"Die Grenzen des Erlaubten werden verschoben"

Spähangriff Kristos Thingilouthis, politischer Geschäftsführer der Piraten, spricht über die Kooperation zwischen BND und NSA sowie den Angstfaktor Terrorismus
Data patch courds route
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Paul J. Richards/AFP/Getty Images

Der Freitag: Herr Thingilouthis, Sie sind regelmäßiger Beobachter des NSA-Untersuchungsausschusses. Was bitte ist „Eikonal“?

Kristos Thingilouthis: Die Operation „Eikonal“ bezeichnet eine Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem US-Geheimdienst NSA. Zwischen 2004 und 2008 leitete der deutsche Geheimdienst massenweise Daten an die NSA weiter.

Laut einer Recherche der Süddeutschen Zeitung, wurden auch Daten von deutschen Staatsbürgern weitergegeben. Was für Daten sind das?

Es handelt sich dabei um Telefon- und Internetdaten.

Widerspricht diese Praxis nicht dem Grundgesetz?

Aus meiner Sicht, ja. Es verstößt auch gegen das G-10-Gesetz. Mit diesem Gesetz regelt der BND die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, also auch in die Datenleitungen des Internets. Doch der BND höhlt dieses Gesetz immer weiter aus und verletzt damit das Datenschutzgesetz.

Wie ist das rechtlich überhaupt möglich?

Die bestehenden Gesetze sind zu schwammig formuliert, daher können die Geheimdienste machen, was sie wollen. Die Operation „Eikonal“ ist nur die Spitze des Eisberges.

Ist der BND überhaupt noch eigenständig, oder schon längst eine Unterabteilung der NSA?

Der BND versucht, sich nach außen als eigenständig zu verkaufen. Aber aus meiner Sicht ist das alles eine Truppe. Die arbeiten ja seit Jahren zusammen.

Als Argument für die enge Zusammenarbeit wird immer wieder der Kampf gegen Terrorismus genannt. Was halten Sie davon?

Das ist absurd. Der Angstfaktor Terrorismus wird in diesem Fall benutzt, um die Grenzen des Erlaubten weiter zu verschieben.

Wie können sich die Bürger vor so einem Übergriff schützen?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einerseits die technische Variante, wie beispielsweise den Server Tor. Dieser ermöglicht es den Nutzern, die eigenen Daten zu anonymisieren. Andererseits die ursprüngliche, die demokratische Möglichkeit auf die Straße zu gehen. Außerdem sollten sich die Bürger darüber im Klaren sein, dass Emails nicht sicher sind: Wer seine Daten nicht verschlüsselt, läuft Gefahr, dass jemand anderes mitliest.

Ihre Partei ist nicht im Bundestag vertreten. Was ist das für ein Gefühl, den größten Datenskandal Deutschlands aus der zweiten Reihe beobachten zu müssen?

Es wäre natürlich schön, im Bundestag zu sein. Dann hätten wir mehr Einsicht in die Akten. Wir nehmen ehrenamtlich an den Ausschüssen teil. In diesem Thema sind wir die Fachleute. Wir sind gut vernetzt. Wir wissen und verstehen, was da eigentlich passiert – im Gegensatz zu vielen Politikern.

Glauben Sie, Ihre Partei wird von dieser Situation profitieren?

Ja, ich denke schon. Ich persönlich hoffe, dass die Landtagswahlen in Hamburg, im kommenden Februar, positiv für uns ausfallen werden. Wir werden das Thema auch in der Zukunft auf jeden Fall weiter begleiten.

Sie warnen schon seit langem vor zu großer Macht der Geheimdienste. Fühlen Sie sich angesichts der momentanen Entwicklungen bestätigt?

Ja! Diese Problematik haben wir schon vor Jahren angesprochen. Damals wurden wir dargestellt, als wären wir irgendwelche Verschwörungstheoretiker. Was mir besonders Sorgen macht: Die Bürgerrechte werden massiv verletzt und alle schauen zu. Stellen Sie sich vor: Der Postbote liest nicht nur Ihre Briefe, er kopiert sie auch noch zehn Mal und verteilt sie weiter.

Was muss passieren, damit in Zukunft solche Überschreitungen besser verhindert werden?

Ein parlamentarischer Kontrollausschuss ist der erste Schritt. Das wichtige ist aber, dass sich die Bürger bewusst werden, dass die Geheimdienste mit diesen IT-Sachen richtig viel Schindluder betreiben können.

Das Gespräch führte Gesa Steeger

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