nachvollziehen.

Wenn 1000 Frauen getestet werden, haben nach der Basisrate 10 davon Krebs (1 %). Von diesen 10 werden durch die Sensitivität des Tests 9 richtig erkannt (90 %). Durch die Spezifität werden aber auch 89 als positiv erkannt, obwohl sie keinen Krebs haben (9 % von 990). Daraus berechnet sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Ergebnis auch Krebs bedeutet: 9/(9+89)≈0,0092.

Ob es zum bisherigen Umgang mit den Testergebnissen eine rationale Alternative gibt, kann diese Statistik nicht hergeben. Wir können heute nicht mit Sicherheit sagen, ob wir die Anzahl der wirklich Infizierten kennen oder diese grob unter- bzw. überschätzen. Ebenso verhält es sich mit der Sterblichkeit. Das liegt aber nicht nur an dem hier dargelegten Sachverhalt, sondern auch an der mangelnden Repräsentativität der Stichproben.

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