Ein Apfel am Tag hält den Doktor auf Abstand, so oder so ähnlich heißt es in einem englischen Sprichwort. Wer Gesundes isst, der lebt länger. Zumindest erhöht das die Chancen. Das ist den meisten Menschen bekannt, wenigstens in den Grundzügen.
Dass auch der Planet davon profitieren würde, wenn wir uns alle möglichst gesund ernähren und statt Völlerei den Verzicht üben würden, zeigt jetzt eine wissenschaftliche Studie: die sogenannte „planetary health diet“. Auf Deutsch, etwas sperrig: die planetarische Gesundheitsdiät. Sie ist das Ergebnis eines internationalen und interdisziplinären Forschungsprojekts, das sich die EAT-Lancet-Kommission nennt. Gegenstand der Untersuchung: eine Form der Ernährung, die allen Beteiligten guttun würde. Mensch und Planet. Kurz: eine Diät für eine bessere, nachhaltigere Zukunft.
Und die ist dringend notwendig. Zu viel Fleisch, zu viel Zucker. Zu wenig Vitamine und Proteine. Das Risiko, an den Folgen von falscher Ernährung zu erkranken oder zu sterben, ist so hoch wie nie zuvor. Vor allem in den Staaten der sogenannten westlichen Welt. Bluthochdruck, Übergewicht und zu viel Cholesterin im Blut sind Auslöser für Herzinfarkt und Diabetes. 2016 starben 1,6 Millionen Menschen an den Folgen der Zuckerkrankheit. Das zeigen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Tendenz steigend.
Erbsen und Erwärmung
Nicht nur der Mensch krankt an den Folgen falscher Ernährung, auch unser Planet. Abholzung, Massentierhaltung und Monokulturen: Die globale Nahrungsmittelproduktion zerstört ganze Ökosysteme unwiederbringlich. Sie raubt Lebensräume und heizt das Klima auf. Ein eng gesponnenes Netz ohne Ausgang: Was schlecht ist für den Menschen, ist schlecht für die Umwelt und vice versa. Ein Kreislauf der Abhängigkeiten, der in Zukunft Fahrt aufnehmen könnte.
Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 etwa 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Die größte Herausforderung wird sein, diese schiere Masse an hungrigen Mägen zu ernähren. Nicht nur irgendwie, sondern möglichst gesund, nachhaltig und ressourcenschonend.
Genau hier setzt die „planetary health diet“ an. Was sich im ersten Moment nach einer weiteren belanglosen Hungerkur anhört, wie ein weiterer Food-Trend für den gelangweilten urbanen Mittelstand, ist im Kern die Forderung nach einem radikalen Wandel in der globalen Nahrungsmittelproduktion und den individuellen Essgewohnheiten. Ein Ansatz, der im ersten Moment an Veganismus denken lässt, der aber nicht das Tierwohl im Blick hat, sondern Mensch, Nahrung und Planet gemeinsam denkt.
Was passieren könnte, sollte dieser holistische Ansatz scheitern, machen die Forscher bereits in der Einleitung ihrer Studie klar: „Ohne einen Wandel werden wir die Klima-Ziele von Paris nicht erreichen. Die kommenden Generationen werden einen zerstörten Planeten erben, dessen Bevölkerung an Mangelernährung und vermeidbaren Krankheiten leiden wird.“
Mit der neuartigen Planeten-Diät könnten zukünftige Tote und der Raubbau am Globus verhindert werden, versprechen die Forscher. Einzige Bedingung ist das strikte Einhalten des Speiseplans. Und das jeden Tag.
Größte Bausteine der Diät: Obst und Gemüse, je 200 bis 300 Gramm. Dazu 250 Gramm Milchprodukte, 232 Gramm Getreide, 75 Gramm Hülsenfrüchte und 50 Gramm Nüsse. Ganz hinten: Hühnchen mit 29 Gramm, Fisch mit 28 Gramm, rotes Fleisch mit 14 Gramm und Eier mit 13 Gramm.
Im Alltag heißt das Folgendes: Das Frühstück wird eher schmal. Ein kleiner Joghurt, ein Schuss Milch für den Kaffee. Vielleicht eine Scheibe Brot. Etwa ein viertel Ei. Der tägliche Apfel. Brunch fällt aus. Zu Mittag gibt es Erbsen und Lachs, dazu mehr Gemüse. Abends gönnt man sich den Rest. Wenn man die Woche über taktisch gegessen hat, ist am Wochenende vielleicht eine Wurst drin, aber eine kleine.
Für den typischen deutschen Konsumenten wird das hart. Rund 30 Prozent der Deutschen essen jeden Tag Fleisch. Das zeigen Zahlen des aktuellen Ernährungsreports des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung. Bei 82 Prozent landet mehrmals in der Woche ein Stück Käse auf dem Teller. Mit der „planetary health diet“ wäre Schluss damit.
Zu viel Fisch in Asien
Aber nicht nur die deutschen Konsumenten müssten verzichten. Zur Rettung des Planeten müsste der Verzehr von rotem Fleisch und Zucker weltweit um die Hälfte reduziert werden. Während sich der Konsum von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen verdoppeln müsste. Eine Empfehlung, die jedoch nicht pauschal gelte, sondern je nach Land und Essgewohnheiten abweichen könne, betonen die Forscher.
Ein Knackpunkt der Studie. Denn wie zwingt man die einen zum Verzicht, während die anderen zum Mangel keine Alternative haben? Während beispielsweise in den USA zu viel Fleisch konsumiert wird, werden in den Staaten der Subsahara zu viele Kartoffeln und andere stärkehaltige Gemüse gegessen. In Asien landet zu viel Fisch auf dem Teller.
Geht es nach der Planeten-Diät, müsste jetzt reduziert werden. Und zwar drastisch. Nur, wie soll das konkret funktionieren in Ländern, die politisch instabil sind oder vom Klimawandel ausgedörrt werden? In denen es schlicht kein breites Nahrungsangebot gibt? Und wie verändert man die Essgewohnheiten einer wachsenden Weltbevölkerung, die mehrheitlich nach Konsum und Wohlstand strebt?
Mögliche Antworten liefert die Experten-Kommission in Form eines etwas allgemein gehaltenen Leitfadens, der nicht weniger vorsieht als eine Revolution der globalen Nahrungsmittelproduktion.
Ein Abriss: mehr Zugang zu gesunder Nahrung, mehr gesellschaftliche Aufklärung über gesunde Ernährung. Schluss mit Massentierhaltung und Monokulturen. Mehr Ernsthaftigkeit im Artenschutz. Schutz von artenreichen Wäldern und natürlichen Ökosystemen. Besserer Umgang mit Wasser und fossilen Energien.
Forderungen, die in ihren Grundprinzipien nicht neu sind. Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der WWF setzen sich seit Jahrzehnten für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und einen verbesserten Artenschutz ein. Neu ist jedoch der holistische Ansatz, der deutlich herausarbeitet, wie eng die Gesundheit des Menschen mit der des Planeten verknüpft ist. Deutlich wird ebenfalls, dass neben Wasser die Versorgung mit reichhaltiger und gesunder Nahrung eines der wichtigsten Themen der Zukunft werden wird.
Tatsache ist allerdings auch, dass das große Ganze dazu tendiert, im Alltag unterzugehen. Ein altes Dilemma, das auch auf die „planetary health diet“ zutrifft. Denn wer verzichtet schon gerne auf seinen Sonntagsbraten, ohne den ultimativen Anreiz? Wer ändert seinen Lebensstil, um den Lebensraum von seltenen Tieren in einem fremden Land zu retten? Vermutlich die wenigsten. Und so traurig und auch ein wenig frustrierend es ist: Die neuartige Planeten-Diät wird in den nächsten Monaten wohl doch nur zu einem weiteren Food-Trend verkommen. Für diejenigen, die es sich leisten können. Sicher kommt bald das passende Kochbuch auf den Markt.
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