Viele Lesben in der Kirche halten es wie Petra B., Mathematikerin und aktiv in einer Bremer evangelischen Gemeinde. Sie behalten ihr Lesbischsein für sich. Petra B. hatte sich schon vor ihrem Coming Out mit der Frage der Akzeptanz von Homosexuellen in der Kirche und vor Gott auseinander gesetzt und entschieden, dass das zusammen geht.
Ist es erstaunlich, dass sich Lesben der evangelischen und katholischen Kirche zugehörig fühlen? Dass sie religiös sind, sich von Gott geschützt oder dem Papst verpflichtet fühlen? Nein. Viele Lesben und Schwule waren »von klein auf« religiös. Sie entwickelten ihren Glauben in einer Zeit, in der sie nicht unbedingt ahnten, dass sie »anders« als die Mehrheit der Bevölkerung sind. Dann aber müssen
#252;ssen sie sich mit dem Widerspruch beschäftigen, in diesem einen Punkt nicht konform mit der offiziellen Kirchenmeinung zu sein, und zum Coming Out in der Familie und im Freundeskreis, kommt ein drittes Coming Out hinzu: das in der Kirche. Und sei es nur vor sich und ihrem Gott.Ein lesbisches Paar aus Bremen wagte einen besonderen Schritt für ein Coming Out in der Kirche: Sie ließen ihre Partnerschaft in einem Gottesdienst öffentlich segnen. Was sie wollten, war eine Trauung, so wie sie heterosexuelle Paare auch bekommen. Die Pastorin gab ihnen Gottes Segen. Doch die Geschichte hat einen Haken: Ein großer Teil der evangelischen Gemeinden, Kirchenkreise, Landeskirchen und kirchlichen übergeordneten Zusammenschlüsse sind gegen Segnungsfeiern. So auch die EKD (Evangelische Kirche Deutschlands), unter deren Dach die meisten evangelischen Kirchenkreise organisiert sind. Manche Gemeinden, wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft missionarischer Kirchen (AMK) in Bremen, setzen sich öffentlich dafür ein, dass Homosexuelle ihre sexuelle Orientierung verändern. Dafür sagen sie ihnen sogar ihre Unterstützung zu.Vor rund einem Jahr hat die EKD ein Papier herausgegeben, in dem sie rät, keine Segnungsfeiern für Lesben und Schwule durchzuführen. Denn diese ähnelten zu sehr den üblichen Trauungen. Und eine Verwechslung mit einer Trauung dürfte auf keinen Fall eintreten. Aus der Sicht des christlichen Glaubens seien Ehe und Familie die sozialen Leitbilder. Die EKD betont, in der Bibel gäbe es keine Aussage, »die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzt. Im Gegenteil«. Da aber Menschen existieren, die ihre »homosexuelle Prägung« als unveränderbar verstehen und nicht bereit sind, sexuell enthaltsam zu leben, sei ihnen eine ethisch verantwortliche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft anzuraten. Und diese Lebensgemeinschaft könne in einer Fürbitte-Andacht geistlich begleitet werden. Eine Fürbitte-Andacht für die Partnerschaft Homosexueller ist also der Konsens, auf den sich die evangelische Kirche in Deutschland bisher einigen kann. Der argumentative Eiertanz ist auch in der 1996 erschienenen EKD-Broschüre Mit Spannung leben nachzulesen.Die katholische Kirche dagegen will überhaupt keine »Spannung«. Sehr deutlich gibt sie zu verstehen, dass Angestellte der katholischen Kirche (in Deutschland über eine Million Menschen), die sich nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz binden, entlassen werden. »Ich finde es eine Katastrophe, dass ich nicht gleichzeitig offen lesbisch leben und Theologin sein kann«, sagt eine katholische Lesbe, die bei der Kirche angestellt ist. Über das sogenannte »Tendenzrecht« könne die Kirche als Arbeitgeberin weitreichenden Einfluss auf ihre Mitarbeiter ausüben. Dagegen könne niemand klagen, nicht einmal vor dem europäischen Gerichtshof. Die Konsequenz: Homosexuelle suchen sich Nischenplätze. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) gibt Tipps für Lesben und Schwule, die kirchlich organisiert sind und sich trotzdem verpartnern wollen: Sie können beim Standesamt beantragen, dass die Daten ihrer Verpartnerung nicht weitergeleitet werden.Solch drastische Maßnahmen wie die katholische erwägt die evangelische Kirche nicht. Aber den Hinweis, dass Homosexualität in der Bibel als Sünde dargestellt wird, kann sie sich nicht verkneifen. Doch damit können viele Kirchenmenschen leben. Jutta Just, Lesben- und Schwulenbeauftragte der Landeskirche Nordelbien, hält die Diskussion um Bibelzitate für müßig. Wenn beim Thema Homosexualität die Bibel wortwörtlich zitiert wird, warum nicht auch bei Ehebruch, Diebstahl und anderen Sünden? Wo die Bibel verlangt, dass den Menschen die Hände abgehackt werden, »erst die Rechte, dann die Linke«? Jutta Just hat eines der evangelischen Netzwerke für Lesben mit gegründet, »Maria und Marta«. In die bekannteste, aber von Schwulen dominierte Gruppe von Homosexuellen in der Kirche (HUK) hat sie sich nie begeben, denn sie fühlte sich gut aufgehoben in ihren Frauenkreisen. Sie findet, dass Lesben es schwerer als Schwule in der Kirche haben - denn sie werden weniger wahrgenommen - vermutet aber gleichzeitig, dass die Kirche vor Schwulen mehr Angst hat. »Heterosexuelle Männer haben eher Angst vor Schwulen«, sagt sie lakonisch.Jutta Just hat gut Reden, denn sie lebt in einer progressiven Landeskirche. Die Nordelbische Kirche hat sich vor Jahren bei Lesben und Schwulen entschuldigt, in der Zeit des Faschismus nichts gegen die Verfolgung von Homosexuellen unternommen zu haben. In einigen Städten in Nordelbien haben schon Segnungen von Lesben und Schwulen stattgefunden. Sogar von lesbischen Pastorinnen oder schwulen Pastoren. Jutta Just ist davon überzeugt, dass zu dieser Offenheit ihrer Landeskirche auch das Lebenspartnerschaftsgesetz, das sei August 2001 gilt, beigetragen hat. Es scheint aber, dass der Kampf um Akzeptanz in der Kirche nicht ohne persönliches Outing funktioniert.Auf dem kommenden Kirchentag vom 28. 5. bis 1. 6. in Berlin gibt es ein breites Angebot für Schwule und Lesben, Termine unter www.huk.org