Letzte Party

Im Panorama Eine Reihe von Filmen zum Thema AIDS

»Das ist ein Krieg, in dem nur du die Bomben hageln hörst. Alle anderen leben ganz normal weiter.« So lautet ein Klageruf von einem AIDS-Aktivisten der achtziger Jahre, in denen Tausende AIDS-Tote von der Öffentlichkeit als »Randgruppenangelegenheit« betrachtet wurden. Zu hören ist diese Aussage in der amerikanischen Dokumentation Fight Back, Fight AIDS: 15 Years Of ACT UP von James Wentzy. Selber ein Kämpfer der Bewegung hat Wentzy mit seiner Videokamera 15 Jahre die Aktivitäten von ACT UP (AIDS Coalition To Unleash Power) festgehalten. Der Film ist einer von fünf Beiträgen zum Thema AIDS, die dieses Jahr in der Panorama-Sektion der Berlinale aufgeführt wurden. Dass die Berliner Filmfestspiele im Gegensatz zur »Hoch-Zeit« der Problematik in den letzten vier Jahren keinen Beitrag mehr zum Thema AIDS hatten, verdeutlicht die allgemeine Illusion, die offenbar auch die Filmwelt erfasste: Der trügerische Optimismus, die Krankheit beschränke sich nunmehr auf Afrika, führte in der westlichen Welt zunehmend zu einem Verzicht auf präventive Maßnahmen.

Der 75-minütige Dokumentarfilm zeigt verschiedene Demonstrationen von ACT UP, die sich gegen die Ignoranz der Politik und der Medien richteten: Die spektakulären Aktionen reichten von der Besetzung der Börse in der Wall Street bis hin zum Verstreuen der Asche von AIDS-Toten in den Garten des Weißen Hauses. Der Zorn der Aktivisten bezog sich zum Beispiel darauf, dass sie die an den Folgen von HIV Gestorbenen als Opfer eines politischen Anschlags ansahen. Sie warfen der Regierung vor, für jede Minute, die sich die Entwicklung von Medikamenten verzögert, einen Toten in Kauf zu nehmen.

Fight Back, Fight AIDS: 15 Years Of ACT UP zeigt die Betroffenen in den achtziger und neunziger Jahren, die nicht nur mit ihrer eigenen Krankheit oder ihrer Trauer über Verluste fertig werden mussten, sondern auch für ihren politischen Streit Kraft aufzubringen und gegen die Kränkung der Gesellschaft anzukämpfen hatten. Time titelte damals: »AIDS kommt auch zu uns«. Das Bestreben, die Homosexuellen und die Minderheiten auf diese Weise auszustoßen, findet in der heutigen Gesundheitspolitik der Bush-Regierung seine Fortsetzung. Statt die Mittel für AIDS-Präventation und -Behandlung aufzustocken, hat die Regierung ein 135 Millionen Dollar teures Programm angeschoben, durch das junge Leute von vorehelichem Sex abgehalten werden sollen.

Der in Kanada lebende US-Regisseur Thom Fitzgerald setzt sich in seinem Spielfilm The Event mit der sozialen Verantwortung der Angehörigen und Freunde der an AIDS Erkrankten, also mit Sterbehilfe auseinander. Die Staatsanwältin Nick geht einer Reihe von mysteriösen Todesfällen in der Schwulenszene des hippen Chelsea-Viertels in New York nach. Das letzte Opfer ist Matt Shapiro, der, resigniert von siebenjähriger, nutzlosen Behandlung, am Ende einer wilden Abschiedsparty Selbstmord begangen hat. Seine Mutter (eine glänzende Olympia Dukakis), Schwester, Freunde und sein Betreuer im AIDS-Zentrum haben ihm dabei assistiert. Im Laufe der Vernehmungen dieser Menschen, die in Rückblenden von Matts und ihrem eigenen Leid erzählen, verflüchtigt sich die Schuldfrage nach und nach, um in dem Satz von der Mutter schließlich gänzlich ad absurdum geführt zu werden: »Was haben Sie jetzt mit mir vor?« Der packende Film ist trotz komödiantischer Elemente gewiss keine leichte Kost. Er provoziert mit seiner Kompromisslosigkeit, die er von der »Narrenfreiheit« der Independent Filme bezieht. Als er vor einigen Wochen beim Sundance Filmfestival seine Premiere hatte, fühlten sich die in der Region lebenden Mormonen in ihren religiösen Gefühlen angegriffen.

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