Eine von den insgesamt acht Oscar-Nominierungen für Dreamgirls konnte Jennifer Hudson als beste Nebendarstellerin für sich erobern. Fünf weitere angesehene Preise hat sie in den letzten beiden Monaten bereits bekommen. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die 25jährige Hudson damit wohl die erste Ex-Kandidatin einer TV-Talentshow sein dürfte, die es so weit gebracht hat. Und weil die Ehrungen eine frühere Niederlage von Hudson wiedergutmachen, die von vielen als ungerecht angesehen wurde. 2004 hatte sie bei American Idol, dem "Superstar"-Format des US-Senders Fox, den ersten Platz an eine andere Afroamerikanerin abtreten müssen. Hudson wurde von den Fox-Zuschauern per Televote abgewählt und man musste kein Experte sein, um zu sehen, dass die Entscheid
ass die Entscheidung mit ihrer nicht poptauglichen Gospel-Stimme und ihrem Körperbau zu tun hatte. Beim Casting für Dreamgirls allerdings hatte das gewählte American Idol unter 800 Teilnehmerinnen dann das Nachsehen gegen Hudson.In Dreamgirls erleidet die von Hudson verkörperte Effie ein ähnliches Schicksal. Als Mitglied der in kürzester Zeit von Backgroundsängerinnen zur erfolgreichen Girlgroup avancierten Soul-Trios wird sie wegen ihrer kraftvollen Stimme, ihrer rebellischen Haltung und vor allem aber wegen ihrer kräftigen Erscheinung entlassen. Der äußerst geschäftstüchtige Entdecker der Mädchen, Curtis Taylor Jr., will fortan die ungleich zierlichere und gefügigere Deena, die von Beyoncé Knowles gespielt wird, als Leadsängerin puschen. Der Manager bevorzugt Deena schließlich auch im Bett und setzt Effie wegen ihr vor die Tür. In den amerikanischen Kinos soll es regelmäßig standing ovations gegeben haben, wenn Jennifer Hudson als verstoßene Liebhaberin und Künstlerin Effie den Song And I am Telling You I´m Not Going singt. Tatsächlich entwickelt die Sängerin dabei eine emotionale Wucht, der man sich als Zuschauer kaum entziehen kann.Regisseur Bill Condon, für das Drehbuch des erfolgreichen Musical-Films Chicago bereits mit einem Oscar ausgezeichnet, huldigt in Dreamgirls dem legendären "Sound of Young America", der Musik, die in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Detroit kreiert wurde. Ähnlich wie der geniale Chef der Plattenfirma Motown, Berry Gordy, der zu diesem unverwechselbaren Sound einen großen Beitrag leistete, geht in Dreamgirls Curtis Taylor Jr. auf Talentsuche. Bei einer dafür vorgesehenen Show in Detroit stößt Taylor, gespielt von Jamie Foxx, auf die Dreametts, die sich später den Namen Dreamgirls geben. Die drei jungen Mädchen werden von ihm auf der Stelle für den berühmten Entertainer/Sänger Jimmy Early als Background-Sängerinnen engagiert. Eddie Murphy, der Early als eine Mischung aus James Brown und Little Richard darstellt, spielt und singt so großartig, dass man den Komiker von früher kaum wiedererkennt. Wie Hudson wird auch Murphy zur Zeit für die Rolle mit Preisen überhäuft und hat Aussichten, den Oscar zu gewinnen.Der im Film beschriebene kometenhafte Aufstieg des Trios gleicht in vielen Punkten dem tatsächlichen Werdegang der Supremes, der wohl bekanntesten Girlgruppe aller Zeiten: Die Supremes kamen als schwarze Barbiepuppen mit langen falschen Wimpern sowie wechselnden Perücken in auffälligen Chiffon- und Satinkleidern daher. Die Auftritte der Dreamgirls erscheinen im Film ebenso perfekt choreographiert wie die legendären Performances der Supremes. Wie gesagt, verändert Manager Curtis in der Filmgeschichte schließlich die Rangordnung unter den Sängerinnen und macht Deena zum Star, obwohl alle wissen, das Effie die bessere Stimme hat. Bei den Supremes hat es eine ähnliche Umgewichtung gegeben und auch die Zuneigung von Florence Ballard, die sie für Berry Gordy empfand, blieb damals genauso unerwidert, wie Effies für Curtis nun in Dreamgirls. Dabei war Ballard nicht nur die eigentliche Gründerin der Supremes, sondern auch das talentierteste Mitglied des Soul-Trios. Diana Ross, der extremer Ehrgeiz und Zickigkeit nachgesagt wird, soll ihr Verhältnis mit Berry Gordy ausgenutzt haben, um Ballard auszubooten, gerade als die Girlgroup auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war. Diana Ross begann damit, sich auf der Bühne stets zwei Schritte vor die anderen Sängerinnen zu stellen, dann wurden deren Stimmen nach und nach leiser gemacht. Berry Gordy ließ sogar zu, dass Platten der Supremes verkauft wurden, auf denen ganz andere Stimmen Diana Ross begleiteten, ohne dass Florence Ballard oder Mary Wilson, die dritte Sängerin, davon etwas mitbekamen.Nach ihrer Trennung von den Supremes fand Florence Ballard nie wieder den Anschluss in der Musikbranche. Sie lebte schließlich in sehr ärmlichen Verhältnissen und verstarb mit 32 Jahren.Die Produzenten von Dreamgirls legen Wert darauf, dass ihr Film auf dem gleichnamigen Broadway-Musical aus dem Jahr 1981 basiert und nur entfernt etwas mit den wahren Begebenheiten bei den Supremes zu tun hat. Diana Ross hat das Musical schon zu seiner Zeit sorgfältig ignoriert, schließlich erzählt es wenig verklausuliert Florence Ballards leidvolle Geschichte. Da Berry Gordy bis heute noch niemandem genehmigt hat, über die Supremes ein Biopic zu drehen, wird im Film die Figur, die Diana Ross darstellen soll, einigermaßen unkenntlich gemacht. Beyoncé Knowles spielt demnach eine äußerst liebenswürdige Diana Ross, die keinesfalls selbst an der Intrige gegen Effie teilnimmt. Knowles weist außerdem bei Interviews stets darauf hin, dass ihr Diana Ross nach unzähligen Vorgesprächen ihren Segen gegeben habe. Ein Gutes hat diese "Geschichtsfälschung" aber am Ende doch: Florence Ballard wird endlich Reverenz erwiesen. Das Kino macht möglich, was die traurige Realität nicht mehr zulässt: Effie wird zum Abschiedkonzert der Dreamgirls noch einmal auf die Bühne geholt - und darf zeigen, wer die bessere Stimme hat.