Kiesewetter-Mord vor Gericht

NSU-Prozess Heute wird in München die Ermordung der Polizistin Kiesewetter in Heilbronn verhandelt. Die Aussage ihres ehemaligen Kollegen könnte neue Fragen zum NSU-Komplex aufwerfen

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Kiesewetter-Mord vor Gericht

Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

Nur kurze Zeit nachdem ein Polizist glaubwürdig zu Protokoll gab, dass Thüringens LKA-Präsident Werner Jakstadt die Fahndung nach dem Terrortrio NSU 2003 behindert hat, darf man gespannt darauf sein, ob die Öffentlichkeit weiterhin der These der Bundesanwaltschaft folgt, der NSU habe aus einem abgeschotteten Dreierbund bestanden.

Wie glaubwürdig ist die Annahme, Böhnhardt und Mundlos wären die alleinigen Täter, die sich 2007 spontan zur Ermordung der beiden Beamten in Heilbronn entschlossen hätten ?

Fakt ist, der Mord von Heilbronn, die Rolle des Ku Klux Klan und die Verstrickungen der Verfassungschutzes in Baden-Württemberg lassen viele Fragen offen, wie auch Clemens Binninger, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im NSU–Untersuchungsausschuss des Bundestages, feststellte:

„Heilbronn ist in vieler Weise unerklärlich, es passt nicht in die Serie der anderen neun Morde, an den ausländischen Mitbürgern, es wurden andere Tatwaffen eingesetzt, natürlich auch um den Zusammenhang erst gar nicht erkennen zu lassen. Heilbronn hat nach wie vor viele offene Fragen.“

Warum wurden die Phantombilder der glaubwürdigen Zeugen, sowie des angeschossenen Polizisten Martin A. nie veröffentlicht ?

Warum ähnelten sämtliche Phantombilder weder Böhnhardt noch Mundlos ?

Warum behaupten Behörden und Medien immer wieder Martin A.'s Erinnerungen seien schwach, spärlich oder lückenhaft, während in den Ermittlungsakten die Erstellung des Phantombildes gegenteilig beschrieben wird ?

"Er hatte klare und konkrete Erinnerungen an die Situation, die er sich immer wieder vor seinem inneren Auge abrief."

Wovor hat Martin A. Angst, wie es im Umfeld des Polizisten heißt ?

Warum gelten Böhnhardt und Mundlos als alleinige Täter, wenn die Ermittlungsakten inklusive Zeugenaussagen nahelegen, dass fünf bis sieben Personen unmittelbar an der Tat beteiligt gewesen sein müssen ?

Warum wurde 2007 den Hinweisen von Kiesewetters Onkel es bestehe ein "Zusammenhang mit den bundesweiten Türkenmorden" und ein Radfahrer solle bei den Morden involviert gewesen sein, nicht nachgegangen ?

Warum will der Onkel sich heute nicht mehr dazu äußern ?

Warum wurde das Handy von Michele Kiesewetter nicht sichergestellt, warum ihre Verbindungsdaten und ihr e-mail Verkehr nicht dokumentiert und ausgewertet ?

Waren Verfassungsschützer Zeuge beim Mord an Michèle Kiesewetter, wie der Stern mit Verweis auf einen geheimen Observationsbericht eines amerikanischen Geheimdienstes berichtete ?

Gab es tatsächlich keinerlei Verbindungen des NSU zur gebürtigen Thüringerin Kiesewetter ?

Warum fuhren die Attentäter Hunderte Kilometer nach Heilbronn, um dann eine beliebige Polizistin zu erschießen?

Ist es reiner Zufall, dass der Vorgesetzte Kiesewetters zeitweise Mitglied in einem schwäbischen Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klan war ?

Ist es Zufall, dass sich Florian Heilig, der 2011
umfangreiche Aussagen zur Neonaziszene in Heilbronn und zu dem Mordanschlag 2007 machte, wenige Stunden vor seiner erneuten Vernehmung, am 16. September 2013, in seinem Auto verbrannte ?

Warum wurde der ehemalige Referatsleiter für Rechtsextremismus Günther Stengel laut Kontext Wochenzeitung wahrscheinlich vom LfV Baden-Württemberg angewiesen einen Bericht zu vernichten, den er 2003 verfasste in dem er Informationen über eine neonazistische Terrorgruppe namens NSU sowie u.a. die Namen Uwe Mundlos, Alexander Neidlein, André Kapke und Thomas Richter (V-Mann Corelli), erwähnte?

Versuchten tatsächlich Rechtsextremisten, den schwer verletzten Polizisten Martin A. im Krankenhaus auszuspähen, wie die ehemalige Informantin Krokus, eine "geborene Quelle" des Verfassungschutzes in Baden-Württemberg erklärte ?

Warum verheimlichte V-Mann-Führer Öttinger diese Information seiner Quelle Krokus und warum wurden die Krokus Akten so lange unterschlagen ?

Der Journalist Thomas Moser, der regelmäßig über diese Vorgänge berichtete, wurde von seinem Arbeitgeber erst zensiert und dann gefeuert.

Mittlerweile geben ihm selbst Teile der Mainstreammedien recht:

"Auch wenn es beim NSU-Prozess vor allem um die Schuld von Beate Zschäpe geht, stehen auch andere drängende Fragen im Raum. So ist ungeklärt, ob der NSU tatsächlich nur aus drei Personen bestand. Zweifel daran weckt der Mord an der Polizistin Kiesewetter – das legen ZDF-Recherchen nah. (...) Dem ZDF liegen Phantombilder weiterer Verdächtiger vor. Zahlreiche Zeugen wollen sie, einige mit blutverschmierten Händen, in Tatortnähe gesehen haben. Die Bilder wurden nie veröffentlicht, in den Ermittlungen spielten sie damals und heute keine Rolle. Dabei ist die fehlende Ähnlichkeit mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos doch Hinweis auf mögliche Mittäter." (ZDF 14.1.2014)

" Es gab mehr Täter, das ist nach dem Stand der Ermittlungen evident, aber nicht für die Anklagebehörde, die darum herumgegangen ist. (...) Die Ermittlungen sind nicht systematisch gelaufen, sie sind nicht zu Ende geführt worden. Ein Staatsanwalt hat gesagt wenn es nicht zu den Beiden passt dann interessieren uns diese Zeugenaussagen nicht. Das geht nicht. Das ist Ideologie." (Professor Hajo Funke WDR 2 am 16.1.2014)

Im ARD Morgenmagazin wird am 16.1.2014 demonstriert, wie durch das Weglassen von Information , das Hinzufügen von Unwahrheiten, die Umdeutung von Zeugenaussagen in Gerüchte, ein Sachverhalt staatskonform aber falsch dargestellt wird. Off Kommentar:

" Dennoch gibt die Tat Rätsel auf, halten sich hartnäckig Gerüchte. Zeugen wollen blutverschmierte Personen in der Nähe des Tatorts gesehen haben. Um Mundlos und Böhnhardt soll es sich dabei nicht gehandelt. Ermittlungsbehörden hätten angeblich Phantombilder unter Verschluss gehalten und auch über eine persönliche Beziehung von Michele Kiesewetter und dem NSU wird spekuliert. Kiesewetters Kollege Arnold soll heute als Zeuge im NSU-Prozess auftreten doch seine Aussage wird wohl wenig zur Aufklärung beitragen, denn an die Tat selbst kann sich der Polizist nicht mehr erinnern."

"Martin A. ist damit das einzige Opfer des NSU, das einen Mordanschlag überlebt hat. Der Beamte arbeitete nur wenige Monate später wieder im Polizeidienst, kann sich aber nicht an die Geschehnisse des 25. April 2007 erinnern." (Welt Online 16.1.2013)

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